Der präfrontale Kortex zermalmt den Schmerz nicht nur, er produziert die Mittel, mit denen wir Realität vermeiden. Er symbolisiert, projiziert, rationalisiert, leugnet, umgeht, verdrängt Wahrheit und ersetzt sie durch Unwahrheit. Er befähigt einen jungen Mann, seinen toten Vater im Sarg anzuschauen und zu "wissen," dass er zu "einem besseren Ort" gegangen ist. "Dort geht es ihm besser als hier," sagt er, "er ist bei den Engeln und in Sicherheit." Er kann zusehen, wie sein Vater ins Grab gesenkt wird und "wissen," dass er, obwohl er in den Himmel gefahren ist, vielleicht in anderer Form zur Erde zurückkehrt. Um sich nicht so beraubt zu fühlen, um seinen Kummer zu lindern, kann der junge Mann, der seinen Vater verloren hat, auch glauben, dass er - in einem dunklen Raum mit anderen Leuten - mit seinem Vater reden und Nachrichten zurückerhalten kann.

Anzuerkennen, dass der Vater tot ist, nie zurückkommen wird, sich in Nichts auflösen wird, für immer fort ist, ist ein unannehmbarer Gedanke. Der junge Mann schreckt vor einer Vorstellung zurück, die nicht integriert werden kann. Gnädig eilt der Kortex herbei, um die Wirklichkeit in etwas Akzeptables umzuwandeln. Diese Änderung macht das Leben erträglich; aber sie ist eine Verrenkung und Selbsttäuschung. Wir glauben, dass der Vater zu einem besseren Ort gegangen ist, dass seine Energie aber weiterlebt, dass die Theologie oder Astrologie unsere Fragen beantwortet. So erbaut, inspiriert und transportiert glauben wir, dass wir uns aus der Asche des Leidens zu einer erhabenen Ebene höheren Bewusstseins erhoben haben.

Wir sind vielleicht beruhigt und vorübergehend anästhetisiert, aber wir haben nichts anderes aufgebaut als eine Abwehrbarrikade. Wenn ein sogenannter Therapeut einem Patienten hilft, vergangene Leben wiederzuerleben, treibt er seinen Patient über reale Einprägungen hinaus in ein mystisches Fantasie-Universum. Das ist eine weitere Methode, dem Patienten (und dem Therapeuten) zu helfen, Realität zu vermeiden. Ich habe nie gesehen, dass ein Patient, der seine Schmerzen einschließlich der Geburt wiedererlebt, in vergangene Leben zurückgeht; das umfasst einige tausend Patienten in einem Zeitraum von fünfunddreißig Jahren. Was geschieht, ist, dass diese Patienten oft nahe an Schmerzen von sehr hoher Valenz kommen, wie zum Beispiel Geburts-Urschmerz, und dann einfach ins Reich der Irrealität abgleiten. Es ist ein Überlebens-Mechanismus. Unterstützt und begünstigt werden sie in diesem Bemühen von einem Therapeut, der wirklich nicht weiß, womit er es zu tun hat. Die Patienten sind zurück in einem vergangenen Leben, aber es ist ein persönliches, nicht eines von vor zweitausend Jahren oder vor zwanzigtausend Jahren; wenn wir schon dabei sind, warum nicht vor zweihunderttausend Jahren oder zwei Millionen Jahren? Es gab damals so etwas wie ein Nervensystem. Wenn jemand dabei ist, in der Zeit zurückzureisen in ein grenzenloses Universum, dann sollte es keine Grenzen geben. Hier sehen wir, wie Ideologie die Abwehr unterstützt. Der Patient streift wirklich schrecklichen Schmerz und hat sofort mystische Ideen über das, was er durchmacht. Er nähert sich tief eingeprägtem Schmerz und rutscht sofort weg in seltsame Vorstellungen. Diese Ideen verteidigen ihn, und er verteidigt die Ideen. Diese Ideen werden nicht nur nicht kritisch hinterfragt vom Therapeuten, der eine Abwehr erkennen sollte, wenn er eine sieht, sondern sie werden sogar bekräftigt durch den Therapeuten, weil er nicht weiß, wie Abwehrmechanismen funktionieren. Er ist auch abgewehrt, und er ist unfähig, über seine Abwehr hinauszuschauen. Es ist eine gegenseitige Unterstützungs-Gesellschaft - ein stillschweigend unbewusster Pakt, um sowohl den Patient als auch den Therapeut aus dem Schmerz raus zu halten. Therapeut fordert Patient nicht heraus und Patient fordert Therapeut nicht heraus. Keiner von beiden hat einen Bezugsrahmen, um den anderen herauszufordern, und so geht die Unwirklichkeit unvermindert weiter. Korrekte Therapie kann unmöglich zu solcher Unwirklichkeit führen, zu einem milden psychotischen Zustand - den dieser Glaube darstellt.

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Unter sonst gleichen Umständen ist es besser, sich an einer gesellschaftlich sanktionierten Verrücktheit zu beteiligen als eine private zu konstruieren. Private Verrücktheit ist globaler, dreht eher ab in Richtung Zusammenhanglosigkeit und ist weniger von Ideologie umnebelt. Offensichtlich ist sie gesellschaftlich inakzeptabler. Es ist auch leichter, ein vorgefertigtes abwehrendes Glaubenssystem zu übernehmen, das in den gelben Seiten inseriert wird, als eines zu erfinden. "Überlasse das Denken deinen Fingern."

Die Ausbreitung von Glaubenssystemen reflektiert die Umwandlung einer Gesellschaft und seiner Individuen. Ich glaube nicht, dass alle diese aktuellen Glaubenssysteme in einer frühen Epoche existieren könnten, als das Leben und die Welt weniger verwirrend waren. Das heutige Wiederaufleben des religiösen Fundamentalismus widerspiegelt die Explosion der New-Age-Anhänglichkeit. Das Konversions-Erlebnis - unabhängig davon, ob es die Wiedergeburt unter der Führung eines Evangelisten beinhaltet oder die Bekehrung zu einem "metaphysischen" (oder meta-unlogischen) Glaubenssystem - entspringt einer verwirrenden und schmerzvollen Welt. Unser emotionaler Schmerz verursacht spirituellen Hunger. In diesem Zeitalter der Wissenschaft und Technologie, in dieser Ära der Vernunft, treiben wir zunehmend in die Richtung irrationalen Glaubens. In Alternative Medicine and American Religious Life, erforscht Robert C. Fuller die gegenwärtige populäre Neigung zum New-Age-Glauben im Zusammenhang einer längeren kulturellen Tradition, "Spritualität" in die Heilung einzubringen. Fuller, ein Professor für Philosophie und religiöse Studien an der Bradley Universität, charakterisiert die "neuerdings wiederauftauchenden metaphysischen Strömungen" folgendermaßen:   (15)

Moderne Amerikaner......sind immer noch fasziniert von den Beschreibungen eines suprafeinen Äthers, der das Weltall durchdringt, unseres Besitzes eines subtilen ätherischen oder astralen Körpers und der nahenden Möglichkeit, sich mit höheren kosmischen Ebenen zu verbinden. Nicht weniger attraktiv ist die Behauptung........dass eine Heerschar emporgestiegener Lehrmeister in der spirituellen Welt existiert und der menschlichen Rasse Offenbarungen überbringt durch Personen, die in eine mediale Trance eintreten können. Fester Bestandteil dieser okkulten Übernatürlichkeit ist das prototypische amerikanische Vertrauen in den praktischen Nutzen, den man von religiösen Erlebnissen hat. Durchtränkt von der Neuer-Gedanke-Rhetorik der Macht des positven Denkens gedeiht die New-Age-Frömmigkeit in der ausgesprochen therapeutischen und selbstverwirklichenden Natur der spirituellen Kraft, die durch unser Unterbewusstsein verfügbar wird. Das Neue Zeitalter, von dem sie sprechen, wird nicht eingeführt durch die physische Wiederkehr von Christus aus dem Jenseits. Vielmehr ist es der utopische Zustand, der eben jetzt Form annimmt in der fortschreitenden Entfaltung des "Christus-Bewusstseins" im Inneren. (Kursiv von mir)

New-Age-Glaubensvorstellungen sind auf der richtigen Spur, wenn sie über die "unbewusste" Ebene als Ort der "Energien" reden, die uns weh tun. Aber als brauchbare Quellen wahrer Selbstverwirklichung entgleisen sie in den Myriaden von "Übernatürlichkeiten," die verwendet werden zur Definition dessen, was in uns aus dem Gleichgewicht ist: Auras, Chakras, Chis, Pranas, Universelle Lebensenergie. Anstatt Bewusstsein zu integrieren durch den mühsamen Abstieg zu den Ebenen, wo die Traumen residieren, schlucken emotional zerrüttete und spirituell ausgehungerte Suchende leichtgläubig ausgefallene Theologien, die sie sich aus dem Osten ausgeliehen haben. Mit bedauernswerter Leichtigkeit verkünden sie ihre Absicht, Atman, die höchste Einheit der Psyche, mit Brahman, der göttlichen Kristallisation positiver Energie, zu vereinigen. Tatsächlich ist die Zuflucht zu religiösen Abstraktionen des Ostens, um unsere Neurose zu erklären, ein Teil dessen, was ich als Rückzug aus der Vernunft bezeichne, ein Teil unserer Abwehrreaktion auf Schmerz von hoher Valenz.

(15) Robert C. Fuller, Alternative Medicine and American Religious Life, (New York: Oxford University Press, 1989, 108-109.

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