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Dr. Arthur Janov:   Beyond Belief: Cults, Healers, Mystics and Gurus - Why We Believe

LLC Reputation Books, ISBN-10: 0986203173, 03. Mai 2016

Kapitel 9

Das linke und rechte Gehirn

Die zwei Seiten des Gehirns unterscheiden sich. Es gibt zwei Hemisphären, und jede Seite hat andere Funktionen. Im Wesentlichen, und ich nehme mir hier die literarische Freiheit, ist die rechte Seite die fühlende, während die linke Seite denkt, plant und glaubt. Der Anhang von Communion (14a) enthält eine Erklärung eines gewissen Dr. Donald F. Klein, der Herrn Strieber untersuchte und zu dem Befund kam, dass der nicht an Psychose leidet. Laut Dr. Klein "halluziniert der Autor nicht in der Art einer Psychose," und "leidet nicht an einem Angstzustand oder an einer Persönlichkeits-Störung." Ich nehme an, das soll der ganzen Sache eine Art Gütesiegel verleihen, aber es bekräftigt meinen Standpunkt, dass jemand seine Taschen voller Wahnsinn haben kann ohne verrückt zu erscheinen; eine milde Psychose, wenn Sie so wollen. Das demonstriert, dass Psychiatrie keine Wissenschaft ist.

Die rechte Seite hat tiefe Verknüpfungen zu den Gefühlszentren des limbischen Systems. Sie entwickelt sich früher als die linke Hälfte und steht auch früher unter der Einwirkung von Traumen. Kurz gesagt werden unsere Emotionen viel eher beeinflusst als unsere Gedankenprozesse. Es ist die rechte Seite, die unsere Gefühle und ebenso unsere Überlebensfunktionen verarbeitet. Von den letzten drei Monaten der Schwangerschaft bis zum Ende des zweiten Jahres des Soziallebens befindet sich das rechte Gehirn in einem Prozess beschleunigter Entwicklung. Traumen in dieser Phase beeinflussen schwerwiegend unser späteres Gefühlsleben, beeinflussen unsere Fähigkeit, uns an andere zu binden und Gefühlsbeziehungen zu haben.

Wenn er über sein Erlebnis mit den Besuchern nachdenkt, gibt Strieber Folgendes zu verstehen: "Ich kann nicht sagen, dass ich mich ihnen unterlegen fühlte......sie fürchteten mich nicht nur, sie schienen gewaltigen Respekt vor mir zu haben. Als sie mich fragten, was sie tun könnten, um mir zu helfen, mit dem Schreien aufzuhören, da gab es einen Anflug von Panik unter ihnen." (s. 296). Ich glaube nicht, dass Strieber aufhören musste zu schreien. Er musste über das Richtige weinen.

Es gibt eine Art Nervenkabel, das Corpus callosum, das die zwei Hemisphären gefühlsmäßig verbindet. Über 80 Prozent aller Gefühle werden über dieses Kabel übermittelt. Es kann durch ein frühes Trauma geschwächt werden, so dass die Nachrichten nicht leicht von einer Seite zur anderen gelangen. Und manchmal werden sie verstümmelt und oder fehlinterpretiert. Das hat spätere Auswirkungen, wenn Gefühle nicht direkt zum Kortex reisen können sondern Umwege nehmen, die in Fehlinformation, Fehlwahrnehmung, Täuschungen und bizarren Gedanken resultieren. Das Corpus callosum funktioniert nicht richtig.

Eine liebevolle Mutter reguliert tatsächlich das Gehirnwachstum des Babys in dieser frühen Phase. "Liebevoll" bedeutet, das Baby im Arm zu halten, es zu liebkosen, es mit warmen Augen anzuschauen, auf seine Stimmungen zu achten und es zu umsorgen. All dies entscheidet mit, wie sich die die Gefühlsareale des Gehirns entwickeln. (14b)

Wenn wir Schore sorgfältig lesen, und er hat ein Handbuch vieler aktueller Forschungsstudien verfasst, dann sehen wir, dass das spätere Gefühlsleben seine Bausteine im Mutterleib und in der frühen Kindheit hat. Die Liebe einer Mutter formt buchstäblich eine andere Art von Gehirn, eines mit mehr Synapsen (Verbindungen zwischen Nervenzellen), sie verstärkt die Verknüpfungen zwischen dem Kortex und seinem Kontrollapparat und den darunter liegenden Gefühlszentren. Kurz gesagt wird unser Gefühlsleben durch frühe Liebe ein Leben lang gestärkt. Es ist die Mutter, die dazu beiträgt, die Sollwerte für verschiedene Hormone im Baby festzulegen. Somit verursacht Liebesmangel ein höheres Niveau an Kortisol-Sekretion und damit ein höheres Stressniveau. Es ist das rechte Gehirn, das all das in Gang setzt und auf Liebesmangel oder auf vollständige Liebe mit verändertem Kortisol-Niveau reagiert. Der rechte Hippocampus, Teil des limbischen Gefühlszentrums, ist besonders anfällig für Stress wegen seiner ganzen Kortisol-Rezeptoren.

Aus diesem Grund haben unsere Patienten zu Beginn einheitlich hohe Speichelkortisol-Werte. Wenn eine Mutter mit ihrem Kind spielt und es warmherzig im Arm hält, sinkt der Kortisolspiegel im Baby. Wenn die Mutter liebevoll ihr Baby anschaut, wechselt das System des Babys in den parasympathetischen Modus der Ruhe, Reparatur und Entspannung. Es gibt eine starke Wechselwirkung zwischen Liebe und wenig innerem Stress, und das gilt ein Leben lang. Und wenn es Liebe gibt, dann wird auch die optimale Menge Dopamin abgesondert. Diese Chemikalie bezeichnet man oft als Belohnungs-Substanz. Es ist auch die Substanz, die bei Drogenabhängigen kaum vorhanden ist. Kokain-Süchtige brauchen die Droge, um ihr Dopaminsystem "aufzufrisieren" und um sich "normaler" zu fühlen. Es ist die Dopaminsekretion, die dazu beiträgt, Abhängigkeit herbeizuführen. Und das bedeutet, wir können von unseren Glaubensüberzeugungen abhängig werden, weil sie tatsächlich Serotonin, schmerztötende Neurohormone und Dopamin auslösen, damit wir wachsam und aktiv bleiben.

Frühe Liebe verhindert diese Art von Abhängigkeit. Und tatsächlich bedeutet frühe elterliche Liebe, indem sie ein dauerhaft optimales Dopamin-Niveau unterstützt, eine Art wechselseitige Abhängigkeit zwischen Kind und Mutter. Sie bedeutet spätere Liebesfähigkeit. Der Gläubige kann das Universum lieben, ist aber nicht sonderlich gut darin, andere zu lieben; oft haben diese Leute eine Geschichte zerbrochener Beziehungen. Das kommt daher, dass defensive Glaubenssysteme gewöhnlich tiefen unbewussten Schmerz bedeuten.

Also haben wir wirklich zwei verschiedene Gehirnsysteme, die in übertragenem Sinn nahezu voneinander unabhängig funktionieren; und deshalb kann ein Wissenschaftler an irgendeine irre Idee glauben. Denken Sie an die Psychoanalytiker, die Jahrzehnte lang an die Analyse glaubten, obwohl es keinerlei Beweis für ihre Wirksamkeit gab. Das Areal des präfrontalen Kortex -besonders des linken- kann keine große Hilfe sein, wenn die Verbindungen zwischen den Seiten unzureichend sind. Es kann das eigene Glaubenssystem nicht objektiv beurteilen.

Das Geheimnis der Gesundheit und Langlebigkeit ist ein Verstand in Einklang mit den Gefühlen; wo das Unbewusste und vollständiges Bewusstsein sehr nahe beisammen liegen. Je entfernter diese zwei Bewusstseinsebenen voneinander sind, umso wahrscheinlicher sind frühe Krankheit und früher Tod. Ich kann jemandem, der weit von seinen Gefühlen entfernt ist, mitteilen, dass er nicht weiß, was ich sage, und es wird ihn auch nicht interessieren. Nicht einmal sein Leben zu retten wird ihn interessieren, weil er sich nicht vorstellen kann, dass sein Leben in Gefahr ist. Meiner Meinung nach leben wir länger, wenn volles Bewusstsein dem Unbewussten ganz nahe ist - wenn der Janovsche Spalt kurz ist.

Es mag banal scheinen zu sagen, dass der ganze neurologische Apparat dafür konstruiert worden ist, um sicherzustellen, dass jemand nicht die Wahrheit über sich selbst kennt. Aber es ist nicht überraschend, wenn wir gesehen haben, wie diese Schmerzen neurotische Glaubensvorstellungen antreiben, und wenn wir wissen, wie potentiell tödlich sie sind, und ebenso, wie sie eingeprägt worden sind. Diese Schmerzen haben nicht geschlafen im Inneren des Gehirns. Auf der Suche nach einem Ausweg waren sie ständig am Rumoren. Sie ergreifen die Chance, auf dem Gedankenweg zu entkommen, auch wenn diese Gedanken unrealistisch sind; zumindest setzen sie die Energie des Schmerzes frei, kanalisieren und absorbieren sie. Sie sorgen dafür, dass man sich wohler fühlt, was ihre Funktion ist und schon immer war.

Therapeuten sind sich in der Regel der gewaltigen verdichteten Kraft eines eingeprägten Traumas, das in so vielen von uns liegt, nicht bewusst. Es ist eine Kraft, die gegen den Körper marschiert, um Symptome zu produzieren, und gegen den Geist marschiert, um mentale Verirrungen und Glaubenssysteme zu produzieren. Diese Systeme sind dafür bestimmt, die Energie dieser Schmerzen zu absorbieren und abzuwehren. Der fehlende Zugang zu diesem Schmerz und das Festhalten der konventionellen Therapie an traditionellen Theorien, die dagegen sprachen, zu tief zu bohren, verhinderten, dass Therapeuten darauf schauten, was unter verzwirbelten Ideen lag.

Glaubenssysteme mystifizieren die Wahrheit des Unbewussten. Ein furchtsamer Mensch, der einen Luftschutzbunker baut oder gewaltige Waffen gegen imaginäre Feinde kauft, hat bereits eingebetteten tiefsitzenden Schrecken, es sei denn, seine Feinde existieren tatsächlich. Aber bestimmt spricht niemand mit einem Menschen aus dessen Fernsehgerät, wie wir es bei einigen Patienten gesehen haben. Sein eingeprägtes Trauma braucht einen aktuellen Brennpunkt, damit sein Körper im Gleichgewicht bleibt; das Äußere an das Innere anzupassen, die Vergangenheit der Gegenwart zuzuordnen, ist der Dreh- und Angelpunkt der Neurose. Es macht die Außenwelt "rational."  "Weißt du, ich muss Angst haben, weil es wirklich einen Feind gibt;" der Feind wird erfunden, um eine bereits existierende Angst zu rationalisieren. "Wir müssen stark sein," (weil ich mich schwach und hilflos fühle). "Und so müssen wir uns schwer bewaffnen" (gegen meine innere Schutzlosigkeit). Wenn alles normal läuft, ist das Gefühlssystem auch ein Überlebenssystem - fühlt es sich richtig an, dies oder jenes zu tun?

Aber bei Neurose sind Verbindungen durchtrennt, so dass Gefühle uns nicht mehr richtig leiten können. Wegen der Verdrängung haben wir sie aus den Augen verloren. In vergangenen Zeiten brauchten wir einen direkten Abgleich von Gedanken und Wahrnehmungen mit Gefühlen, um zu überleben. Sollte ich vor diesem oder jenem Angst haben?

Es stimmt noch immer, dass wir eine richtige Übereinstimmung mit unseren Gefühlen brauchen, aber jetzt sind wir falsch ausgerichtet; vielleicht haben wir vor den falschen Dingen Angst und laufen davon, wenn wir bleiben sollten, oder bleiben, wenn wir fliehen sollten.

♦♦♦

(14a)  Whitley Strieber, Communion: A True Story, 1988

(14b)  Allan Schore, "Effects of a Secure Attachement Relationship on Right Brain Development, Affect Regulation and Infant Mental Health,"  Infant Mental Health Journal 22  (2001): 7-66.

 

 Ende des Kapitels

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