Dr. Arthur Janov: Depression - Das große Geheimnis (Teil 11/12+12/12 ) |
Montag, 23. Dezember + Samstag, 28. Dezember 2013, The Mystery Known as Depression, www.arthurjanov.com |
11.
WIE DEPRESSION BEHANDELT WIRD: MEDIKAMENTE VERSUS PSYCHOTHERAPIE Die
größte Auseinandersetzung über Depression betrifft heutzutage die
Frage, wie man sie bändigt und unter Kontrolle bringt. Die gegnerischen
Lager sind die Medikations-Befürworter versus konventionelle
Psychotherapie. Letztere beinhaltet altmodische
"Gesprächstherapie" wie Psychoanalyse, bei der der Patient
"frei assoziiert" und somit zu verstehen versucht, was in seiner
Vergangenheit die Depression verursacht hat. Eindeutig dominant auf dem
Fachgebiet sind jedoch die kognitiven Verhaltenstherapien, die sich auf
die Gegenwart konzentrieren, indem sie versuchen, den Patienten bei der
Änderung seiner Gedanken- und Verhaltensmuster zu unterstützen. Momentan
scheint es aber, dass die Gruppe gewonnen hat, die sich für Medikamente
ausspricht. Heutzutage ist die Psychiatrie unabsichtlich zum Zweig der
Pharmazie-Gesellschaften geworden. Millionen Amerikaner sind auf
selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) wie Prozac, Zoloft und
Paxil, der aktuelle Goldstandard in der Depressionsbehandlung, oder sie
nehmen ein trizyklisches Antidepressivum wie Imipramin. Eine
Psychologin, die Depression und ihre Behandlung erforscht, Ellen Frank von
der Pittsburgh Medizinschule kommt zu dem Schluss, dass Antidepressiva am
wirkungsvollsten sind, wenn die Dosierung im Lauf der Zeit beibehalten
wird. "Die Dosis eines Antidepressivums, die Sie gesund macht, hält
Sie gesund," sagte sie Science News in einem Artikel über den
Konflikt zwischen Befürwortern von Psychotherapie versus Medikation bei
der Behandlung von Depression. (Bower, 1991) In der Studie, die zuerst in
den Archives of General Psychiatry veröffentlicht wurde, rückverfolgten
Frank und ihre Kollegen die Behandlung von 230 Personen, die
wiederkehrende Perioden schwerer Depression erlebt hatten, über einen
durchschnittlichen Zeitraum von 12,5 Jahren. (Frank, et al., 1990) Von den
53 Personen, die eine volle tägliche Dosis Imipramin erhielten und
beibehielten, blieben 41 in den gesamten 3 Jahren frei von Depression.
Diese Studie fand auch heraus, dass Psychotherapie plus Medikamente keinen
wirklichen Vorteil erbrachte gegenüber Medikamenten alleine - kein
sonderlich überzeugender Beweis für die Wirksamkeit von Psychotherapie. Ähnliche
Resultate erbrachte der Gebrauch von SSRIs, Drogen, die oft auf
unbestimmte Zeit verschrieben werden. Paradoxerweise kann man suizidal
werden, wenn man Antidepressiva erhält; nicht wegen der Drogen, sondern
weil die Medikation mehr Zugang zu unbewusstem Schmerz erlaubt. Die
Drogen, die eigentlich die Verdrängung unterstützen sollen, erleichtern
dem System, das bisher alles allein machen musste, die Gesamtlast der
Verdrängung, so dass jetzt Gefühle hochkommen. Andererseits können
Tranquilizer die Prägung genug dämpfen, so dass der Schmerz nicht
eindringt. Je mehr Schmerz umso größer die erforderliche Dosis. Ich habe
Patienten gesehen, die Selbstmord versuchten, indem sie eine Dosis zu sich
nahmen, die für nahezu jeden Menschen tödlich gewesen wären, die aber
nur für 12 Stunden in Schlaf versetzt wurden. Sie hatten so massive
Schmerzmengen, die das Gehirn aktivierten, dass die Medikation den Tod
nicht herbeiführen konnte. Und ich habe schwer Depressive gesehen, die
eine so hohe Grundaktivierung hatten, dass gewöhnliche Schlaftabletten
nicht wirkten. Da die Symptome von Angst und Depression so unterschiedlich
scheinen, ist man versucht, sie als verschiedene Krankheiten zu
bezeichnen. Aber die Tatsache, dass hemmende Drogen sowohl bei Depression
als auch bei Angst helfen können, zeigt, dass es einfach verschiedene
Möglichkeiten des Körpers sind, mit derselben Art von Schmerz umzugehen.
Drogen können in beiden Fällen helfen, aber aus unterschiedlichen
Gründen. Bei Angst dienen sie dazu, die Löcher im Verdrängungssystem zu
stopfen, weil der Schmerz ins volle Bewusstsein einsickert. Beim
Depressiven besteht, wie ich gesagt habe, ihre Funktion darin, einen Teil
der Verdrängungsaufgabe zu übernehmen, so dass der Körper nicht so
belastet wird. Der Körper fühlt sich besser, weil er nicht alles selbst
machen muss. Depression
und Angst sind nicht unbedingt verschiedene "Krankheiten"; sie
sind Reaktionen auf unterschiedlichen neurologischen Evolutionsstufen und
involvieren beide Schmerz und Furcht und ein gestresstes Nervensystem.
Angst kommt zuerst, bei der es zu reinem, unverfälschtem Terror kommt
ohne Abwehrmöglichkeit; und Depression an zweiter Stelle, wenn
Verdrängung möglich ist. Wenn wir Tiere untersuchen, scheint es, dass
sie ängstlich sind, bis sie in eine Situation ohne Verhaltensoptionen
versetzt werden; dann zeigen sie Symptome von Depression. Ratten wurden
auf einen rutschigen Hang über einem Wassergraben gesetzt. Wenn sie
erschöpft wären, würden sie ins Wasser fallen. Nach kurzer Zeit konnten
sie sich nicht mehr bewegen, waren weder neugierig noch unternehmenslustig
- sie gaben auf und schienen deprimiert. Ein
deprimierter Mensch, der nicht in Therapie ist, braucht aus demselben
Grund Tranquilizer, aus dem unsere Patienten sie vielleicht benötigen,
wenn sie sich starken Gefühlen annähern: Die Verdrängung ist schwach,
so dass chemische Hilfe nötig ist, um sie zu stützen. Die Drogen helfen,
unsere innere schmerztötende Pharmazie zu normalisieren. Wir wollen
nicht, dass Patienten mit schwacher Abwehr einen freien Fall in entfernte
und hochvalente Schmerzen der ersten Ebene erleben. Medikation ermöglicht
einen langsamen methodischen Abstieg; sie hält den Patienten in der
Primal-Zone. Wenn Patienten genug von ihrer schmerzvollen Geschichte
wiedererleben, brauchen sie keinen Alkohol mehr, keine Drogen, Zigaretten
oder Schmerztöter. Weniger Schmerz, weniger Schmerztöter. Der
Unterschied ist, dass bei koventioneller Therapie die Medikation zum
Endspiel wird, zum einzigen Trick. In unserer Therapie wird Medikation
angewandt, um unser Ziel zu erreichen und nicht als Ersatz dafür. Wenn
es um die Erforschung der unterbewussten Wurzeln der Depression geht,
scheint das Mantra in den meisten Behandlungsmodalitäten zu lauten:
" Geh' da nicht hin!" Noch immer herrscht die Vorstellung, dass
die Beschäftigung mit dem tiefen Unbewussten gefährlich sei; und das ist
sie bestimmt, wenn man es ohne angemessenes Wissen macht. In der
kognitiven Psychotherapie-Schule glaubt man, der Depressive sei in
"kontraproduktive" Gedanken eingeschlossen. Also muss der
Patient identifizieren, welche dieser Gedankenmuster "verzerrt"
sind, und danach mittels Logik und Verstand eine andere Denkweise
entwickeln, eine, die "rational" und selbstbejahend ist anstatt
kontraproduktiv. Diese Lösungsart - oder dieser Lösungsversuch - steht
heute neben den Antidepressiva an vorderster Behandlungslinie. Gewöhnlich
kommt sie von Leuten, die versichern, dass wir uns aus unseren Problemen
herausdenken können; das heißt, dass wir uns unseren Weg zur Gesundheit
buchstäblich erdenken können. Das ist Teil der neuen
"Reframing"-Schule, in der wir etwas Schlechtes in etwas
Neutrales und Harmloses umwandeln. Wir rahmen die Situation neu, so dass
sie nicht mehr weh tut; es gibt keine Auffassung von tiefen
Gehirnprozessen oder von historischen eingeprägten Ereignissen. Ein
anderer Name dafür ist purer Solipsismus. Für solche Therapeuten
existiert Schmerz einfach nur in Ihrer Einbildung. Der
Depressive sagt oft zum konventionellen Therapeuten: "Ich schaff' es
einfach nicht. Ich stecke fest." Und der Therapeut ist warmherzig,
macht Mut und versichert beharrlich: "Doch, Sie schaffen es."
Unwillentlich überzieht der Therapeut das reale Gefühl des Patienten -
die Prägung - mit einer Glasur. Die Prägung, die sich ausdrückt als
Gefühl von "Ich stecke fest, ich schaffe es nicht", ist von
primärer Bedeutung, weil die Person diese Prägung nicht ändern kann.
Ganz gewiss nicht, indem sie mit einem Therapeuten spricht. Es ist nichts
Ausgedachtes. Es ist im Geburtserlebnis inbegriffen. Optimismus- oder
Positves-Verhalten -Therapie ignoriert reale Gefühle, mit denen man sich
befassen muss. Eingeprägte Erinnerung wird einfach nicht anerkannt,
obwohl der Prozess der Methylierung uns belehren sollte, dass die Dinge
anders liegen. Es gibt keine kontraproduktiven Gedanken, nur
kontraproduktive Gefühle: "Ich tauge nichts, ich krieg' nichts in
die Reihe." Das sind nicht bloß Gedanken, die in der Luft hängen
und die man zurücknehmen und durch neue Gedanken ersetzen muss. Sie sind
in inneren physiochemischen Realitäten verankert, mit denen man sich
befassen muss. Sie haben sich entwickelt und sind nicht einfach ausgeheckt
worden. Glauben wir wirklich, dass jemand diese Gedanken frei erfindet?
Oder reflektieren sie sein Leben? Das
reale Selbst ist dasjenige, welches schreckliche Traumen durchgemacht hat,
leidet und sich hoffnungslos und ungeliebt fühlt aufgrund realer früher
Lebenserfahrung. Es sendet Nachrichten zu den Denkzentren hoch, und die
brüten den Gedanken aus, man sei ungeliebt, auch wenn es eine Frau und
Kinder gibt, die dem Opfer treu ergeben sind. Und ein kognitiver Therapeut
weist schnell darauf hin: "Sie werden doch geliebt, also warum
fühlen Sie sich so ungeliebt? Sie müssen ihre negativen Gedanken
ändern." Wenn
wir die Erfordernisse kritischer Perioden in der Gehirnentwicklung
übersehen, in denen ihre Schlüsselsysteme verlangen, dass bestimmte
Bedürfnisse - wie das Bedürfnis nach Körperkontakt - befriedigt werden
müssen, dann werden wir nie verstehen, warum Ermutigung im Hier und Jetzt
nicht funktioniert, auch wenn sie von einem freundlichen und
wohlgesonnenen Psychotherapeuten kommt. Die "negativen" und
"kontraproduktiven" Gedankenmuster des Depressiven entspringen
direkt tief liegenden Einprägungen und stehen in Einklang mit der inneren
physiochemischen Wirklichkeit des Körpers. Es ist die tiefsitzende
Prägung, die sich auf den Weg zur höchsten Ebene macht und als Ergebnis
diese pessimistischen Gedanken hervorbringt. Somit übersetzt der
Neokortex das Gefühl in die Spezialität der kortikalen Ebene - Gedanken.
Dieser Kortex weiß nicht, dass er auf etwas reagiert, das in den Tiefen
der Psyche verborgen liegt. Er glaubt, er reagiere unabhängig. Aber sein
freier Wille ist vorübergehend durch die Erfordernisse der Prägung
geraubt worden. Das Problem ist, dass die Gedanken nicht mit der
gegenwärtigen äußeren Realität übereinstimmen. Die innere Realität
setzt sich immer über die äußere, und die sogenannten
"verzerrten" Gedanken - über die dieser kognitive Therapeut
sagt, dass Sie dagegen ankämpfen müssen - sind nur Symbole für den
zugrunde liegenden Schmerz. Die evolutionären Erweiterungen der Prägung
haben Vorrang in der Psycho-Ökonomie. Wir reagieren auf Realität, aber
auf welche Realität? Wenn wir keine Ahnung von einer inneren Wirklichkeit
haben, die den Vorrang hat, weil sie mit Überleben zu tun hat, dann
verirren wir uns zwangsweise. Diese
innere Wirklichkeit kann Jahrzehnte an Erfahrung repräsentieren und die
gleichen paar prototypischen Gefühle vertstärken: "Niemand braucht
mich. Ich steh' im Weg. Sie hassen mich." Es stimmt, dass man den
Depressiven aktivieren und motivieren, ihn ermutigen und auf Alternativen
hinweisen kann, und diese Strategie hilft vielleicht. Aber das bedeutet
dennoch, dass man gegen den Prototyp ankämpft, der viel stärker und
mächtiger ist als Worte. Letztlich wird der Prototyp siegen. Nach und
nach wird der Mensch in Depresssion zurückfallen. Der Versuch, den
Prototyp zu besiegen, bedeutet eigentlich, die eigene Physiologie zu
besiegen - vergebliche Mühe. Solange die Prägung unangetastet bleibt,
kann es keine dauerhafte Therapie der Depression geben. Ohne eine Theorie
der Gehirnebenen sind wir gezwungen, auf der letzten Evolutionsebene zu
bleiben, auf der wir die Krankheit zu Tode reden. Eine
Auffassung der Depression, die sich von der Neurobiologie loslöst, wird
flüchtig und vage und bietet sich nur für Verhaltens-Erklärungen an.
Sobald wir verstehen, dass es generierende Ursachen gibt, tiefe
Prägungen, die Depression erzeugen, verstehen wir, dass kognitive
Verfahren nicht effektiv sein können. Tiefe Depression ist per Definition
immun gegen Gesprächstherapie, weil die "Krankheit" nonverbal
ist und tief im Gehirn liegende Verdrängung involviert, die man durch
neue Denkweisen nicht erreichen kann. Gedanken und Einsichten wirken an
der oberen linken Front des Gehirns - der kognitive Teil des Gehirns -
während viele tatsächliche Gefühle tief in der linken Seite des Gehirns
registriert und kodiert werden; die traumatische Prägung bleibt somit
unberührt unter den Verdrängungsbarrieren. Und deshalb erreichen
Einsichts- und Gesprächstherapie niemals die Basis der Depression.
Andererseits beruhigt Medikation den Schmerz biochemisch. Beide Ansätze
trennen Gedanken von Gefühlen. Sie unterdrücken auch das Einzige, das
uns gesund machen kann - unsere Geschichte. Das
Dilemma in der Psychiatrie und Psychotherapie der Gegenwart ist der Fokus
auf der Ebene der sich präsentierenden Symptome. Das macht Drogen
notwendig und macht die Behandlung palliativ und nicht-heilend. Die Idee,
Symptome mit Drogen zu unterdrücken, mag funktionieren, aber letztendlich
führt sie in die Irre, weil die Symptome eben solche sind: Symptome eines
zu Grunde liegenden unbewussten Schmerzes. Wenn man nicht in der
Geschichte gründlich nachhakt, kann man nur Erscheinungen (Phänotypen)
anstatt Ursachen (Genotypen) behandeln. Es sind viele neue Drogen auf dem
Markt, die als "Durchbruch" angekündigt werden. Ich diskutiere
eine, die kürzlich aufgetaucht ist und diesen Anspruch erhebt, und das
das ist Ketamin. Das Medikament wurde vor fünfzig Jahren als leichtes
Betäubungsmittel benutzt und als "Dämmerschlaf" bezeichnet.
Aber es wird behauptet, es wirke bei der Behandlung von Depression. Die
Frage ist warum? Ketamin
war ursprünglich in der Veterinärmedizin für Pferde vorgesehen, dann
wurde es auf Menschen übertragen. Es ist noch nicht gesetzlich zugelassen
als Behandlung für Depression. In experimentellen Studien wird es als
ziemlich effektiv beschrieben. Zum ersten Mal erprobt wurde es von
Wissenschaftlern am Nationalinstitut für psychische Gesundheit.
Selbstmordgedanken nahmen ab und Depression besserte sich vorübergehend,
wenn auch nicht auf lange Sicht. Was geschieht also, wenn diese Droge in
das System des Patienten gespritzt wird? Es stellt sich ein Gefühl von
Dissoziation und Betäubung ein. Ketamin füllt den Spalt zwischen
Neuronen mit dem Neurotransmitter Glutamat auf, der ein Einströmen der
Droge in den präfrontalen Kortex erzeugt. Und das unterstützt die
Aktivierung geistiger Aktivität, so dass die Person besser mit Gefühlen
umgehen kann. Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler war, dass
Depression durch ein Ungleichgewicht in der Regulierungsaktion des
Glutamats verursacht werde. Ketamin aktiviert Teile des limbischen Systems
einschließlich des cingulären Kortex. In diesem Sinne ist es ein
"Upper", der Energie konzentriert und das System gegen seine
basale Verdrängung/Todheit aktiviert und somit Depression lindert. Denken
Sie daran, dass alles, was Depression lindert, bei Depression hilft.
Grundsätzlich muss dann jede Medikation, die Depression bekämpft, gegen
Verdrängung energetisieren. Kurz gesagt müssen wir die massive an
Depression beteiligte Verdrängung abschwächen, wenn wir Patienten helfen
wollen. So wird die biochemische Substanz GABA - Gamma-Aminobuttersäure,
die wirkt, indem sie die Übertragung von Nervenimpulsen hemmt - durch
Ketamin teilweise annuliert, wodurch ein Teil der durch GABA geleisteten
Verdrängungsarbeit vermindert wird (Diazgranados et al., 2010; Vutskits
et al., 2007). Die
Forscher glauben, es sei dieses Ungleichgewicht, das für Depression
verantwortlich sei. Ich glaube, wir müssen fragen, was dieses
Ungleichgewicht zuerst verursacht hat. Da seine Effekte flüchtig sind,
glaube ich, dass wir zuerst entdecken müssen, wie wir das dauerhafte
Ungleichgewicht korrigieren können. Mir scheint, dass es sehr wohl frühe
Traumen sein können, die so viel neurochemische Balance im Gehirn
stören. Depressive haben vielleicht niedrige Glutamat-Spiegel, weil
exzessive Aktivität gefährlich wurde; das heißt, dass während des
Geburtstraumas Abschalten Überleben bedeutete. Jeder
Durchbruch hat eine Schlüsselwirkung: Sie mindert Verdrängung und hebt
dessen Schleusen an. Da ich postuliere, dass Depression Verdrängung auf
einer höheren Ebene ist, würde es Sinn machen, dass die Minderung von
Verdrängung einen dauerhaften Unterschied ausmacht. Andernfalls sind wir
gezwungen, um Ecken herum zu arbeiten, an Symptomen herumzudoktern und nie
an Ursachen zu gelangen. Symptome
sind Zeichen, dass etwas nicht stimmt; wir wollen das Warnsignal nicht
vertreiben. Wir wollen seine Botschaft beachten. In der konventionellen
Psychotherapie haben wir die Symptome zur Behandlung aus dem Menschen
extrahiert, anstatt zu sehen, dass diese Symptome aus einer biologischen
Geschichte hervorgehen. Wir machen das Symptom gesund, nicht den Menschen. Im
britischen Wissenschaftsjournal New Scientist steht ein Interview mit dem
Psychologen Joe Griffin, dem Mitbegründer des Therapieansatzes, der als
Human Givens bekannt ist und der sich in Großbritannien einigermaßen
durchgesetzt hat. (Kiser, 2003) Er behauptet: "Die Forschung zeigt,
dass jede Therapie oder Beratung, die Menschen ermutigt, selbstprüfend in
ihre Vergangenheit zurückzugehen, unvermeidlich Depression
vertieft." Mit diesem Hinweis kann man sich nur auf das Hier und
Jetzt konzentrieren und nie gesünder werden. Das ist die Essenz des
historischen Solipsimus. Es gibt keine Vergangenheit, nichts, das uns in
unserer Geschichte beeinflusst. Es ist eine Hinwendung an die Freudsche
Auffassung von den Gefahren, die auf uns lauern, wenn wir uns am
Unbewussten zu schaffen machen. Wenn wir Geschichte ignorieren oder nicht
verstehen, sind wir auf eine ahistorische Therapie eingeschränkt. Das
kann Nutzlosigkeit für den Doktor und die Patientin bedeuten; hilflos
beisitzen, Droge um Droge in die Patientin injizieren, um ihre Symptome zu
kontrollieren, oder sie endlos zu diskutieren - alles für die Katz. Damit
Psychotherapie effektiv ist, müssen wir das Kernstück des Feelings
nehmen - "Ich schaff' es nicht" - und es zu seinen Ursprüngen
im Hirnstamm zurückverfolgen. Genau das, was Primärtherapie macht. Wenn
wir einfach versuchen, den Patienten durch eine Gesprächstherapie-Sitzung
zu überzeugen, dass er/sie es jawohl doch schaffen kann, erweitern wir
den Spalt zwischen seinem/ihrem Wachverstand und seinen /ihren Gefühlen.
Die Gefühle sind real und Teil der Neurophysiologie. In unserer Therapie
nehmen wir die Phrase "schaff'es nicht" und benutzen sie, um den
Patienten zu ermöglichen, sie weiter zu fühlen; wenn er/sie in das
Gefühl eingeschlossen ist, trägt es ihn auf geordnete Weise die
Schmerzkette hinab. In der Psychotherapie müssen wir darauf achten, dass
wir für Patienten keine Cheerleader sind, die durch verbalen Trost und
Zuspruch einfach versuchen, dass er oder sie sich besser fühlt. Er/sie
schätzt unsere Aufmunterung, blüht auf, kommt wieder und will mehr
davon, und entfernt sich deshalb immer mehr von sich selbst. Es geht
ihm/ihr deshalb nicht besser. Und was heißt besser? Man selbst zu sein,
mit Gefühlen übereinzustimmen, es gibt nichts Besseres als das. Unsere
verbale Ermutigung macht ihn/sie jedoch nicht ihnselbst/sieselbst, und
wenn wir uns nur auf freundliche Worte verlassen, steht er/sie nicht in
Einklang mit seinen/ihren wirklichen Gefühlen. Wenn die Realität innerer
Gefühle lautet "ich fühle mich ungeliebt," dann setzt sich die
Ermutigung durch einen freundlichen Therapeuten über diese Realität
hinweg. Als
Psychotherapeuten wollen wir gute Eltern für die Patienten sein in dem
Maße, wie sie es wollen. Wir wissen, dass Eltern ihre Kinder ermutigen
und unterstützen sollten. Aber es sind Gefühle in das System des
Patienten eingraviert, und danach ist es zu spät für leichte
Veränderungen durch den Gebrauch freundlicher Worte und verbaler
Aufmunterung. Das Fenster für die passende Gelegenheit steht nicht mehr
offen. Wir können Neurose nicht weglieben.
12. ÜBER WIEDERERLEBEN: DIE NIEDERGESCHLAGENHEIT BESIEGEN Es
gibt unter uns kaum Fachleute, die an die absolute Notwendigkeit glauben,
alte Ereignisse wiederzuerleben und ihre Prägungen zu ändern; dennoch
ist es genau dieser Prozess, der heilt. Er heilt, weil er sich einzigartig
mit Geschichte und Erinnerung befasst. Das darf man nicht mit
intellektueller Erinnerung verwechseln; die ist zerebral, neokortikal. Das
Wierdererleben der Prägung ist neurophysiologisch und wird auf diese
Weise erinnert. Während Prägungen/Einprägungen gewöhnlich nicht zum
Wortschatz des Therapeuten gehören, glaube ich, dass sie die sine qua non
für die Zukunft der Psychotherapie sein werden. Das
schwere Atmen war ein Versuch, den Sauerstoffmangel zu kompensieren, den
sie während des Erinnerungs-Ereignisses erlebten. Das ist nie eine
willkürliche Anstrengung. Sie scheint der Person von tief unten im Gehirn
"aufgezwungen" zu werden. Es ist, als gleiche der Patient das
Deprivationsereignis aus, indem er nach Luft ringt. Einmal in Gang gesetzt
ist es sehr schwer zu beenden, bis es seinen Verlauf genommen hat.
Schweres Atmen kann viele Minuten andauern, und es kann viele Sitzungen
dauern, bis die Ursache begreiflich wird. Obwohl sich dieses schwere Atmen
bis zu zwanzig Minuten fortsetzt, kommt es nie zu Hyperventilation. Nach
dem Wiedererlebnis machten wir ein anderes Experiment, bei dem jeder
Patient das Primal auf jegliche Weise imitierte (die gleichen Bewegungen
und das gleiche schwere Atmen), ausgenommen, dass sie sich nicht in der
Vergangenheit befanden. Das heißt, es geschieht aus einer überlegten
Handlung des Patienten heraus, der in der Gegenwart lebt. Beiden wurde
schwindelig und nach 3 oder 4 Minuten wurden sie fast ohnmächtig, was
eindeutig ein Hyperventilations-Syndrom war (Krallenhände). Das
passiert systematisch mit Leuten, die versuchen, in die Vergangenheit
zurückzugehen, ohne total in die Erinnerung versenkt zu sein.
Tatsächlich ist es eine unserer Kontrollen für die Wahrhaftigkeit des
Feelings. Wenn ihnen geradewegs die Luft ausgeht, ist es einfach
Abreaktion, ein unverknüpftes und nicht integriertes Ereignis. Der grund
ist ziemlich einfach; die Versuchspersonen atmeten willkürlich und nicht
automatisch aus der Erinnerung heraus. Sie atmeten "von oben",
nicht vom Grund aus. Die Erinnerung bietet uns die Wahrheit des
Erlebnisses. Was
die Forscher vom Lungenlaboratorium herausfanden, war, dass der Körper
Sauerstoff benötigte, wenn der Patient in dem alten Gefühl und seinem
Zusammenhang mit Sauerstoffmangel bei der Geburt zurück war; der Patient
war in jeder Hinsicht "dort zurück", nicht zuletzt
physiologisch. Sie gehen in einen vollständigen biologischen Zustand
zurück. An der UCLA stellten wir fest, dass sich das
Säure-Basen-Gleichgewicht trotz der fortgesetzt schweren Atmung nicht
veränderte. Die Schlussfolgerung der UCLA-Forscher, die in keiner Weise
mit Primärtherapie in Verbindung standen, war, dass außer Erinnerung
kein anderer Faktor für die Ergebnisse verantwortlich sein konnte. Kurz
gesagt war die Erinnerung auf Leben und Tod real. Sie war eingeprägt.
Trotz der Tatsache, dass der Sauerstoffgehalt im Raum normal war, sendete
das Gehirn Signale eines großen Sauerstoffmangels, und das schwere Atmen
folgte. Es gab kein Hyperventilationssyndrom, weil das Gesamtsystem in die
Geschichte zurückgekehrt war und ein Schlüsseltrauma und dringenden
Sauerstoffbedarf wiedererlebte. Sie erlebten das Ereignis nicht nur in
ihren Köpfen oder Gedanken wieder sondern mit jedem Teil ihres Selbst.
Die Patienten sind tatsächlich ihrer Vergangenheit. Sie leben in ihrer
Geschichte, leben in ihrer persönlichen Vergangenheit; und, so könnte
ich hinzufügen, sie leben in einem Gehirn, das seit Urzeiten besteht.
Wenn sie in einem Primal wiedererleben, dreht sich ihr Leben um
Geschichte, und die Gegenwarts-Bewusstheit ist blass. Sobald
wir konstatieren, dass wir von Prägungen getrieben werden, die tief in
einem uralten Gehirn eingebettet sind, sehen wir, dass es alles mit
unserem gegenwärtigen Verhalten und Symptomen zu tun hat, und wir müssen
anerkennen, dass das primitive Gehirn nicht nur unsere Atmung beeinflusst
sondern auch den größten Teil unseres gegenwärtigen Lebens, unsere
Stimmungen, Werte und Einstellungen. Diese Prägungen müssen wir in
Betracht ziehen, wenn wir Depression verstehen wollen. Nicht nur die
Atmung wird beeinträchtigt sondern die meisten Hirnstammfunktionen;
Verdauung, Ausscheidung und viele Mittellinien-Ereignisse. Wir laufen von
Arzt zu Arzt, um ein Magenproblem zu lösen, wenngleich die Erinnerung
alles hochbringen wird, sobald wir zu ihr Zugang haben. Sie wird uns alles
sagen, weil sie am "Tatort" war. Sie wird uns vom Kummer der
schwangeren Mutter berichten, von ihrem Drogen- und Alkoholkonsum oder von
ihrer eigenen Depression. Dort liegt die Antwort - in der Geschichte. Sie
enthüllt alle ihre Geheimnisse, wenn wir hinabsteigen und ihr begegnen.
Sie wird nicht hochkommen und sich verbal bekunden; wir müssen ihr auf
halbem Weg entgegenkommen. Dann sagt sie vielleicht auf ihre nonverbale
Art, mein Magen schmerzt; mein Magen funktioniert nicht gut. Später dann
ist es eine Kolik, die vielleicht mehr davon erzählt, was nicht stimmt.
Und noch später eine Drogensucht. Der Punkt ist, dass wir auf die
generierenden Ursachen schauen müssen, wenn das Leben nicht gut läuft
und man aus unbekannten Gründen unglücklich ist. Es geht nie darum,
gesunde Gedanken zu denken; es geht darum zu wissen, was ungesunden
Gedanken zu Grunde liegt. Das
ist von großer Bedeutung, weil es uns ein Universum erschließen kann
über die Tiefen des menschlichen Unbewussten. Es bestätigt, dass sehr
frühe Erfahrung in uns eingeprägt wird, nicht nur als Erinnerung sondern
als Verlertzung, die geheilt werden muss. Die Konsequenz ist, dass das
frühe Bedürfnis nach Liebe fortbesteht und sich in unserem gesamten
Leben nicht ändert. Wir suchen nach symbolischer Ersatzbefriedigung, aber
sie befriedigt nie und zwingt uns, immer mehr zu begehren - immer
vergeblich, weil die Suche symbolisch ist. Die kritische Phase, wenn ein
Bedürfnis erfüllt werden muss, ist vorbei. Und wir haben herausgefunden,
dass wir nur dort gesund werden können, wo wir verletzt werden. Das
bedeutet eine Rückkehr, um Ereignisse, tiefe Prägungen wiederzuerleben,
an Orten, wo die Atmung organisiert wird. Wenn also die
"Verletzung"/das Trauma beeinträchtigte Atmung bei der Geburt
aufgrund einer schweren Dosis Betäubungsmittel ist, dann muss sie
wiederaufgesucht und wiedererlebt werden; eine Rückkehr zu den
generierenden Ursachen. In der Regel normalisiert das viele Funktionen,
vom Kortisolspiegel zu den natürlichen Killerzellen und ebenso Blutdruck
und Körpertemperatur. Wiedererleben ermöglicht dem System normal zu
funktionieren. Die
Male, die ursprünglich während des Geburtstraumas auftraten, können in
einer späteren Sitzung wieder zum Vorschein kommen. (Wir haben diese
Male/Abdrücke fotografiert; Sie finden sie in meinen Büchern). Das
Baby-Weinen in einer Sitzung kann danach nie von einem Patienten
wiederholt werden. Es ist eindeutig keine Simulation. Anders gesagt bleibt
die Vegangenheit und ihre Neurobiologie in uns eingekapselt. Das kann für
eine Reihe fortbestehender Krankheiten im Erwachsenenleben verantwortlich
sein. Bemerkenswert ist, dass es immun gegen spätere Erfahrung ist; egal,
wieviel Beifall ein Schauspieler bekommt, er braucht immer mehr. Deshalb
behaupte ich, dass nur Wierderleben im Zusammenhang einer alten
traumatischen Erinnerung heilen kann. Überlegen Sie, dass in der Sitzung
das Gehirn trotz der angemessenen Sauerstoffversorgung im Raum einen
schweren Mangel davon signalisiert und dass der Körper entsprechend
reagiert - nach Luft ringt, weil er im Moment in der Vergangenheit lebt.
In Erinnerung versunken. Man
würde glauben, dass wir aus Erfahrung lernen, aber Leute mit schwerem
Schmerz machen immer wieder die gleiche Erfahrung. Deshalb erleiden Leute,
die einen Autounfall haben, wahrscheinlich einen weiteren. Warum
wiedererleben? Weil der Leidensanteil der Erinnerung nie vollständig
erlebt worden ist. Wir tragen diese schmerzvollen Überbleibsel ständig
in uns. In der Primärtherapie reagieren wir jetzt voll auf den
Prototypen. Wir halten den Schmerz nicht länger auf Lager, wo er seinen
Schaden angerichtet hat. Depression
ist ein schrecklicher Zustand. Sie fühlt sich vernichtend und endlos an,
aber glücklicherweise muss sie das nicht länger sein. Es gibt einen
Ausweg; und dieser Ausweg ist der Weg hinein. Aber wir brauchen eine
Wegkarte; andernfalls sind wir verloren. Der Grund, warum so viele
Therapeuten glauben, sie sei außer durch Drogen unbehandelbar, ist, dass
sie bis jetzt keinen Weg gefunden haben,die inneren Tiefen ihrer Patienten
zu erkunden. Und da liegt das Problem. Depression scheint in der Gegenwart
zu liegen, aber in Wirklichkeit läuft der Mensch umher und ist
wiederkäuend in seiner Vergangenheit versunken. In der Primärtherapie
helfen wir dabei, die Vergangenheit wieder der Geschichte anheimzustellen
und somit den Menschen -jetzt unbelastet- in die Gegenwart zu bringen. Wir
können unsere Vergangenheit nicht durch große Willensanstrengung hinter
uns lassen. Tatsächlich garantiert ein solcher Versuch mittels
Willenskraft nur das Scheitern. Wir müssen diesen starken Willen fahren
lassen und uns in unsere Gefühle versenken. In der Therapie sorgen wir
für den Zugang zu uns selbst, nicht mehr und nicht weniger. Aber das ist
eine ganze Menge, weil es das Ende der Depression bedeutet. Ich
benutzte die Begriffe ‚radikal' und ‚revolutionär' für meine
Therapie mit Vorsicht; dennoch glaube ich, dass sie das ist. Sie ist
revolutionär in Form und Inhalt. Primärtherapie ist eine radikale Abkehr
von der in Einsichten vernarrten Diskussion von Angesicht zu Angesicht
zwischen zwei ungleichen Partnern; einer mit weltgewandtem Wissen und
unfehlbarer Moralhaltung, der andere ein bereitwilliger Neuling, der
psychisch auf die Knie fällt, um zu erlernen, was der Weltgewandte
austeilt, und der sich dem Äußeren fügt anstatt dem Inneren. Ich
spreche aus Erfahrung, nachdem ich viele Jahre lang Einsichtstherapie
praktiziert habe. Die Erhabenheit des Ganzen ist berauschend für den
Therapeuten. Die Macht, das Leben eines anderen zu dirigieren, ist
verführerisch - und falsch! Leider
haben wir uns im Namen des Fortschritts und um als modern zu gelten von
der Vergangenheit weg auf einen mehr gegenwartsbezogenen Ansatz zubewegt.
Es dominiert eine Vergötterung der Gegenwart und ein Rückzug vom
Einzigen, das heilt - Geschichte. Und leider reden wir seit hundert Jahren
mit dem falschen Gehirn! Genau dieses intellektuelle, gefühllose Gehirn
vereitelt jede Hoffnung auf Heilung gefühlsbedingter Krankheit. Mit dem
sprechenden Gehirn zu reden war vor einem Jahrhundert gut und schön, aber
jetzt wissen wir so viel mehr über das Gehirn und was es beinhaltet; wir
können mit dem fühlenden Gehirn in dessen eigener Sprache reden. Wir
müssen eine neue Sprache lernen - die des Unbewussten - eine wortlose
Sprache, die uns helfen könnte, in Patienten tiefgreifende Änderungen zu
bewirken. Schließlich nennen wir es "Geisteskrankheit." Dennoch
sind Worte oft die Abwehr gegen das Fühlen. Es ist unser Ziel, fühlende
Menschen hervorzubringen und keine geistigen Giganten. Wenn man das
prototypische Trauma fühlt, ist man auf seinem Weg, das
Depressionsproblem zu lösen. Das - und das Fühlen der Strenge, der
übermäßigen Disziplin, der Gleichgültigkeit und der fehlenden
Fürsorge in der Familie; und der Ausdruck all der Gefühle und
Bedürfnisse, die in diesen Jahren zurückgehalten worden sind. All das
auszudrücken mit den ursprünglichen involvierten Gefühlen - das ist der
Grund, warum es so wuchtig und so schrecklich traurig ist. Der
entscheidende heilsame Unterschied ist, dass es in unserer Therapie nicht
um den Erwachsenen geht, der ein paar Tränen vergießt - um den
Erwachsenen, der über seine Vergangenheit weint - sondern darum, wieder
zum Baby und Kind mit herzzereißendem Schluchzen und qualvollen Schreien
zu werden. "Sie lieb zu mir! Halte mich! Hab mich gern. Ich bin dein
Sohn! Lass' mich ich selbst sein. Ich bin dein Fleisch und Blut. Zeig',
dass du mich willst. Lass' mich ausdrücken, wie ich mich fühle!"
Das sind die Bedürfnisse. Wenn all das physiologisch wiedererlebt wird
als das, was während eines Primals geschieht, ist Depression kein
Geheimnis mehr. Und nur wenn das alles über Monate des Wiedererlebens
plus dem Geburtstrauma- zur richtigen Zeit - gefühlt wird, löst sich die
Depression dauerhaft auf. Je mehr man also das fühlt, was den Verschluss
des Systems verursachte, umso sicherer wird es für das System, sich zu
öffnen. Endlich kann Liebe hinein.
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