DIE PRIMÄRTHERAPEUTISCHE BEWEGUNG Unabhängig von der Geburts-Gegenbewegung gibt es die Primärbewegung, als deren Zentrum das Janov Primal Center in Santa Monica, Kalifornien, anzusehen ist. . Menschen aus aller Welt finden dort einen sicheren Ort, um in ihre persönliche Geschichte zurückzukehren und einen Großteil des frühen Schmerzes, der ihnen widerfahren war, aus ihrem System herauszulösen.
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Matisse: Danse Diese Reise in die eigene Vergangenheit führt sie oft bis zur Geburt und noch weiter zurück. Aus dieser Primärbewegung gehen auch Beziehungen hervor, und es werden Kinder geboren. Eine Patientin drückt auf, wie ich meine, eindrucksvolle Weise aus, was hier eigentlich geschieht:
Es leuchtet ein, dass solche Individuen, die die Schmerzen, die Traumen, die (Ein-)Prägungen ihrer frühen Geschichte wiedererlebt haben, wenn sie selber Kinder bekommen, von Anfang an große Sorgfalt walten lassen. Sie wissen um die Bedeutung der vorgeburtlichen Phase, der Geburt und der ersten postnatalen Lebensjahre. Sie haben die Langzeitfolgen früher Traumen am eigenen Leib erfahren und werden alles Nötige tun, um ihren Kindern die vermeidbaren Belastungen und Beeinträchtigungen zu ersparen, die ihnen selbst widerfahren sind.
Primärtherapeutisch behandelte Frauen, die einen Großteil ihres Urschmerzes aus dem Organismus herausgelöst haben, sind laut Janov sexuell voll erlebnisfähige und voll gebärfähige Individuen. Sie verschließen sich weder beim Sex noch bei der Geburt, da in ihren Systemen nach der Auflösung eingeprägter Traumen die automatischen physiologischen Abwehrmechanismen nicht mehr in Funktion treten, die bei so vielen Neurotikern alle Prozesse behindern oder unterbinden, die mit Erregung, Ekstase, Freisetzung, Öffnung zu tun haben. Eine primärtherapeutisch behandelte Frau hat optimale Voraussetzungen, um in Privacy - ungestört, ohne künstliche Eingriffe - zu gebären und genügend Liebeshormone (Oxytozin) freizusetzen. Und letztlich geht es um die Fähigkeit zu fühlen und zu lieben.
Was ist jetzt eigentlich der Sinn und Zweck dieser Seite? Eigentlich wollte ich das Thema "Geburt" nur kurz 'anschneiden' und relativ zügig zu meinem Lieblingsthema, der Janovschen Primärtheorie und Primärtherapie, überwechseln. Aber jetzt habe ich mich in der Geburtsmaterie doch verheddert. Frühe Lebensereignisse können wie ein riesiges unsichtbares Spinnennetz sein, dessen prägendes Fadenlabyrinth die Menschen auch nach Jahrzehnten noch gefangen hält. Manche hasten ein Leben lang voller Hoffnung, Energie und Optimismus hin und her, um nach dem Ausgang zu suchen, während andere schicksalsergeben, deprimiert und wie paralysiert an Ort und Stelle verharren und darauf warten, endlich gefressen zu werden. Ins Zentrum "zurückzukehren" und die frühen prägenden Ereignisse "wiedererlebend" aus dem System herauszulösen ist der wesentliche Schritt, um schließlich tatsächlich aus dem Netz zu entkommen und neue Gefühls-, Körper-, Gesundheits- und Verhaltenswelten zu entdecken. Meine primärtherapeutischen Erfahrungen haben in der Tat sehr viel mit "Steckenbleiben" und "Zerquetschtwerden" zu tun und artikulierten sich in der Kindheit durch ein ständig wiederkehrendes Traumszenario, das nur aus zwei Elementen bestand: die enge Gasse, die schließlich in eine finstere enge Kanalröhre mündet. Es war immer dasselbe Drama. Ich ging die Gasse entlang und war plötzlich in diesem blöden, hochgradig bescheuerten stockfinsteren Kanalrohr gefangen, das mich zu zerquetschen drohte. Und immer war es das Aufwachen, das mich von der eskalierenden Panik und vor der fürchterlichen Empfindung des Zerquetschtwerdens erlöste. Solche Alpträume zeigen sehr schön, wie sich eine eingeprägte Erfahrung auf unterschiedlichen Gehirnebenen manifestiert. Aus der ursprünglich rein sensorischen Erfahrung (der - in diesem Fall übermäßige - Druck, der durch die Uterus-Kontraktionen [einer verkrampfenden Primiparae] auf den Fetus ausgeübt wird) wird im Zuge der fortschreitenden Gehirnentwicklung eine nette Bildergeschichte mit einem "ordentlichen Schuss Panik". Die Hartnäckigkeit des Alptraums deutet darauf hin, dass sich die Energie des ursprünglichen Traumas in den Netzwerken des Hirnstamms (first-line oder erste Linie/Ebene in Janovs Theorie und Terminologie) in reverbierenden [widerhallen- den, zurückschwingenden] Kreisprozessen "verfangen" hat und somit eine Erinnerung bildet, die sich permanent reproduziert. Nachts, wenn die Wachsamkeit des frontalen Kortex und des gesamten Gehirns nachlässt, kann die Energie des Geburtstraumas aufsteigen und zwingt den Neokortex (third-line-consciousness oder Bewusstsein der dritten Ebene in Janovs Theorie), die eindringende Kraft in Zusammenarbeit mit dem limbischen System (second-line oder zweite Ebene). zu einer Bildergeschichte zu verarbeiten. Das Gefühl der panischen Angst (der Affekt), das sich hinzugesellt, deutet auf die Beteiligung limbischer (second-line) und hirnstammlicher Kerne hin. Unter Neurologen und anderen Wissenschaftlern hält sich immer noch das hartnäckige Dogma, Erinnerung, Gedächtnis, Informationsspeicherung sei unabdingbar an die Reifung bestimmter Gehirnstrukturen wie dem Hippocampus gebunden, und aus diesem Grund sei die Speicherung von vorgeburtlichen und geburtlichen Erfahrungen unmöglich. Dieses Dogma, das für viele Intellektuelle natürlich ein erstklassiger Schutz gegen die Realität des eigenen Urschmerzes ist, war der Grund, dass Janov in den Anfangsjahren der Primärtherapie allen Patienten mit "Rausschmiss" drohte, die behaupteten, sie erlebten gerade ihre Geburt wieder. Neurologen hatten ihm gesagt, dies sei völlig unmöglich, und Janov hielt sich zuerst brav an dieses Dogma. Aber diese Geburts-Urerlebnisse waren so zahlreich und selbst für den Beobachter so eindrucksvoll, dass er sehr bald von der Realität dieser Erinnerungen und deren Langzeitfolgen für das Erwachsenenleben überzeugt war. Ähnliches war vor Janov dem Psychiater und Therapeuten Frank Lake passiert: Seine Erfahrungen mit prä- und perinatalen Erinnerungen in der therapeutischen Praxis kollidierten mit dem strikten "Nein, unmöglich" von Theoretikern. Heute gerät dieses Dogma zunehmend ins Bröckeln. Als der in Fachkreisen international bekannte Gehirnforscher Eric Kandel in einem SPIEGEL-Interview11 gefragt wurde, ob er daran glaube, dass es in seinem Gehirn "Erinnerungen an Ihr erstes Lebensjahr, womöglich sogar an die Zeit vor Ihrer Geburt gibt - nur, dass Sie nicht an sie herankommen?", antwortete er: " Ja, ich vermute schon - wobei man sich da nicht unsere Form des episodischen Gedächtnisses vorstellen darf,[.......]. Als Janov den in Fachkreisen nicht weniger bekannten Gehirnforscher Paul MacLean, auf dessen Theorie vom "dreieinigen Gehirn" ("The Triune Brain in Evolution") das primärtheoretische Konzept der drei Bewusstseinsebenen gründet, fragte, wo im Gehirn frühe Erfahrungen gespeichert werden, meinte dieser, man müsse diesbezüglich auch das Kleinhirn in Betracht ziehen. Lise Eliot schreibt zu dem Thema folgendes:
Der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth 12 schreibt in seinem Buch "Aus Sicht des Gehirns" (Suhrkamp, 2003):
Es ist genau diese "Entschärfung von Netzwerken, welche die psychischen [und körperlichen] Verletzungen repräsentieren", was korrekt angewandte Primärtherapie im Lauf des Primärprozesses durch Auflösung des eingeprägten frühen Schmerzes leistet, sodass in gegenwärtigen Stress-Situationen nicht länger zwangsläufig die eingeschliffenen Verhaltensmuster (wie z. B. impulsives, gewalttätiges Reagieren) oder körperlichen Symptome (z. B. Migräne) in Erscheinung treten müssen. Ein wesentlicher Aspekt der Janovschen Primärtheorie ist, dass Erfahrungsspeicherung eine umfassende organismische Angelegenheit ist. Das heißt, auch Zellen außerhalb des Nervensystems sind in der Lage, auf irgendeine Weise Informationen und Erfahrungen zu speichern. So traten zum Beispiel bei einer 56-jährigen Frau, die wiedererlebte, wie sie als Kind regelmäßig mit einer Reitgerte geschlagen wurde, die Blutergüsse im Oberschenkel wieder auf. 13 Irgendwie mussten sich die Zellen im Oberschenkel an das Ereignis "erinnern", ansonsten wäre das Phänomen nicht erklärbar. Ich glaube, dass die Wissenschaft noch relativ wenig darüber weiß, welche Möglichkeiten und Mechanismen den Zellen eines menschlichen Organismus zur Verfügung stehen, Erfahrungen zu speichern und diese einander mitzuteilen. Es macht zur Zeit wenig Sinn, hier endgültige Lehrsätze aufzustellen. Das Wiedererleben und somit die Auflösung einer traumatischen Geburt im Rahmen des Primärprozesses (und nur in diesem Rahmen ist es möglich) ist eine sensorische Erfahrung von solcher Kraft und Intensität, dass sie jeden Versuch einer Beschreibung ad absurdum führt. Individuen, die ein so frühes Trauma in ihrer Primärtherapie wiedererleben, wissen um die ungeheure Macht dieses frühen Schmerzes, sie spüren seine Kraft, die letztlich nicht davor Halt machen wird, uns körperlich und psychisch zu zerstören und uns weit vor unserer Zeit von diesem Planeten zu verbannen. Ohne die Rückkehr in meine frühe Geschichte wäre ich mit größter Wahrscheinlichkeit bereits einer katastrophalen systemischen Erkrankung - Krebs - zum Opfer gefallen. Zu groß war das Ausmaß, die Valenz meines frühen Schmerzes, als dass ich eine Chance gehabt hätte, meinen fünfzigsten Geburtstag zu erleben. Jetzt aber bin ich sehr zuversichtlich, noch lange zu leben (und ich kann dem Leben durchaus was abgewinnen), und von Krebs und Herz-Kreislauf-Versagen, Arthritis, Depressionen, Panikattacken, Fresssucht, Migräne, Allergien, Schlaganfällen und vielen weiteren Erscheinungen im weiten Spektrum des Grauens verschont zu bleiben. Was uns letztlich umbringt, ist unsere frühe Geschichte, die auf tieferen Gehirnebenen ein kraftvolles Eigenleben führt und unseren gesamten Organismus permanent beeinflusst.
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