Der Regierungskult

Home    Artikel und Buchauzüge      Übersetzungen aus A. Janovs Webseite     Neue Beiträge       Primärtheorie und Primärtherapie         Buchübersetzung: Bücher von A. Janov  

20 Kernthesen der Primärtheorie und Primärtherapie        ArthurJanov.com         Facebook          Studien und Statistiken            Primalpage                             Primaltherapy.com

Primal Mind                 Epilepticjourney

Dr. Arthur Janov:   Beyond Belief: Cults, Healers, Mystics and Gurus - Why We Believe

LLC Reputation Books, ISBN-10: 0986203173, 03. Mai 2016

Kapitel 10

Der Regierungskult

Neulich schaute ich mir eine Dokumentation über Jonestown an. Jonestown war die Enklave in Guyana, die von Jim Jones geführt wurde, der zusammen mit Tausend Anhängern aus der Gegend von San Francisco floh, um das Kult-Anwesen im Dschungel zu gründen. Die Dokumentation beeindruckte mich, weil ich zu der Zeit gerade an diesem Buch arbeitete.

Es scheint, dass nahezu jeder Kult einem vorhersagbaren Programm folgt: Es gibt den charismatischen Führer, der dynamisch ist und seinen Eingeweihten die Liebe und das Paradies verspricht. Er hat eine Mission, die anzunehmen er seine Anhänger verleitet; es macht nichts, wenn es Todesfälle gibt, weil die Mission alles ist und weil auch er gefangen ist in der Rhetorik des Paradieses, eines Ortes, wo alles Liebe ist und - für ihn - alles Macht.

Bald jedoch gerät die Mission ins Wanken - weil es die Feinde gibt (entweder bist du mit uns oder dagegen), die im Weg stehen und nicht zulassen, dass die Mission vollendet wird. Paranoia setzt ein; die Ungläubigen müssen vernichtet werden, weil sie darauf aus sind, uns zu vernichten. Was die Paranoia verschlimmert, ist die Tiefe des Misstrauens, in dem der Führer versinkt. Er muss sich eine Verteidigung aufbauen - gegen seine Ängste. Er sieht überall Feinde, und er bildet sich ein, es gäbe eine einheitliche Verschwörung unter ihnen. Sogar eine harmlose Bewegung ihrerseits wird als Bedrohung ausgelegt. Man redet nicht mehr mit ihnen, weil "sie der Feind sind." Letztlich führt das zu einer Konfrontation und schließlich zu Kampfhandlungen.

Es ist nicht schwer, sich den großen Sprung zu einigen Regierungs-Führern vorzustellen, die Kulte betrieben, wie sie im Buche stehen (Hitler, Stalin, Pol Pot, Il Jong, Bin Laden, Khomeini). In diesen "Kulten" bedeuten Todesopfer wenig, und es wird kaum ein Gefühl verschwendet über das Leiden der Anhänger, des Feindes oder der zufällig Anwesenden (Kollateralschaden), den sie müssen die Mission erfüllen, die im Kollektiv-Kopf des "Gurus" existiert.

Egal, ob es der Führer eines Kult ist oder der Führer einer Regierung, welche bessere Position für diesen Führer könnte es geben, als die Anhänger zu überzeugen, dass sie Schutz brauchen? Die Beweise finden sich ringsherum. Welche bessere Position, als willkürlich Waffen zu bestellen, egal, wie hoch die Kosten sind? Die Kosten gehen nie in die Gleichung ein. Den Feind zu besiegen ist alles. Wenn kein Feind existiert, wird einer erschaffen. Erstaunlich ist, wie wenig es braucht, Leute dazu zu bringen, mit dabei zu sein.

Kulte erscheinen in vielen Gewändern und Verkleidungen. Aber die Dynamik ändert sich nie. Der Führer will dein Geld und dein Hab und Gut, deinen Körper (die Armee) und dann deinen Geist.

Das Militär ist eine Organisation, die dir sagt, was du anziehen sollst, wann du aufstehen, wann und was du essen sollst, wann du auf Landurlaub raus kannst. Diese Organisation lockt die Gehorsamen genau so an, wie Kulte sie anlocken. Militärische Intelligenz wird dann zu einem Oxymoron, weil diese unkreativen, unfreien Typen im Sattel sitzen und den Laden schmeißen. Der Brennpunkt ist immer auf den Feind ausgerichtet, nicht auf unser leidenden Soldaten. Wer den Krieg beenden will, wird der Unterstützung des Feindes bezichtigt; außerdem sitzt der schlimmste Feind drinnen und nicht draußen. Dieselbe Logik funktionierte in Nazi-Deutschland, wo es ein Verbrechen war, das Wort "Niederlage" auszusprechen, und mit dem Tode bestraft wurde. Zuerst muss der Führer einen Krieg anfangen, auch wenn es keine offensichtliche Bedrohung gibt. Dann geißelt er Leute, die nicht einverstanden sind, als Feinde. Das trifft besonders auf diejenigen zu, die andere Wahrheiten finden. Es spielt keine Rolle, dass sie (*) eine hochgeheime Angestellte war, die sich für den Schutz unseres Landes engagierte. Wichtig war, Widerspruch zu ersticken; die Demokratie trat in den Hintergrund. Hitler schaffte es, mehrere Zehnmillionen dazu zu bringen, in andere Länder einzufallen und unter dem fadenscheinigsten Vorwand in den Krieg zu ziehen - für die Notwendigkeit von mehr Lebensraum.

Wenn wir uns in die externe Regulierung unseres eigenen Lebens fügen und den Wert persönlicher Anstrengungen minimieren, Probleme anzugehen, ist das Ergebnis die Herrschaft der Experten, die Herrschaft einer Wissenselite, die weiß, was für uns das Beste ist. Das trifft auf die Politik zu. Wenn das Volk sich machtlos fühlt, zieht es die Regierung durch Experten  der Regierung durch das Volk vor.

Nicht der Inhalt eines Glaubenssystems ist wichtig, sondern was uns zu Ideen und Überzeugungen hinzieht und was Glaubensvorstellungen so wichtig für uns macht. Das Gehirn kümmert es nicht, ob es die Republikaner oder die Demokraten sind, EST oder die Branch Davidianer, genau so, wie es dem Gehirn egal ist, welche Whiskey-Marke der Alkoholiker benutzt.

Der Führer hat dem Anhänger ein Ideen-Netz eingeimpft, das die wirkungsvollste aller möglichen Kontrollmechanismen ist. Die Kontrolle ist installiert, und der Anhänger führt die Anweisungen des ideologischen Netzwerks aus. Das Netz steckt in der Hülle des Bedürfnisses. Indem er seine eigenen archaischen Bedürfnisse erfüllt, wird der Führer immer mehr zum Diktator, und die Anhänger werden immer bedürftiger nach Führung. Sie verlieren jede Perspektive für Recht und Unrecht, Moral und Unmoral. Sie folgen einfach ihrem Führer, der ihnen versichert, dass sie das Richtige tun, und das alles zu ihrem eigenen Wohl geschieht. Gehorche mir, wenn du ein besseres Leben willst, ich werde dir Gerechtigkeit gewähren, Schutz, Fürsorge, Verständnis, Liebe. "Du hast die Chance, von mir Erlösung zu lernen." Wir haben's kapiert.

♦♦♦

Glaube wird wichtiger als Liebe. Er nimmt den Platz der Liebe ein. Und eine dieser Glaubensvorstellungen ist, dass Liebe zweitrangig ist, dass wir sie nicht brauchen, um es im Leben zu schaffen, obwohl sie eben die Lebensessenz ist. Das Gehirn kann sich ohne sie nicht richtig entwickeln. Das physische Gehirn und seine Synapsen oder Verknüpfungspunkte "schrumpfen," wenn die Liebe in den ersten Lebensmonaten nicht ausreicht. Das Problem ist, dass das Bedürfnis nach Liebe nicht weggeht, nach dem wir aufwachsen. Es wandelt sich in Schmerz und wandert von den unteren Zentren, die Emotion verarbeiten, zum zerebralen Kortex, zum Gedanken-Areal, wo es Glaubensvorstellungen anregt.

Die Gefahr fixer Ideen, und das schließt Eltern mit ein, ist, dass sie alle Arten von Grausamkeiten unter der Rubrik der Moral zulassen. Deshalb müssen diese Ideen oft als "Angelegenheiten-auf-Leben-und- Tod" verteidigt werden, - weil diese Ideen die Leute vor dem Fühlen schützen. Wir werden von diesem Gehirn beherrscht. Indem sie ihr Leben zerstören, können sie sich endlich geliebt fühlen; sie fühlen sich ermutigt und bestätigt, dass sie tatsächlich die "moralische Sache" gemacht haben. Diesen Männern unter der Herrschaft der Taliban war es nicht erlaubt, ohne Bestrafung über ihren Bart zu streichen. Sie glaubten, dass ihre "höheren Tiere" für Allah sprachen und dieses Verhalten vorschrieben. Somit wurde das Nichtberühren ihrer Bärte zum moralischen Verhalten.

Somit können Vorstellungen die Kraft von Drogen haben und Instinkte unterdrücken. Und wenn diese Ideen in Frage gestellt werden, riskiert der Mensch ein Entzugssysndrom ähnlich wie bei wirklichen Drogen. Bedenken Sie, dass diese Ideen nicht nur wie chemische Drogen agieren sondern tatsächlich chemische Schmerztöter im Gehirn sind.  Und es ist möglich, von diesen Ideen abhängig zu werden wie bei irgendeiner anderen Droge. Niemand wird freiwillig zulassen, dass man ihm seine Drogen - seinen Fix - wegnimmt. Deshalb ist es dringend erforderlich, dass die Leute sich anderen Gleichgesinnten anschließen. Es ist eine Menschen-Barrikade gegen die Wahrheit.

Jetzt verstehen wir, warum jemand Alkohol und Drogen aufgeben und "Gott" finden kann. Beide haben im Gehirn die gleiche Wirkung. Es spielt keine Rolle, wie die Gottheit heißt, ob Buddha, Allah oder Gott. Was die Idee unbedingt beinhalten muss, ist Hoffnung. Sobald die Vorstellung die Tatsache einschließt, dass wir gerettet werden, dass wir nicht sterben müssen, dass wir auf die eine oder andere Weise weiterleben werden, dass uns unsere Sünden erlassen werden, dass wir nicht allein sind, usw., wird diese Idee oder Vorstellung funktionieren. Sie wird die Sekretion schmerztötender Medizin im Gehirn veranlassen. Sie wird für kurze Zeit bei Depression helfen.

Eine meiner Patientinnen wiedererlebte fürchterliche Gefühle aus ihrer von völliger Verlassenheit geprägten Kindheit, in der sie bei grausamen und sexuell missbrauchenden Pflegeeltern lebte, als sie plötzlich hochsprang und sagte: "Ich habe Gott gesehen. Ich bin gerettet. Ich hab keinen Schmerz mehr." Nicht so schnell. Wir wussten, dass der Schmerz zu viel war, um ihn zu fühlen, und dass Ideen herbeigeeilt waren, um  den Schmerz zu unterdrücken; das heißt, sie kamen herbeigeeilt wegen des Schmerzes. Sie stellte sich vor, sie sei gerettet worden. Und sie war gerettet worden - vor ihren Gefühlen, zu denen sie später in kleinen Dosen gelangen sollte. Wir sehen klinisch, wie Vorstellungen sofort eingreifen, wenn Überlastungsgefahr besteht. Sobald die Patientin jedoch in der Gefühlszone ist, kann sie mit der Zeit kleine Mengen des Gefühls verarbeiten.

Wie eine plötzliche Morphin-Injektion waren Ideen hier ihre chemische Abwehr. Und Ideen werden so schnell erzeugt wie die Wirkungen einer Morphin-Injektion.

♦♦♦

(*) Anm. d. Übers.: Keine Ahnung, worauf A. Janov da anspielt. USA, Irakkrieg, Bush?

 Ende des Kapitels

Artikel und Buchauzüge