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DIE BEDEUTUNG EINER
SICHEREN MUTTER-KIND-BINDUNG
Die
Erfahrungen der ersten Monate und
Jahre nach der Geburt werden wesentlichen Einfluss darauf haben, wie sich das
Gehirn des Babys entwickelt, wie dicht "das Netz der Persönlichkeit"
gewoben wird. Wie der Psychoanalytiker und
Neurobiologe Allan
Schore 5 (Foto) in seinem Werk "Affect Regulation and
the Origin of the Self" ausführt, wird eine sichere Bindung, die
Befriedigung elementarer Bedürfnisse und eine gute emotionale Abstimmung
zwischen Mutter und Kind dazu beitragen, wichtige Schaltkreise
herauszubilden, die dem Kind und Erwachsenen helfen, emotional stabil zu bleiben
und ein gutes Gleichgewicht zwischen sympathetischen Erregungsphasen und
parasympathetischer Entspannung zu bewahren. Und sie wird eine frühe Erinnerung
an Liebe ins Gehirn eingravieren. Schore betont die Wichtigkeit der
Mutter-Kind-Beziehung in den ersten zwei Lebensjahren:
"Unter
optimalen Umständen geht die Bezugsperson [die Mutter] eine anhaltende
kommunikative Beziehung mit dem Kind ein, in der sie dafür empfänglich ist,
verschiedene Typen affektregulierender Funktionen auszuüben. Die Einstimmung
auf die inneren Zustände des Kindes und auf die Veränderungen in diesen
Zuständen erfordert ein signifikantes Maß an empathischer Aufmerksamkeit und
an emotionalem Engagement auf Seite der primären Bezugsperson. Ihre Beteiligung
an intimen, ineinander aufgehenden Gesicht-zu-Gesicht-Erfahrungen erzeugt und
stützt ein ausreichendes Niveau positiven Affekts, das trophisch zum Wachstum
neuer Verbindungen zwischen Neuronen führt. [..........] Als dem Gegenteil
dieser optimalen
Bedingungen bin ich den Langzeit-Wirkungen schlecht
abgestimmter affektiver Interaktionen zwischen dem Kleinkind und einer
nicht-empathischen Bezugsperson nachgegangen. Diese unsicheren Bindungen werden
in neuronalen Schablonen im limbischen System gespeichert und sind mit einer
späteren Anfälligkeit für verschiedene psychiatrische und psychosomatische
Störungen assoziiert.
Die
Schlussfolgerungen dieses Werkes echoen und vergrößern kürzlich von
Bretherton (1992) geäußerte "sorgenvolle" Bedenken über das
experimentell nachgewiesene Risiko unsicherer Bindungen, wenn die
Tagesbetreuung, wie sie typischerweise in der gegenwärtigen amerikanischen
Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird, im ersten Jahr beginnt und von extensiver Dauer
ist. In einer Reihe von Studien kommt Belsky zu dem Schluss, dass extensive
nicht-mütterliche (und nicht-väterliche) Betreuung in diesem ersten Jahr ein
Risiokofaktor für die verstärkte Entwicklung unsicherer Beziehungsmuster ist
(Belsky & Rovine, 1988), und dass unsicher-vermeidende Kleinkinder mit
solcher Betreuung mehr negative Gefühle ausdrücken und sich in
Wiedervereinigungsperioden mit der Mutter weniger im Objekt-Spiel engagieren
(Belsky & Braungart, 1991). [................]
Diese
frühen Erfahrungen mit einer suboptimalen frühen Umwelt resultieren in der
Einprägung (Bowlby, 1969) dauerhafter unsicherer Beziehungsmuster, die "in
das Nervensystem eingebaut werden" (Ainsworth, 1967) und auf die unter
emotional stressreichen Umständen in der späteren Kindheit weiterhin
zugegriffen wird (Sroufe et al. , 1983, 1984). [.......] Die Angelegenheit der
Betreuung ist nicht nur in den ersten paar Monaten sondern in den ersten zwei
Lebensjahren ein wesentliches Problem für die Zukunft menschlicher
Gesellschaften."
[ Übersetzt aus: Schore, Affect Regulation and the
Origin of the Self, Lawrence Erlbaum, Hillsdale, New Jersey, 1994, s. 540,
541].
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Der entscheidende Punkt hier ist, dass es um die Qualität
der Beziehung geht. Wichtig ist, dass tatsächlich Liebe vorhanden ist. Es
ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Kinder von Müttern und Vätern, die eine
emotionale Bindung zu ihrem Nachwuchs haben, auch dann zu psychisch und
körperlich stabilen, ausgeglichenen, gefühlvollen und sozialverträglichen
Jugendlichen und Erwachsenen entwickeln, wenn die Kinder aus beruflichen
Gründen relativ frühzeitig (nach einem Jahr) in außerfamiliäre
Tagesbetreuung gegeben werden müssen, vorausgesetzt, diese Betreuung geschieht durch
empathische und emotional engagierte Personen. In den täglichen
"Wiedervereinigungsperioden" bleibt genug
Zeit, um eine bereits bestehende emotionale Bindung zu festigen. Im Gegensatz dazu kann die
permanente Anwesenheit solcher Eltern, die ihren Kindern von Anfang an mit
Gleichgültigkeit, Ablehnung, mangelndem Einfühlungsvermögen oder
Agressivität begegnen, nur schlechte Ergebnisse bringen. Die Neurobiologin Lise
Eliot 6 (Foto) weist in ihrem Buch "Was geht da drinnen
vor" (Berlin-Verlag, 2001) auf die Ergebnisse eines umfassenden
Forschungsprojekts hin, das das US-amerikanische National Institute of Child
Health and Human Development 1991 initierte. Die bisherigen Resultate belegen
genau diesen Punkt: Entscheidend ist die Qualität der Beziehung, nicht
die Quantität. Nichtsdestotrotz kann es kein guter Zustand sein, Kinder
bereits während oder am Ende des ersten Lebensjahres in kontinuierliche
außerfamiliäre Tagesbetreung zu geben. Wie Schore betont, birgt dieser
Zustand Risiken und kann immer nur als Notlösung angesehen
werden.
Das
Titelthema der Januarausgabe (Januar 2005) der Fachzeitschrift "Psychologie
Heute" 15
("Bindung und Lebensglück - Der lange Schatten der
Kindheit") betont unter Bezugnahme auf die Studien und Werke diverser
Autoren (Klaus und Karin Grossmann et al.) ebenfalls die Langzeitwirkungen der
frühen Lebenserfahrungen der ersten drei Jahre. Bindungsforscher sollten
vielleicht einmal der Frage nachgehen, ob sich zwischen Bindungstyp
und Geburt (schwierig und lange oder glatt und unkompliziert, künstliche
Eingriffe, Anästhesie, Kaiserschnitt, Zange) signifikante Zusammenhange
finden lassen.
Janov kennt
die Folgen mangelhafter Bedürfnisbefriedigung aus jahrzehntelanger psychotherapeutischer Praxis:
"In den letzten dreißig Jahren habe ich sehr viel
über Menschen gelernt und darüber, was sie bewegt. So banal es scheinen mag,
was ich gefunden habe, ist eine einzige und dennoch komplexe Emotion namens
Liebe. Nicht die romantische Liebe in Romanen, sondern eine fundamentale Liebe
– die Liebe der Eltern zu ihrem Kind. Wenn ein Kind Liebe und Fürsorge
entbehrt, so erzeugt das Schmerz, gleich wie diese Entbehrung sich manifestiert,
und wenn dieser Schmerz nicht „gefühlt“ oder ins System integriert wird,
wird er seinerseits im späteren
Leben physische und emotionale Krankheit
verursachen."
[ Janov, Why You Get Sick - How
You Get Well, Dove Books, West Hollywood, CA, 1996, Einleitung]
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Quellen:
5 Siehe dazu Allan Schore, Affect
Regulation and the Origin of the Self, Lawrence Erlbaum, HIllsdale, New
Jersey, 1994
6 Lise Eliot, Was geht da drinnen
vor?, Berlin-Verlag, 2001
Psychologie Heute, Januar 2005, s. 20 -
30
Janov, Why You Get Sick - How
You Get Well, Dove Books, West Hollywood, CA, 1996
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