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Dr. Arthur Janov:   Beyond Belief: Cults, Healers, Mystics and Gurus - Why We Believe

LLC Reputation Books, ISBN-10: 0986203173, 03. Mai 2016

Kapitel 17

Führer und Gefolgschaft

Roboter für Gott

 

Vor einigen Jahren druckte die Los Angeles Times einen Artikel über die Irrungen und Wirrungen des Massenpredigers Tony Alamo, Anführer einer "christlich-religiösen Glaubensgemeinde." (21) Alamo, vormals bekannt als Bernie Lazar Hoffman, sah sich einer Anklage wegen Steuerhinterziehung (in Höhe von 10,2 Millionen US Dollar) und Anschuldigungen wegen Kindesmissbrauchs gegenüber. Ein US-Steuergericht hatte entschieden, dass Alamo und seine inzwischen verstorbene Ehefrau, Susan Alamo (vormals Edith Opal Horn) ihre Anhänger um Millionen von Dollar geprellt hatten, um sich zu bereichern. 1991 hatte die US-Bundespolizei einen Großteil der Vermögenswerte der Tony und Susan Alamo Stiftung beschlagnahmt, einschließlich Tankstellen, Lebensmittelläden, Restaurants und einer Reihe weiterer Geschäfte, teure Autos, Pelze, Schmuck, Antiquitäten und Bargeld. Ein Teil des Eigentums war ehemaligen Mitgliedern der "Alamo-Kirche" zuerkannt worden.

Der Artikel erläuterte die inneren Mechanismen des von Susan und Tony Alamo geführten Kults. Er beschrieb im Detail die Charaktereigenschaften der Kultführer und Kultanhänger und die Dynamik ihrer Interaktion. Hier haben wir einen charismatischen Führer, der behauptete, Gott gefunden zu haben, und der dann Leute, die nach einem Sinn im Leben suchten, zu tiefreligiösen Erfahrungen inspirierte.

Vor seiner sogenannten spirituellen Wiedergeburt hatte der zukünftige Kultführer im Gefängnis gesessen wegen eines Waffendelikts. Er hatte auch eine andere Identität ("Marcus Abad") gehabt zwischen der des Bernie und Tony. Es lief nicht allzu gut für ihn, bis ihn eines Tages in den 1960er Jahren, als er angeblich als Veranstalter und Sänger arbeitete (den Namen "Tony Alamo" hatte er gewählt, weil er glaubte, als italienischer Schlagersänger groß herauszukommen), "Gott ergriff, emotional bewegte und ihn dann anwies, sein Hollywood-Leben aufzugeben......ihm sagte, es sei seine Mission, so viele Seelen wie möglich zu retten in diesen letzten Tagen der Erde." Im Jahr 1966 ging Alamo dann ein "göttlich inspiriertes Bündnis" mit Edith/Susan ein: "Ich hatte eine Vision, wie wir uns küssten, es sah aus wie ein schimmerndes schmiedeeisernes Schwarz-und-Weiß-Profil. Ich sagte zu Gott, 'sie ist klüger als ich.' Er sagte: 'Das ist gut für dein Ego.' "

In den Folgejahren waren Bernie/Marcus/Tony und Edith/Susan sagenhaft erfolgreich darin, Gott Hunderten von Leuten zu "verkaufen."

Die meisten Langzeit-Mitglieder traten als junge Erwachsene in den späten 1960er und 1970er Jahren bei, als Alamos Mannschaften durch die Straßen Hollywoods streiften und Hippies und anderen Aussteigern kostenlose Mahlzeiten und ewiges Seelenheil anboten.

Laut einer anderen Quelle konzentrierten sich die Alamo-Anwerber auf Drogenabhängige in den Straßen und fragten sie: "Warum zerstörst du deinen Geist, deine Seele, deinen Körper?" (22) Diese Herumtreiber, die in arger Not und deshalb anfällig waren, ließen sich von Alamos Glaubensinhalten und dem Seelenheil-Angebot leicht verführen. Ein Ex-Mitglied sagte über die Gefühle, die Alamos Predigten in ihm anregte: "Es war, als würde jemand Wasser durch mich hindurchgießen, wie durch ein Sieb. Ich nahm keine Drogen oder irgendwas. Ich verspürte nur dieses reine Gefühl:" Der zitierte Mann hatte sich im Jahr 1969 mit neunzehn den Alamos angeschlossen und blieb elf Jahre bei der Gruppe.

Auf der öffentlichen, sichtbaren Seite des Kults liefen Gruppenmitglieder herum und klemmten Flugblätter an Windschutzscheiben, in denen der "Weltpfarrer" gegen christliche Kirchen wetterte, die römisch-katholische Kirche für die Weltprobleme verantwortlich machte und sagte, dass der Papst die US-Regierung kontrolliere. Kein sonderlich originelles Glaubenssystem, aber eines, das es schaffte, zahlreiche verlorene Seelen in die Organisation hineinzuziehen.

In der privaten Welt der Susan und Tony Alamo Stiftung arbeiteten "Freiwillige" jahrelang wie Sklaven, indem sie in einem kommunalen Umfeld ein Leben des "strengen Fundamentalismus" führten und manchmal verdorbene Lebensmittel essen mussten, die aus Supermarkt-Müllcontainern geklaut worden waren."Wir lebten diese Sache," sagte ein ehemaliges Mitglied, "weil wir glaubten, was wir taten, sei ein Aufruf Gottes." Unterdessen bereicherten sich ihre Führer, um ihrem extravaganten Materialismus zu frönen, ließen sich Reformkost einfliegen für ihren eigenen Genuss, unternahmen Großeinkäufe, kauften Limousinen und wertvolle Juwelen und erwarben ein Geschäftsimperium, das sich von Kalifornien bis Tennessee erstreckte. Alamo nutzte genau wie David Koresh das Geld, das ihm sein Charisma einbrachte, um seinen Traum auszuagieren, ein Rockstar zu werden, heuerte Spitzenmusiker an, machte Aufnahmen und vertrieb sie unter einem Alamo-Markenzeichen.

Judy Shapiro war eine Ausreißerin aus einem wohlhabenden L.A.-Elternhaus, als sie Alamos Zauber verfiel. Sie nahm das Seelenheil-Angebot der Gruppe an und wurde mit ihren eigenen Worten ein "Roboter für Gott." Ihr und den anderen wurde beigebracht, dass ihre Familien der Satan waren; sie mied ihre Familie, nannte sie Teufel. (Ein wesentlicher Bestandteil aller Kulte ist, alle sozialen Kontakte von den Anhängern fernzuhalten, sodass sie völlig vom Führer abhängig werden.) Zusätzlich zu allen anderen Regeln waren keine Haustiere erlaubt, kein Lachen, kein Urlaub (zuerst auf dem Gruppengelände im San Fernando Valley und später dann, als sie nach Arkansas umzogen). Die Gehirnwäsche-Methoden beinhalteten Schlafentzug und Alamos ständiges Wettern gegen Feinde von außen. Wenn du gedroht hast, die Gruppe verlassen zu wollen, hat man dich gewarnt, deine Eltern würden dich zu Entprogammierern bringen, die dich vergewaltigen würden (wenn du eine Frau warst) oder dich in einen Homosexuellen umwandeln würden (wenn du ein Mann warst). Judy Shapiro und die anderen "Freiwilligen" wurden gezwungen, "Bitt-Memos" zu schreiben, wenn sie etwas wollten oder brauchten, wie z.B. Unterwäsche oder einen Arztbesuch. Susan - und später Tony - konnten jedes Ersuchen ablehnen, und sie taten es oft. Einmal verhängte Tony Alamo eine Geldbuße von 1 Million US Dollar gegen einen Anhänger, der innerhalb des isolierten Geländes über den Rasen gelaufen war. In den Mitt-1970ern war die Tochter von Susan Alamo unter der Begründung aus dem Kult geflohen, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater ihre Gemeinde schröpften.

Susan Alamo starb 1982 an Krebs. Tony ließ sie einbalsamieren und in einem Gebetsraum auf der Farm des Kults in Arkansas aufbewahren. Tag und Nacht und in Zwei-Stunden-Schichten nach Tony Anweisungen knieten die Anhänger vor ihrem Sarg nieder, um für ihre Rückkehr zu beten und um auf ihre "Auferstehung" zu warten. Jahrelang ging das so weiter.

Irgendwann rekrutierte der Kult tatkräftig ledige Mütter und ungewollte Kinder. Die Alamos versprachen, für die Geburt und Erziehung der Kinder aufzukommen und sie als "Freiwillige" zu "erziehen," die "Gottes Werk" verrichten.

Sam Enriquez, Reporter der der Los Angeles Times, beschreibt die an Mao Tse-tungs skrupellose Rotgardisten erinnernden Methoden, die angewendet wurden, um die Gefolgschaft zu manipulieren und innere Disziplin aufrechtzuerhalten: Die Alamos, geborene Juden, drohten mit der Hölle, um bei ihrer Christengemeinde die Zügel straff zu halten, behielten die Macht über alle großen und kleinen Dinge von der Genehmigung von Kleidung über die Jobwahl bis hin zur Wahl des Ehepartners. Die Anhänger glaubten, dass das Paar seine Anweisungen von Gott bekomme. Jeder Ungehorsam barg das Risiko ewigen Leidens. Den Kirchenmitgliedern sagte man, dass Alamo-kritische Gedanken vom Teufel gepflanzt worden seien.


Anhänger, die von der Ähnlichkeit der Kommune mit einer großen Familie angezogen wurden, fanden heraus, dass sie wenig oder gar keine Zeit hatten, die sie mit ihren eigenen Kindern verbringen konnten, weil viele Stunden für Arbeit und Gemeinschaftsdienste erforderlich waren, wie z.B. nachts Wache zu stehen.

Mitglieder wurden aufgefordert, Verfehlungen anderer gegenseitig bei Alamo anzuzeigen, sodass Kinder die Eltern verpetzten und Nachbarn die Nachbarn verrieten. Sich bei der Arbeit zu beklagen oder nachzulassen war Grund für Bestrafung, in der Regel eine Rüge von Alamo vor versammelter Gemeinde - eine als Maßregelung bekannte Praxis - und dann eine Arbeitszuweisung wie Kartoffel zu schälen oder die Toiletten zu schrubben. So stark war der persönliche Griff der Alamos, dass viele sagen, sie hätten befürchtet, der Allmächtige werde sie in den ersten Stunden oder Tagen nach dem Verlassen der Gruppe totschlagen.

Viele verließen die Gruppe, oft heimlich und mit der Hilfe von Verwandten. Die Alamos gaben der Gefolgschaft immer die gleiche Erklärung, dass die Aufgeber teuflisch seien und den Weg des Teufels gegangen wären. Rückblickend auf ihre elf Jahre mit den Alamos und ihren Schülern sagte Judy Shapiro: "Ich weiß jetzt, dass ich in den Kult ging, weil ich eine Familie suchte. Ich fühle mich wirklich betrogen. Ich wollte für die Sache dieser Gruppe sterben. Sie lehrten uns, zum Sterben bereit zu sein. Ich habe elf Jahre eingesetzt. Jetzt habe ich keinen Mann und keine Kinder. Ich habe mich gegen meine Mutter gewendet und Schreckliches über sie gesagt. Ich habe Tony und Susan an erste Stelle gesetzt, und sie haben mich betrogen." (23)

Vieles hier ist typisch für das Führer-Gefolgschaft-Arrangement, wie wir in diesem ganzen Kapitel sehen werden: die eigenen Identitätswechsel der Führer, hochtrabende Titel (ohne Weihe), Manipulation der Angst der Anhänger vor dem Tod und ihrer Bedürfnisse nach Hoffnung und Liebe, das apokalyptische Glaubenssystem, die straff kontrollierte Innenwelt des Kults, die fehlende Privatsphäre, die Infantilisierung der Anhänger, denen eingelöffelt wurde, was sie denken, glauben und sagen sollten, inneres Misstrauen und äußere Feinde, der gruppenbestätigte Wahnsinn und der irrige Glaube der Gefolgschaft, dass sich der Führer wirklich um sie sorge. Ein entscheidender Unterschied zwischen Tony Alamo und David Koresh ist, dass es die meisten des erstgenannten Führers schafften, sich von ihm freizumachen und ein gewisses Eigenleben zu behalten. Signifikant ist auch die Tatsache, dass Alamos Attraktivität zumindest unter einer Handvoll Getreuer fortbesteht - denen er sagte, dass der Krieg am persischen Golf von der US-Regierung in Szene gesetzt wurde, um die Weltaufmerksamkeit von der Beschlagnahme der Besitztümer der Alamo-Kirche abzulenken. Sie bleiben auf seiner Seite ungeachtet der Erniedrigungen und Entbehrungen, die das Leben mit ihm offensichtlich mit sich bringt, und trotz der Klagen und Entscheidungen gegen ihn.

Bei einem Gerichtstermin in Los Angeles wurde Alamo von einem halben Dutzend Anhängern begleitet, Männer in Anzügen, von denen einer oder zwei Bibeln trugen. Sie bildeten einen Schutzkreis um ihren Führer, öffneten Türen, kicherten alle, als Alamo mit einem Reporter scherzte.

Alamo behauptet weiterhin seine Unschuld. Satan verschwöre sich in der Verkleidung von US Regierungsbeamten gegen ihn, um ihn daran zu hindern, das Evangelium zu verbreiten. Wenn die Regierung ihn nicht verurteilen und inhaftieren könne, so fügt er hinzu, werde sie wahrscheinlich versuchen, ihn zu ermorden. Aber er macht sich keine Sorgen. Er möchte in den Himmel kommen, sagt er, da er ihn schon gesehen habe und es ihm gefallen habe, was er sah -  so oder so ähnlich sagt er zu dem Reporter unter den Augen seiner eingefleischten Gefolgschaft. "Ich habe den Himmel gesehen, und ich habe mich dort gesehen. Mein Haar war silbermetallisch, in Zapfenlocken, mein Gesicht war golden, und meine Augen waren perfekt. Jede Bewegung war perfekt, jedes Merkmal, jede Geste war perfekt. Du konntest es einfach stundenlang betrachten." (24)

In jüngerer Zeit, am 24. Juli 2009, wurde Alamo vom Federal District Court in Arkansas in zehn Anklagepunkten schuldig gesprochen - unter anderem interstaatliche Verschickung Minderjähriger zu illegalen sexuellen Zwecken, Vergewaltigung, sexueller Übergriff und Beihilfe zur Jugenkriminalität - und nachfolgend zur Höchststrafe von 175 Jahren Gefängnis verurteilt. (25)

Alamos ehemalige Anhänger sagten aus, dass der 74jährige Alamo Polygamie praktiziert hatte und ein neunjähriges Mädchen als seine Frau genommen hatte. Er wurde auch für schuldig erklärt, minderjährige Mädchen für Sex über Staatsgrenzen gebracht zu haben. Er bezeichnete sich selbst als "einfach einen weiteren Propheten, die für das Evangelium ins Gefängnis gingen." Im Januar 2010 wurde jeder der fünf Frauen, die den sexuellen Missbrauch durch Alamo bezeugten, 500 000 US Dollar Entschädigung zugesprochen.
 

SYMBOLISCHE BEDRÜFNISBEFRIEDIGUNG IN DER GEFOLSCHAFT

Mangelnde Bedürfnisbefriedigung früh im Leben erzeugt beides, Anhänger und Führer: Letztere erfinden neurotisch bizarre Gedankengebilde, erstere akzeptieren sie neurotisch. Der "Anhänger" ist wahrscheinlich jemand, der nach einer angenehmen Umgebung sucht, nach einem "liebevollen Zuhause," wenn Sie so wollen. Diese Person tritt vielleicht einem Kult bei, der auf einem Glaubenssystem beruht, dass irgendwo die Liebe existiert, die sie nie hatte, und dass sie in einer Gemeinschaft mit einem charmanten Führer und gleichgesinnten Anhängern eine Enklave der Gesundheit, Sicherheit und des Schutzes finden wird, die es in ihrer Kindheit nie gab. Auf Grund von Kindheitsbedürfnissen übergibt der Mensch sein Leben dem Kult und dem Führer. Tatsächlich ordnet der Anhänger sein Leben dem Bedürfnis unter, das ihn leicht zur Beute für Manipulation, Erniedrigung und sogar für sinnlosen Tod macht.

Der bedürftige Anhänger ernährt sich vom Führer, dessen unerfülltes Bedürfnis wahrscheinlich sogar noch intensiver ist als das des niedrigsten Mitglieds seiner Herde. Es ist kein Zufall, dass viele der Tyrannen und Demagogen dieser Welt genau wie ihre hingebungsvollsten Anhänger typische Produkte zerrütteter, qualvoller Kindheiten sind. Diese charismatischen destruktiven Führer in Gestalt eines Heilands sind depravierte Individuen, die auch symbolisch in der Gegenwart nach Befriedigung von Vergangenheitsbedürfnissen suchen. Die meisten haben ihre Namen geändert; dieser Akt an sich ist eine Metapher für das Bemühen des Individuums, einer schmerzvollen Vergangenheit zu entkommen. Selten, wenn überhaupt, werden Sie ein völlig geliebtes Individuum in einem Kult finden.

Die Beziehung zwischen Führer und Gefolgschaft ist eine wechselseitig abhängige und wechselseitig parasitäre. Der Führer merzt die unerträglichen Schmerzen seines Lebens (sich unwichtig, ignoriert, machtlos fühlen) aus durch die Kontrolle und Manipulation anderer, während der Anhänger Erleichterung dadurch findet, dass er kontrolliert wird. Es ist eine sehr stabile Symbiose. Die nackte Verzweiflung des Führers wird offensichtlich, wenn seine Macht bedroht wird: Hitlers irres Gerede in seinen letzten Jahren, das zunehmend bizarre Verhalten von Jim Jones und David Koresh, die Drohungen Alamos an jene Leute, die im Begriffe waren, sich von seiner Kontrolle zu befreien. Und es überrascht nicht, dass  es in den meisten Kulten gefährlich wird, die Gruppe zu verlassen; die Gruppe und der Führer werden durch Abtrünnigkeit gefährdet und neigen dazu, um sich zu schlagen. Es deutet auf einen Kontrollverlust hin.

Ein Kult ist per Definition eine faschistische soziale Organisation. Eine offene, nicht-autoritäre Organisation fordert zu Individualität und Meinungsverschiedenheit auf. Ein Glaubenssystem wie das in der Alamo-Organisation oder in Waco vorherrschende kann keine Kritik tolerieren, weil Kritik die schmerztötende Wirksamkeit der neuen Familie in Frage stellt. "Es war, als würde jemand Wasser durch mich hindurchgießen, wie durch ein Sieb," sagt der Anhänger. " Ich nahm keine Drogen oder irgendwas. Ich verspürte nur dieses reine Gefühl. Wir glaubten, was wir taten, sei ein Aufruf Gottes."

Individuen, die sich als Kinder entfremdet fühlten, erschaffen ihre Kindheit aufs Neue. Eine autoritäre Figur - streng, allmächtig, wie ein launischer, strafender Elternteil - bestimmt alles. Die Gruppe, eine Verschweißung von Führer und Gefolgschaft, ist entfremdet und von der Gesellschaft abgegrenzt; sie ist Widersacher der Gesellschaft. Nichtgläubige müssen gemieden werden und ebenso TV, Radio oder jede Zeitung oder jedes Buch, das ein anderes Fenster zur "Realität" öffnen würde als das vom Führer zugewiesene. Jede andere Perspektive ist eine Bedrohung, die Führer und Gefolgschaft für ihren Schmerz öffnen würde. Die biologische Familie (die das Trauma repräsentiert) muss heruntergemacht, gemieden, dämonisiert werden.

Führer und Gefolgschaft gehen ein gegenseitiges unbewusstes Bündnis ein, bei dem Kontrolle ein Grundthema ist. In manchen Fällen sieht es vielleicht nicht wie Kontrolle aus, aber darauf läuft es hinaus. Die gedanklichen Tentakeln defensiver Glaubensysteme greifen ins Innere ihrer Opfer und werden zu ihrem Bestandteil. Sobald ein Glaubenssystem zum A und O eines Individuums oder einer Gruppe wird, kann allerlei Missbrauch unter ihm begangen werden. Der Trick ist, es im Individuum fest zu verankern. Dann ist Kontrolle von außen weniger nötig. Die Kontrolle ist innerlich. Das artige, gehorsame Kind wird innerlich kontrolliert. Es wächst auf als konservatives Wesen, das Autorität respektiert, unkritisch ist, Leute heftig tadelt, die rebellieren oder anders sind. "Er" ist ein "guter Junge." Deswegen wurde er geliebt und wegen seines bedingungslosen Gehorsams, den er beibehält. Eigentlich wurde er nie geliebt; er wurde "akzeptiert."

In einer Familie können Schuldgefühle Kinder noch lange nach der zeitgerechten Unabhängigkeit abhängig bleiben lassen. Eltern können Schuld benutzen, um ihre Kinder so zu manipulieren, dass sie für sie sorgen und gleichzeitig ihre eigenen Interessen opfern. Gleichermaßen bestimmen von defensivem Glauben zusammengehaltene Gruppen oft, wer heiraten kann und wer nicht, fordern zur Scheidung auf, diktieren, dass Kinder verlassen werden, oder andere Formen des Kindesmissbrauchs, Frauentausch, Inzest und so fort. Wir wissen, dass sich das in Führer/Anhänger-Kulten wie dem in Waco ereignet hat. Schwer depravierte Anhänger, so bedürftig wie Neugeborene, luden zu Manipulation und Beherrschung ein. Ein neurotischer Führer, den nach Macht und symbolischer Bedürfnisbefriedigung hungerte, übernahm diktatorische Vorrechte. Die Anhänger, die immer mehr Führung brauchten, verloren jede Perspektive für richtig oder falsch, moralisch und unmoralisch. Sie folgten einfach dem Führer, der ihnen versicherte, dass alles zu ihrem Besten sei, auch als sie ihr Haus in Brand setzten und anfingen, sich gegenseitig zu erschießen. Was der Anhänger gar nicht will, ist denken; für sich selbst zu denken. Wenn du ein Kind bist, scheint es sicherer, den Eltern das Denken und Führen zu überlassen.

Nehmen Sie Jonestown, eine scheinbar menschliche Bewegung, die in Selbstzerstörung endete. Warum ist das passiert? Die übliche Annahme ist, dass Jones und die Kommune normal und edel waren und dann plötzlich verrückt geworden sind. Das Problen an dieser Vermutung ist, dass das Aufgeben von Gefühl, Urteilsvermögen und Selbst schon lange stattfand, bevor die äußere Erscheinung des Kults bizarr wurde. Die erstaunliche Kontrolle, die sich zum Schluss zeigte - als Jones Anhänger auf dessen Geheiß Selbstmord begingen - war möglich, weil wie bei jeder Füher-Anhänger-Übereinkunft die Anhänger das Vertrauen in sich selbst und den Wert ihres eigenen Lebens bereits verloren hatten; das ist die ultimative Tragödie.

Anhänger begrüßen diese Kontrolle durch andere, weil sie keine ausreichende Kontrolle über ihr eigenes Leben haben und nie hatten. Sie haben die Richtung verloren, taumelten, wurden zu Ausreißern und zu Süchtigen, Alkoholikern, Suchenden. Das Modell und der Präzedenzfall für die Unterwerfung unter einen Guru und ein Glaubenssystem ist die Eltern-Kind-Beziehung. Erwachsene Anhänger waren wahrscheinlich durch ihre Eltern über-kontrolliert und unter-geliebt, wurden nie gefragt, was sie dachten, nie gebeten, ihre Meinung auszudrücken, zu sagen, was sie essen, was sie tun wollten, wie sie sich fühlten. Und das wurde durch ein Schulsystem verstärkt, das sich auch nicht um ihre Gedanken, Meinungen und Gefühle kümmerte. Wie so oft geschehen wurden sie belehrt, bis sie sich an die Kontrolle gewöhnten, und sie endeten als Erwachsene, die keine andere Seinsweise kennen. Man gerät dann leicht in eine Furche, in der man den Meinungen und Gedanken anderer Leute folgt, bis man jede Fähigkeit verloren hat, eigene zu entwickeln.
Es ist ein trauriges Phänomen: Wenn wir Kinder waren, mit denen "etwas gemacht wurde," werden wir tendenziell zu Erwachsenen, mit denen "etwas gemacht werden muss." Als Erwachsene wollen wir Manipulation, weil uns frühe Manipulation zu dem machte, was wir sind. In leidiger Wiederholung unseres frühen Szenarios müssen wir unser Leben in die Hände eines anderen legen. In einigen Fällen geben wir buchstäblich unser Leben und unseren Tod in andere Hände.

Der Führer bietet uns Schutz, und wir nehmen ihn an. Komm' mit mir. Vertraue mir. Überantworte dich mir, denn ich werde dich beschützen und leiten, für dich sorgen und dich lieben. Mit mir hat das Leben Hoffnung und Bedeutung. Mit mir wirst du ewig leben. Ohne mich bist du dem Untergang geweiht. Und wenn dieLeute den Kult verlassen wollen, werden sie allzu oft mit dem Untergang bedroht. Noch schlimmer ist, dass der Untergang in Form schrecklicher Gefühle bereits in die Menschen eingeprägt ist. Wenn die wieder erwachen, wird der Mensch ängstlich und unterliegt wieder.

Für depravierte Kinder üben solche Versprechen die größte Macht auf Erden aus. Sie können bewirken, dass sich Individuen gegen ihre Verwandten wenden und gegen jeden natürlichen Instinkt einschließlich des Überlebensinstinkts. Für einen solchen charismatischen Führer, der sie mit den Worten abzufüttern versteht, die sie hören wollen und brauchen, nehmen sie gerne entsetzliches Leiden in Kauf und bringen sich sogar selbst um.

Ist es Zufall, dass Jones Anhänger ihn "Vater" und "Dad" nannten und dass er während des Selbstmord-Rituals angeblich "Mutter, Mutter, Mutter" sang?
 

SYMBOLISCHE BEDÜRFNISBEFRIEDIGUNG BEI FÜHRERN

Die Promotoren schützender Glaubenssysteme - Gurus, Kirchenführer, Diktatoren - haben viel gemeinsam. Die Leute kommen zu ihnen wegen Rat und Beistand; um ihnen zu sagen, wie wunderbar sie sind, um sich auf ihre Worte der Weisheit zu konzentrieren. Anfangs sagen sie ihren Anhängern, wie sie leben sollen, weil der Anhänger genau danach sucht. Führer gedeihen durch Liebe, Macht und Bewunderung. Letztlich wollen sie bedingungslosen Gehorsam.

Warum sind diese Führer nicht einfach damit zufrieden, ihr eigenes Leben zu führen? Weil sie auch bedürftig sind. Sie brauchen Macht - die Macht, die sie als Kind nie hatten. Zu oft wurden sie als Kind dominiert und kontrolliert, und jetzt agieren sie symbolisch ihren eigenen Schmerz aus. Sie wollen Kontrolle und Beherrschung, und zwar mehr, als sie bekommen können, wenn sie ihrem eigenen Lebensfaden folgen.

Diese Führer sind machthungrig. Sie wollen alle Leute beherrschen, alles, was sie tun und sagen, jeden Aspekt ihres Verhaltens. Wenn man ihn lässt, bestimmt der Führer, wie die Leute ihr Sexualleben zu führen haben, mit wem sie schlafen sollen, ob sie Kinder haben sollen. Er gibt die Erlaubnis für "freien Sex." Weil die sexuelle Aktivität dennoch kontrolliert wird, ist es trotzdem Beherrschung, egal wie "liberal" die Einstellung des "Lehrers" ist. Er trifft unter den Anhängern (und ihren Kindern) seine eigene Auswahl, behält sich in seiner verführerischen und manipulativen Allmacht dieses Recht vor. Ich habe es immer wieder gesehen: Der Führer will sogar das Innenleben seiner Untertanen kontrollieren - was sie denken, fühlen, begehren, wollen sollen, wie richtig und falsch zu definieren ist, was sie glauben sollen.

Diese Führer sind beinahe immer selbsternannt. Wer beschließt, dass sie weiser sind als alle anderen? Sie tun es. Wer beschließt, dass sie die Träger irdischer Erleuchtung sind? Sie tun es. Typischerweise haben sie Charisma, das ihnen hilft, eine Gruppe von Anhängern einzupferchen, die sie symbolisch salben, sie bereichern, an ihrem Wahnsinn teilnehmen. Sie ähneln Showbusiness-Figuren: dramatisch, amüsant, voller Predigten und das gänzliche Fehlen von Selbstzweifel. Es sind Leute, die ihre Neurosen auf das Niveau allgemein akzeptierter Wahrheit erhoben haben.
 
Auch wenn der Führer voller Selbstvertrauen scheint, fühlt er wahrscheinlich das Gegenteil. Um seine Selbstgefälligkeit weiter aufzublasen, sucht er nach Bewunderung, Gehorsam und Aufopferung von Seiten der Gefolgschaft. Und warum? Damit er die Ablehnung am Lebensanfang nicht fühlen muss und seine Bedeutungslosigkeit für die Leute, die zählten: seine Eltern.

Jim Jones scheint zum Beispiel eine Aura völliger Selbstsicherheit gehabt zu haben, die in direktem Verhältnis zu seinem wahrscheinlichen inneren Schrecken und seiner inneren Verwirrung stand. Er konnte für sich nicht die leiseste Andeutung zulassen, dass jemand anders Antworten hatte. Er konnte nicht zulassen, sich so verwundbar und unsicher zu fühlen, denn somit wäre sein ganzes Kartenhaus in sich zusammengefallen.

Warum bin ich mir so sicher, dass der Guru, Kultführer oder Diktator nicht die ideale Kindheit hatte und dass er abgelehnt  und nicht geliebt wurde? Weil im Großen und Ganzen nur ungeliebte Leute zu dem weisen Mann oder der weisen Frau (obwohl es gewöhnlich Männer sind) werden wollen, die anderen goldene Worte mitteilen. Freunden bei ihren Problemen zu helfen ist eine Sache. Das Leben von Dutzenden, Hunderten, Tausenden, sogar Millionen anderer Leute zu kontrollieren oder zu formen, ist eine ganz andere. Macht ist nur dann so verführerisch, wenn sie sich aus einem realen Bedürfnis ableitet; das heißt, wenn das frühe Leben jede Minute von dominierenden Eltern kontrolliert wurde, die nicht zuließen, dass man genug eigene Entscheidungen treffen konnte. Jetzt will man das Leben aller kontrollieren. Am Lebensanfang wurde man nicht geliebt; jetzt will und braucht man Liebe von vielen, vielen anderen. Macht ist das sekundäre, nicht das primäre Bedürfnis, ein Ausagieren eines realen Bedürfnisses - des ursprünglichen Bedürfnisses, geliebt zu werden und sein Leben auf seine eigene Art und Weise leben zu dürfen.

Vor vielen Jahren übten einige neue Praktikanten, die sich von unserer Klinik lösten, um ihr eigenes "Feeling Center" zu gründen, ein gefährliches Szenario gnadenloser Manipulation aus. Es endete damit, dass sie Leute schlugen, die nicht überzeugt waren. Sie wurden zu endgültigen Schiedsrichtern für richtig oder falsch, für jede Moral. Sie kontrollierten auch das Sexleben ihrer Patienten, verlangten ständig Geld und veranlassten schließlich, dass die Patienten auf ihrem Gelände wohnten - um sie umso besser kontrollieren zu können. Sie agierten alte Bedürfnisse an einer gefangenen Zielgruppe sehr bedürftiger Anhänger aus, indem sie ihnen zur Scheidung rieten, ihnen sagten, was sie mit ihren Kindern machen sollten, sie anwiesen, mit wem sie jetzt schlafen sollten, und natürlich, wann sie mit ihren Therapeuten schlafen sollten. Es ist alles dokumentiert worden.

Die frühen Tage von Synanon, des Prototypen aller späteren Drogenbehandlungszentren, sind ein erstklassiges Beispiel für das alles. Charles Dederich, der Organisationsführer, begann anscheinend als besorgter Mensch, der (so schien es) versuchte, Alkoholikern und Drogensüchtigen zu helfen. Es endete mit seiner absoluten Macht über sein Herrschaftsgebiet. Dederichs Eigenheiten fingen einfach an und wurden zunehmend extravagant. Zum Beispiel führte er nie Geld mit sich. Alle anderen mussten welches dabei haben und natürlich zahlen. Man betrachtete das als goldig, als die Besonderheit eines Genies. Auch der Führer dachte, es sei normal, dass sich eine so wichtige Person nicht die Hände schmutzig machen sollte mit solcherlei vulgären Angelegenheiten; es lag in der Natur seines Privilegs, dass alle anderen die Rechnungen zahlen sollten.

Einer, der vermeintlich Alkoholikern und Drogenabhängigen half, kontrollierte schließlich ihr Geld, ihr Sexleben und ihre Gedanken. Es war die übliche Verirrung eines verzweifelten Führers. Der Machthunger des Führers hatte sich von der Verletzlichkeit und den Bedürfnissen seiner Anhänger genährt. Schließlich adoptierten die Anhänger  notgedrungen sein Glaubenssystem. Widerspruch wurde für Andersdenkende gefährlich. Durch den Versuch sich loszulösen konnte man sich möglicherweise körperlichen Schaden einhandeln. Tatsächlich hätte es potentiell fatale Folgen haben können, wenn man das Missfallen des Führers auf sich gezogen hätte. Ein Rechtsanwalt, der mehrere Klagen gegen Synanon anstrengte, wollte eines Tages seine Post hereinholen. Was er nicht wusste, war, dass Synanon-Mitglieder auf Geheiß ihres Führers eine Klapperschlange in seinen Briefkasten gelegt hatten. Dederich und einige seiner Anhänger wurden später des Mordkomplotts schuldig gesprochen. Einige Jahre danach erhielt die Organisation eine Anklageschrift wegen nicht bezahlter Steuern in Höhe von mehr als 50 Millionen US Dollar. Dederich gestand in einer Verteidigungsrede: "Ich weiß nicht, wie man einen Junkie heilt. Ich habe nie einen geheilt." Jahrzehntelang betrieb er einen Skandal: einen lukrativen Kult und ein einträgliches Geschäftsimperium in der Verkleidung einer wohltätigen, gemeinnützigen Organisation.
 

 ♦♦♦

 

RON

1974 schickte man mich zu Synanon in Kalifornien. Ein Freund von mir heuerte mich geradewegs von der Straße weg an, als ich mit Heroin zugedröhnt war. Ich hatte es schätzungsweise achtzehn Monate lang gespritzt. In diesem Zeitraum war ich vier Mal angeschossen worden und für etwa vier Monate ins Zuchthaus gesteckt worden. Ich flog zu Synanon aus, irgendwie gegen meinen eigenen Willen, sah aber grundsätzlich ein, dass ich etwas tun musste, weil ich mich als Drogensüchtiger nicht gut machte.

Es gibt einen Teil von mir, einen sehr großen Teil von mir, der ist immer maskierter Schmerz. Habe mich nie zu ihm bekannt. Dafür gab es für mich keinen Ort. Es gab Schmerz in meiner Familie, der wurde aber nie gezeigt.

Mein Vater, er arbeitete jahrelang für die Stadt. Er war bei der Müllabfuhr, und wir haben nie eine Mahlzeit ausgelassen. Wir waren nicht arm. Ich hatte jeden Tag zu essen, drei Mahlzeiten am Tag, Kleider am Leib, gute Klamotten. Wir hatten ein Auto draußen. Am Wochenende gingen wir fischen, manchmal jagen. Wir hatten Weihnachten mit Weihnachtsbäumen und Geschenken unter dem Baum und Ostern mit Eiern. Aber mein Vater hatte seine eigenen Rassismus-Anfälle, die ihn böse, sehr böse werden ließen.

Als kleines Kind, erinnere ich mich, war ich wirklich verworren. Mein Vater ist Kastilianer, meine Mutter ist eine Cajun. Aber wegen meiner Hautfarbe wurde ich abgestempelt. Niemand hat mir das je direkt gesagt, aber ich hab`das geglaubt. Der Rest der Familie reflektiert das viel mehr als ich. Sie haben sehr helles gerades Haar.

Wir gingen auf die katholische Schule und trugen Uniformen, und mussten  buchstäblich über die Gleise zur Schule gehen. In die Schule zu gelangen war jeden Tag eine anstrengende Aufgabe. Jeden Tag schlugen sie meine Schwester und meinen Bruder und wälzten sie im Schlamm, und mich traten sie. Die Botschaft war: "Du bist nicht wie einer von uns. Du bist anders. Hier hast du, was wir mit Leuten machen, die anders sind. Schlagen dich grün und blau." Als sie auf uns einschlugen, schwor ich mir, dass sie mich nie zum Heulen bringen würden, nie. Ich glaubte nicht, dass es für mich einen Platz gab, aber ich musste nach außen hin stark sein.

 Zu der Zeit, als ich zu Synanon in Kaliornien flog, war ich keiner, der viel Optimismus hatte, wohin ich gehen könnte und was ich machen könnte. Die Botschaften, die ich damals hörte, waren, dass Schwarze Detroit nie verlassen, dass Schwarze nie etwas sein können, dass Schwarze nie etwas anstreben können. Bei so vielen Treffern gegen mich - oder wenigstens glaubte ich das - schwarz, aus Detroit, hat Drogen genommen, schien es das Ende der Welt zu sein. An dem Punkt konnte ich kaum Englisch, um ehrlich zu Ihnen zu sein....

Die Leute bei Synanon kümmerten sich um mich. Ich wäre gestorben, hätte ich weiterhin Drogen genommen. Sie gaben mir Hoffnung, wovon ich nicht viel hatte. Sie gaben mir das Gefühl dazuzugehören. Sie gaben mir das Gefühl, dass ich wichtig bin, dass ich nicht einfach wertlos bin, dass ich einen Fehler gemacht hatte, es immer ein Morgen gibt, wenn man einen Fuß vor den anderen setzt. Über einen gewissen Zeitraum bewiesen sie mir das, und zwar einfach durch die verschiedenen Jobs und Bildungsstufen, die ich erreichte. Gaben mir Hoffnung, dass ich alles tun konnte, was ich wollte. Es war 1974. Ich ging zu der Einrichtung da in Oakland. Es war ein riesengroßer Ort, viele Stockwerke hoch. Es war wunderschön, einer der gepflegtesten Orte, die ich je in meinem Leben gesehen hatte, in gewisser Hinsicht sehr ähnlich den Kirchen, die ich besuchte. Große Statuen und Bilder, die mir damals nichts bedeuteten, aber später dann lernte ich, wer sie waren, was sie repräsentierten, und die Notwendigkeit, solche Redewendungen, Namen und Gesichter um sich zu haben.

Ich hatte sofort ein Interview, wo sie mich im Grunde hinauswarfen, weil ich nichts sagte. Als ich aufstand und gehen wollte, setzten sie mich wieder hin und sagten mir, wie widerlich ich war. Sie beschlossen, mich hierzubehalten. Rasierten mir alle Haare ab. Ich hatte zu der Zeit einen massiven Afro. Ich war sehr klein. Ich wog etwa 103 Pfund. Sah so ungefähr aus wie eine schmutzige Klobürste.

Ich wurde an einen Ort namens Tomales Bay in Nordkalifornien versetzt und ging in das sogenannte "Ausbildungslager." Es waren militärische erste Monate, in denen du die Grundlagen von Hygiene und von Standards lernst, und du lernst, wie man das Spiel spielt. So hat man es dort genannt, "das Spiel." Es war eine Selbsterfahrungsgruppe, eine sehr laute und feindliche Encounter Group, wo du als 'Haufen' verwendet wirst und wo du dir deinen Weg durch die Rangordnung erarbeitest.

Der erste wirkliche Job, den ich hatte, ich überholte alte Armee-PT-Boote. Ich arbeitete mit einem Kerl, der Tim hieß. Wir lackierten das Holz, setzten Glassstücke ein. Er war Handwerksmeister; wir ließen das Boot zu Wasser und fuhren damit zum Fischen. Dann bekam ich einen Job als Bäcker und führte etwa ein Jahr lang die Bäckerei, was ein ziemlicher Spaß war, denn wer hätte gedacht, dass ich je irgendwas backen würde.

Synanon hatte damals einen Punkt erreicht, an dem die Organisation sehr schnell zu wachsen begann. Von überall her kam Geld. Damals wusste ich nicht, woher dieses Geld kam. Aber es schien, als sei dieses riesige, einige Acres große Küchengebäude über Nacht bei Tomales errichtet worden. Man nannte es die "Mutterküche." Dieses Gebäude beflügelte die ganze Glatzkopf-Idee.

Chuck Dederichs Sohn war der Hauptarchitekt, der Konstruktionschef. Die Burschen, die diesen Ort bauten, setzten einen Stahlträger so, dass er genau durch die Mitte des zweiten Stocks lief, und wenn du quer durchgelaufen bist und warst ein wenig größer als fünf Fuß, dann hast du dir so ungefähr auf Nasenhöhe selbst eine gescheuert. Die Methode, mit der sie dagegen vorgehen wollten, war, dass sie diesen Punkt mit Gummi umwickelten, so dass dein Kopf abprallte, wenn du dagegen gestoßen bist.

Als Chuck Dederich heraufkam und es sah, sagte er, und das ist wortgetreu: " Alle, die irgendwas damit zu tun hatten, müssen sich den Kopf rasieren lassen." Und das ganze Konstruktions-Team marschierte ab zur Kopfrasur. Er sagte "Die Verantwortung liegt bei jedem Mann," und jeder Mann rasierte sich den Kopf - jeder, der irgendwo im Lande irgendwas mit Synanon zu tun hatte. Dann wandte er sich an Betty Dederich, seine Mutter, die zu der Zeit noch lebte, und fragte: "Was werden die Frauen tun?" Und Betty sagte "Ich weiß, was ich tun werde," und sie rasierte sich den Kopf. Dann versammelte sie alle Frauen und gab dieselbe Erklärung ab, dass es nicht nur die Männer sind, die Verantwortung übernehmen müssen.

Das musste die erste fürchterliche Sache gewesen sein, die ich dort erlebte. Einfach diese Masse von Leuten zu beobachten......zu der Zeit waren gut über tausend Leute an diesem Ort  mit eingebunden. Es schien sehr merkwürdig, dass sich die ganzen Leute, die ganzen Frauen einfach alle Haare abschnitten. Ich erinnere mich an das Tanzen hinterher. Es war irgenwie gruselig. Aber mein einziges Problem damals war - weil ich noch sehr damit beschäftigt war, nie mehr Drogen zu nehmen - meinen Kopf warm zu halten, denn meine Haare würden wieder wachsen.

Gegen Ende 1976 starb Betty Dederich an Krebs. Alle hörten mit allem auf, und es wurden diese großen ehrerbietigen Zeremonien abgehalten, wo die Leute im Kreis saßen und redeten und über ihre Erlebnisse mit der Lady nachdachten und über deren Auffassung redeten, ihr Leben zu feiern, anstatt ihren Tod zu betrauern, was sie dann taten.

Nach Bettys Tod bekam ich eine Vasektomie. Ich war die neueste Person bei Synanon, die eine Vasektomie bekam, aber nicht die jüngste. Es gab Achtzehnjährige, die Vasektomien bekamen. Die Rhetorik lautete, dass es schon zu viele Kinder auf der Welt gab, um die sich niemand kümmert. Wir könnten großen Einfluss auf die Welt haben, indem wir uns um die Kinder der Welt kümmern würden. Ich glaubte an diese Gründe, ich glaube wirklich daran, und ich glaube, dass ist mit ein Grund, warum es mich so traurig macht, wenn ich sehe, was später geschah.

Anschließend zog ich von der Ranch in Tomales Bay hinunter nach Badger Strip, wo wir gerade den Flugplatz gebaut hatten. Ich fing an, mit Flugzeugen zu arbeiten. Ich kümmerte mich auch zusammen mit einer Crew von Jungs, die so lange wie ich hier waren, um die Einsätze der Neuankömmlinge. Ich wurde laufend in Positionen eingesetzt, wo ich der aufstrebende Kerl war, der "Schrittmacher." Es gab da alle diese Worte, die wir immer für Jungs benutzten, die enthusiastisch und fanatisch gerne an diesem Ort waren. Die Rhetorik konnte ich sehr leicht anordnen, obgleich ich nie ein Wort davon verstand, und ich nahm an, solange ich dort blieb, war ich okay; es gab keine Drogen in meiner Nähe, keine Arbeitslosigkeit, kein Verbrechen, also war alles in Ordnung mit mir. Großartiger Ort. Lachen, Musik. Am Anfang war es eine große Wohltat. Ein wundervolles Programm.

Damals war ungefähr der Zeitpunkt, an dem die Anweisung erteilt wurde, dass alle Verheirateten ihre Partner tauschen sollten. Und sie haben es gemacht: der Vorstand, die ganzen höheren Ränge. Es gab diesen Begriff der "Liebeswettspiele," eine Möglichkeit für Paare, zusammenzukommen. Du hattest eine Liebeswettspiel-Zeremonie, durch die die Angelegenheit vom Rest der Gemeinschaft anerkannt wurde, und du bekamst ein Zertifikat, das besagte, dass du verheiratet warst. Eine Abmachung lautete, dass du nach drei Jahren deine Partnerin eintauschen konntest. Alles darunter hätte dich der Lächerlichkeit ausgesetzt und du wärst verbannt worden.

Ich bin durch das Liebeswettspiel mit meiner Freundin zusammengekommen, es war ziemlich schön, die erste gesunde Beziehung, die ich je gehabt hatte. Wir hatten Spaß; wir waren einfach ein junges Paar.

Als es für uns Zeit war, die Partner zu wechseln, kamen sie in unser Zimmer und sagten zu ihr: " Du bist jetzt mit einem Burschen zusammen, der Gary heißt." Und mir sagten sie: "Und wir schicken dir Roxanne hoch, die mit dir zusammen sein soll." Ich war jung und dachte "Toll, was für eine großartige Idee." Ich sagte: "Seh dich, Chris."

Chris haute ab und herein kam diese Frau, die gewaltig war. Ich sagte: "Warte eine Minute. Das ist kein guter Handel." Ich sagte so ziemlich, dass ich daran nicht interessiert war. Später wurde ich aufgeweckt und in einen Raum gebracht, und man sagte mir wortwörtlich: "Diese neue Beziehung, cherish or perish, liebe sie oder krepiere. Das sind deine Optionen."

Der Gründer predigte, dass du den Mensch, mit dem du zusammen bist, nicht lieben musst. Ich musste mich um diese Frau kümmern und Liebe geschehen lassen, anstatt mich zu verlieben. Krepieren bedeutete, dass dein Leben beschwerlich werden konnte. Du konntest rausgeschmissen werden. Dir wurde gesagt, dass du da draußen nicht lange durchhalten würdest. Ich habe miterlebt, dass Leute zwei Jahre lang verhöhnt, gezüchtigt, geschlagen wurden; das betraf auch ältere Paare, die keinen Partnertausch wollten. Dieses eine Paar, das ungefähr vierzig Jahre zusammen gewesen war, blieb dort und überstand es. Der Kerl, der mir das Backen beibrachte, nahm seine Frau und sagte "Danke, aber uns reicht's jetzt" und verabschiedete sich.

Kurz nach der Partnertausch-Veranstaltung kam ihnen die Idee, dass die Leute jetzt endlich Zerstreuung brauchten, lange Gruppen, lange Spiele. Wir haben 110 Stunden am Stück durchgemacht. Was dabei vor sich ging, war, dass viel geschimpft und gescholten wurde.

Ich erinnere mich, wie ein Bursche in einer dieser Gruppen saß, und sie beschimpften ihn einfach und brüllten ihn an. Es überkam die Redner, und Aufzeichnungen wurden hereingebracht, und sie brüllten ihn an "aus Südkalifornien, aus Zentralkalifornien". Die Leute kamen herein und brüllten ihn an und brüllten ihn an. Dieser Bursche war schon lange Zeit da gewesen. Er war einer der Leute, die den Platz aufgebaut haben. Er hielt inne und sah zu Boden und steckte seinen Finger wie eine Pistole in den Mund und sagte zwei Stunden ununterbrochen: "Muss weg, muss weg..." Sie schafften es nicht, dass er damit Schluss machte. Drei Monate später hielt er seine Hand noch immer in Pistolen-Manier. Ich ging los und zog ihn an und gab ihm seine Medikamente, weil ich diesen Burschen wirklich mochte, dieser Bursche war ein guter Mann. Dann und wann stand er mitten in der Nacht auf, ging herum und stand da mit der Hand in Pistolenhaltung; ein paar Jahre ging das so. Wenn es sich je entspannte, war es, als sei er eingeschlafen, oder eine Art Sabbern.

Für viele Kerle, die schon lange Zeit da waren, für viele meiner wirklich engen Freunde war es wirklich des Guten zuviel, und sie brauchten noch Jahre danach Medikamente. Sie blieben bei Antidepressiva hängen. Ich meine, sie haben es völlig vergeigt.

Ich selbst? Als diese Gruppen und Spiele anfingen, war es eigenartig, weil ich nicht glaubte, irgendwas so ernst nehmen zu müssen. Der Stoff, über den sie redeten, das war wenig Stoff, Haarspalterei. Bis heute könnte ich Ihnen nicht sagen, um was es ging. Später haben wir noch einen Gruppenmarathon gemacht, eine 150-Stunden-Ausschweifung, wo ich dachte: "Was machen wir hier? Auf wie viele verschiedene Arten können wir dasselbe sagen?

Ich erinnere mich, dass wir nach einer dieser Ausschweifungen, die einige Tage dauerte, schlafen gingen und aufstanden, als sei nichts geschehen. Einige Jungs waren wie ich selbst oben, lagen auf diesem Balkon, der um diesen riesigen Raum herum verlief. Wir schauten durchs Geländer, und der Gründer kam herein. Er trug zwei Revolver bei sich. Er hatte einen Neuankömmling bei sich, dem er seine große silberne 357er Magnum gegeben hatte, die er an sein Bein gebunden trug. Er ging herein und fing zu lachen an. "Schaut euch meinen Sicherheitsdienst an," sagte er. Sie setzten sich und saßen da und spielten mit den Revolvern. Ich erinnere mich, dass ich mich aufrichtete und vom Geländer wegging, weil ich schon ein paar Mal angeschossen worden war.

Das war damals der Zeitpunkt, an dem sie begannen, die ganzen Schusswaffen zu kaufen, weil anscheinend fünfhundert betrunkene Iren unterwegs zu Synynon waren. Niemand hat je gewusst, von woher. Ich schätze, aus einer großen Kneipe. Das hat man uns gesagt: Fünfhundert betrunkene Iren hatten sich auf den Weg gemacht, und Synanon musste sich Waffen besorgen und sich schützen. Ich hatte nie so viele Revolver und Gewehre gesehen.

Eine andere Sache war, dass uns der ganze Zucker gesperrt wurde. Und alle mussten Kleie essen. Einmal mussten wir unseren Stuhlgang überprüfen. Wir aßen Hirse und kontrollierten dann unseren Stuhl, um zu sehen, wie unsere Zeit war, wie lange es dauerte, das zu verarbeiten, und so kontrollierten Tausende Leute ihren Stuhlgang. Wir machten diese Wiege-Prozeduren, wo die Idee war, so schlank wie nur möglich zu werden. Wir wurden nackt gewogen bei diesen Veranstaltungen, ungefähr vier- bis fünftausend Leute, Männer und Frauen, standen herum, aßen und tanzten und stellten sich auf die Waage und redeten über Moral. Mir fällt kein Wort ein, wie wohl mir dieses Zeug immer getan hat, aber ich war sehr jung, und es war toll, ja, wie eine Party.

Anschließend wurde ich nach Norden geschickt als stellvertretender Vorarbeiter auf Walker Creek, die Ranch in Tomales Bay. Es war das größte Synanon-Grundstück, und es hatte die meisten Kinder.

Etwa zur gleichen Zeit kam meine Mutter mit dem Flieger. Sie hatte genug gelesen, und meine Telefonate waren so kryptisch, dass sie hier heraus kam. Sie ging so ziemlich einfach auf das Grundstück und sagte: "Wo ist mein Sohn?" Wir saßen und redeten und gingen auf der Ranch umher, und sie sah alle diese kahlköpfigen Frauen, und sie sagte: "Ihr habt hier einen richtigen Zoo." Sie machte so was wie einen Augapfel-Check mit mir und nahm an, ich sei okay. Ich war nicht okay, was Drogen betraf, weil ich vermutete, wenn ich ging, würde ich wieder rückfällig. Ich wollte die Chance nicht nutzen, weil sie mich schon zu viel gekostet hatte.

Einige Leute taten sich zu etwas zusammen, das sie die Leute-Ranch nannten, die nur Leute beherbergte, die zur Tür hereinkamen, brandneue Leute, und das bezog Leute mit ein, die man Punk-Trupp nannte, Kinder zwischen acht und fünfzehn oder sechszehn Jahre alt. Es waren ungefähr sechzig Kinder, und ich arbeitete mit ihnen. Eine Menge Leute saßen herum und gaben diese hochtrabenden Ideen von sich, wie Kinder erzogen werden sollten, bedingungslose Liebe, der Unterschied zwischen Züchtigung und Gewalt, und so fort. Alle diese erhabenen Vorstellungen, und wir haben ein bettnässendes Kind....wie befassen wir uns damit mit diesen Vorstellungen? Es gab dort überall diese glamourösen Leute, die dort arbeiteten und eigentlich nichts taten, einfach nur glamourös waren.

Diese Kinder waren großartig, aber sie hatten Probleme. Große, große Probleme. Eltern, die drogensüchtig waren, ihre Kinder brutal schlugen, sie in Garagen einsperrten und dort ließen. Solche Sachen. Was können ein paar Leute machen mit sechzig Kindern mit dieser Art von Problemen? Bis du von einem Ende zum anderen kommst, ruft der letzte so was wie: "He, und ich?" Das war schwer zu betreuen. Aber es war eine großartige Erfahrung, einfach mit diesen Leuten zu arbeiten. Ich habe noch nie in meinem Leben so hart gearbeitet wie mit diesen Leuten, die Drogen- und Alkoholprobleme hatten. Interessanterweise verließen nach mir einige Kinder Synanon und wurden dadurch sehr geschädigt. Sie kehrten nie zu Drogen oder Alkohol zurück, weil das sowieso nicht ihre Sache war, aber sie hatten Ess-Störungen. Sie wurden bulimisch.

Sie nahmen mich dann und gaben mir an die zwölf neueren Leute, und wir zogen quer durchs Land. Wir fuhren direkt nach Detroit, wo ich einige Jahre zuvor angeschossen worden war. Im tiefsten Winter wurde ich ins Verkaufsteam eingewechselt. Man gab mir zwei Taschen, und ich musste die Straßen ablaufen und an Türen klopfen und Kugelschreiber und Bleistifte verkaufen. Ich hatte diesen brandneuen Jungen bei mir, etwa achtzehn Jahre alt, aus Wisconsin, hellrotes Haar und Sommersprossen, und da waren wir nun, mitten im Ghetto. Er und ich hatten einen guten Tag. Wir machten 2000 Dollar. Das war aber nichts Besonderes. Die machte ich regelmäßig. Wir hatten einen Lauf, und nichts konnte uns aufhalten. An dem Punkt war meine Art, über Synanon zu reden, sehr überzeugend, und meine Geschichte anzubieten bestätigte, dass es funktioniert. Ich fand, dass die meisten Leute irgendwie helfen wollen, wenn sie können.

Sie wollen etwas tun. Nun, das hier können Sie tun, sagten wir Ihnen. Es wurde zu einer fabrizierten Bullshit-Geschichte, die gebraucht und missbraucht wurde, um einfach immer mehr Geld zu bekommen, weil sie kurz danach aus dem Geschäft ausstiegen, sich um Leute zu kümmern, die Probleme mit Drogen und Alkohol hatten....

Jedenfalls war da dieser Kerl, dem eine Autolackiererei gehörte, und wir saßen da, redeten mit ihm, und er sagte: "Wollt ihr Jungs etwas trinken?" Wir hatten noch nicht zu Mittag gegessen. Wir waren so in Fahrt, dass wir am Mittagessen einfach vorbeigeflitzt waren. Ich sagte ja, und er brachte mir ein Sodawasser und goss es in ein Glas. Denken Sie daran, wir aßen keinen Zucker. Ich trank von dem Wasser, und ich sagte: "Ist da Zucker drin?" Und er sagte ja. Ich sagte: "Sorry, Zucker kann ich nicht haben." Ich gab es ihm zurück, und er schüttete es aus. Und dieser Junge, mit dem ich arbeitete, sagte: "Du hast Zuckerwasser getrunken, was machst du?" Ich sagte: "Ja, aber ich habe es ihm zurückgegeben." Er sagte: Ja, aber du hast Zucker getrunken. Das hättest du nicht tun sollen." Ich sagte: "Ich hab' es nicht gewusst." Er sagte: "Aber ich muss das jedenfalls sagen." "Weswegen musst du es sagen? Ich hab' nicht gewusst, dass es Zucker war." Er ging zurück und verriet mich.

Sie kamen und erwischten mich, etwa fünf von ihnen, und sie setzten mich hin, rasierten meinen Kopf. Zu der Zeit war ich mit diesem Mädchen zusammen, und sie schickten sie nach New York, und sie behielten mich hier. Ich saß in jedem "Spiel," wurde verprügelt. Ich erinnere mich, dass meine Mutter herkam, um mich zu besuchen, es war in 1978, sie hatte einen merkwürdigen Instinkt, aber sie ließen sie nicht zu mir.

Eine Weile landete ich in Manhattan. Vor und zurück zwischen Manhattan und Paramus, New Jersey. Ich hatte nie ein Auto. Zur Arbeit nahm ich die U-Bahn und stieg einfach aus und klapperte diese Plätze ab. Ich war noch immer gut, vielleicht 2.500 - 2.700 Dollar am Tag. Einige andere Kerle machten 20.000 - 40.000 Dollar alle zwei Tage. Du hast dich so klein gefühlt. Ich dachte immer: Könnte ich je gleichziehen und würde ich je gut genug sein?

Damals ungefähr passierte es, dass der Direktor aus der Sache ausstieg und nach Washington, D.C. abflog. Anscheinend hatte er ein krankes Herz. Er ging dann nach Formia in Italien, zusammen mit Ginny, seiner neuen Frau, die bei Synanon lange als Schullehrerin gearbeitet hatte. Ich erinnere mich nur noch an die eineinhalb Millionen Dollar Bargeld, um die er bat, bevor er abreiste, und sie hatten es und gaben es ihm. Er nahm viele seiner Lieblinge mit. Sie gingen in die Schweiz und nach Deutschland, eröffneten ein Konto und verwahrten dort viel Geld, kauften dort drüben Autos und Immobilien.

Ich fand das Sparbuch. Ich meldete es dem Vorstand. Einmal aß ich mit ihnen zu Mittag und zeigte es ihnen. Sie sagten, es seien alles Lügen. "Gib uns dieses Buch und zisch ab."

Ich glaube, der Grund, warum sie abreisten, war zum Teil, weil alle diese Gerichtsprozesse bevorstanden, und er musste außer Landes sein. Damals erreichte das Ereignis mit Paul Morantz seinen Höhepunkt, als dem Rechtsanwalt die Schlange in den Briefkasten gelegt wurde. Es gab andere kleine Verleumdungsklagen, KGO-Radio, weil sie Lee Harvey Oswalds Silhouette benutzten, wenn sie Synanon zeigten. Andere Fälle, von denen ich gehört hatte, in die ich aber nie wirklich verwickelt war. Und die Steuerbefreiung wurde damals in Frage gestellt.

Als die Schlange in den Briefkasten kam, mochte Chuck Dederich so etwas total: "Wir müssen uns schützen. Wir ergänzen die Welt, die Welt ergänzt uns nicht. Wir sind eine Ergänzung bei allem, was wir tun, und für alle Dinge, denen wir uns zuordnen." Er hatte etwas, das "Denk-Tisch" genannt wurde. Wo auch immer wir waren im Lande, waren sie auf Sendung, und wir konnten zuhören, wie es aus ihm heraussprudelte. Und es gab eine kleine Truppe, die als "Kaiserliche Marinesoldaten" bezeichnet wurde und damals zusammengestellt wurde. Die kaiserlichen Marines war fürwahr zu nichts zu gebrauchen, aber sie sahen furchteinflößend aus. Und er sagte wortwörtlich, als er zusammen mit einigen dieser Burschen an diesem Denktisch saß: "Jemand sollte ihm das Bein brechen." Diese zwei Burschen gingen los und nahmen es auf sich, dieses Ding in den Briefkasten dieses Kerls zu stopfen. Es war gefühllos, hirnlos. Mir wurde gesagt, sie wollten ihn bloß erschrecken.....einer von den Leuten, von denen sie glaubten, es getan zu haben, war nicht die Person, die es getan hat. Man verwechselt sie leicht, weil sie sich so ähnlich sehen.

Als sie aus Europa zurückkamen, gingen sie nach Lake Havasu in Arizona, Chuck und die ganze Gefolgschaft. Sie kauften ein Hotel auf, einige Wohnkomplexe, ein paar Häuser, Whirlpools, Swimmingpools, Spielhallen und ein Speisezimmer, in dem du tanzen konntest. Da fing die ganze Sauferei an. Chucks Rhetorik war, dass Synanon jetzt einundzwanzig Jahre alt war, und mit einundzwanzig probierst du deinen ersten Drink. Es hat viele Leben ruiniert, weil es den Grund ungültig erklärte, aus dem viele Leute ursprünglich überhaupt da waren. Die Vorstände luden Leute nach unten an den See ein, und sie feierten ihre Partys und mit ihnen ging auch ihre Moral zur Tür hinaus. Weil Männer mit den Frauen anderer Leute herumschlichen, gingen Beziehungen in die Brüche.

Später wurde der Hangar bei Badger Pass ausgehöhlt, dieser große Pool wurde eingesetzt, Tennisplätze, riesige Saufbehälter, Bierzapfhähne in jeder Ecke. Die Leute bekamen Trinklizenzen. Du wurdest in ein Zimmer gerufen, und man sagte dir, dass du Bier und Wein trinken konntest. "Vielen Dank," und du konntest Bier und Wein mit nach Hause nehmen. Falls du nicht gaga geworden bist, wenn du getrunken hast, bekamst du eine Lizenz für Hochprozentiges. Der Vizepräsident der Verkaufsleitung stand auf um acht Uhr morgens, betrunken, und hielt mit offenem Reißverschluss Reden. Es kam heraus, dass er auf alle möglichen Pillen war. So war alles irgendwie verloren. Ich habe beobachtet, dass viele gute Männer und Frauen abgebaut haben. Bis heute höre ich von ihnen. Sie sind einfach nicht mehr dieselben.
 

Das ist alles Zeug, das mir jetzt klar wird. Als ich dort war, konnte ich nicht darauf kommen. Es schien einfach okay. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich nicht das Gefühl, dass mir irgendein Leid zugefügt wurde, und ich dachte immer, wenn es schlecht lief wie in früheren Zeiten, als ich viel jünger war, würden die Leute damit Schluss machen und sagen: "Okay, hier haben wir einen Fehler gemacht. Unsere Aufgabe ist, uns um Leute mit Problemen zu kümmern. Besinnen wir uns wieder auf das Wesentliche."

Ich habe mehr als eine halbe Million Dollar Umsatz im Jahr mit dem Verkauf von Kugelschreibern und Bleistiften gemacht. Das war nichts. Ich war fünftletzter von sechzig Leuten. Wir wurden nicht bezahlt. Wir bekamen, was als WAM bezeichnet wurde, Walking Around Money, Geld zum Herumspazieren, vielleicht 30 Dollar im Monat. Ich glaube, das meiste, was ich je mit Synanon gemacht habe, waren 350 Dollar im Monat....die oberen Ränge gaben das Geld einfach für alles aus, wozu sie Lust und Laune hatten. Immobilien in Detroit, Santa Monica, Oakland, Tomales Bay, Seattle, ein Spielclub in New York, ein Anwesen in Houston.

Der Knackpunkt für mich war........wir wurden nicht bezahlt, und wir wussten von all den Unterm-Tisch-Zahlungen. Die Direktoren, die Verkaufsmanager, die Topverkäufer kamen herein und kassierten 10.000, 20.000, 30.000 Dollar. Sie hatten ihre Vorstands- und Börsen-Zulagen. 50.000 Dollar für Chuck, 10.000 Dollar für jeden der 100 Topleute, nachdem er Hearst wegen Beleidigung verklagt hatte und gewann.

Wir sahen, wie sehr wir uns abmühten, und es war nie gut genug. Wir fingen an, erfundene Anweisungen zu schreiben. Sie glaubten, es sei schrecklich ernst. Sie verfrachteten uns aus Houston hinaus; stellten mich an die Rollbahn mit einem Zeichen, das besagte: "Persona non grata."

Mit dem Mädchen, mit dem ich ging, war ich ungefähr drei Jahre zusammen gewesen, und wir wollten heiraten. Dederich schnappte sie sich und sagte: "Du solltest mit meinem Enkel zusammen sein." Und sie sagte okay. Ich sagte: "Willst du das machen?" "Ja, ich glaube, es ist für uns beide das Beste."

Ich wurde zurück nach Badger Pass geschickt. Ich wurde zum Arschloch gemacht, eine korrupte, niederträchtige Person, die falsche Anweisungen schrieb. Man sagte mir, dass ich ihre Familie ruinierte. Jedenfalls bekam ich die Nachricht. "Okay, ich bin nicht erwünscht." Ich war aufgebraucht. Es machte mich sehr, sehr traurig, weil ich damit zufrieden war, mein Leben mit Leuten zu verbringen, die Probleme hatten. Ich hatte mich immer ins Zeug gelegt und mein Bestes gegeben.

Als ich schließlich 1988 nach vierzehn Jahren wegging, hatte ich ungefähr 1.100 Dollar gespart, und sie wollten sie mir nicht geben. Die Drohung, wenn jemand gehen wollte, kam nie in der Form von "Wenn du gehst, werden wir dies oder das mit dir machen." Vielmehr: "Wenn du gehst, wirst du auf deinem Arsch landen, und das weißt du." Ich musste 40 Dollar nehmen, um an dem Tag, als ich fortging, den Hügel hinunterzukommen. Später stellten sie fest, dass mein Tagessatz für den letzten Tag nicht ausreichte. Wegen 40 Dollar schickten sie ihre großen Anwaltskanzleien hinter mir her. Alle die riesigen Diamantringe, mit denen diese Leute jetzt herumlaufen, habe ich bezahlt, indem ich in der Kälte von Tür zu Tür lief und verkaufte. Die Organisation wurde zu reich, zu autonom. Sie war selbstfinanziert. Sie hatte kein Führungsgremium, niemand, der bei ihr vorbeigeschaut hätte.

Das meiste davon wusste ich erst in meinem letzten oder letzten zwei Jahren. Ich war ein kleiner Mann. Warum habe ich nicht durchgeblickt? Es lässt sich schwer erklären. Es ist wie - beschreiben, was blau ist. Ich glaubte, dass ich ihnen eine Hilfe sein könnte. Vorher gab es keine große Verwendung für einen Kerl wie mich. Einige schienen mich sehr zu schätzen, und Menschen wollen anerkannt werden. Ich wurde dort wirklich jemand. Ich wurde ausgebildet, lernte Handwerkliches, lernte, wie man Englisch spricht.

Ich spüre eine ganz große Traurigkeit in mir. Es ist wie ein gebrochenes Herz, eine schiefgelaufene Beziehung. Meine Anwesenheit dort war wie eine misshandelte Frau. Du hoffst, es wird besser. Egal, wie schlimm es kommt, glaubst du: "Ich kann es ändern. Ich kann etwas bewirken. Es wird sich ändern."

Ich glaube, Chuck hatte anfangs eine ziemlich gute Idee. Ich glaubte, dass die Leute gesund werden konnten. Wenn du wie ich dort hinkamst und hörtest diese Sätze über diesen Mann - "Chuck sagte, Chuck sagte, Chuck sagte....." "Er gab mir mein Leben zurück." Das hast du gehört. "Er hat mich aus dem Bauch heraus ergriffen; er hat mich erzogen und schaut jetzt auf mich." Und du bist im Haus dieses Burschen, also nimmst du an, dass du dich mit dem Burschen befassen musst.  Wenn er vorbeikam, herrschte Totenstille. Du hast darauf gewartet, was er zu sagen hatte. Und du folgst der Führung, weil du keine Nachwirkungen haben willst.

Es muss beängstigend sein, diese Art von Bewunderung zu haben, so viele Leute zu haben, die an jedem deiner Worte hängen, auch wenn du etwas gesagt hast, von dem du weißt, dass es keinen Sinn macht. Es ist einfach blindes Vertrauen, völlig blindes Vertrauen. Wenn du so wenig Vertrauen in dich selbst hast, willst du an etwas glauben. Ich war verloren.  Etwas an mir war unvollständig.
 

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Hier ist eine Situation, wo jemand in eine soziale Struktur und in dieses Glaubenssystem eingeschlossen wurde, das diese Struktur viele Jahre lang begleitete. Er hat die offensichtlichen Widersprüche nicht durchschaut, obwohl sie direkt vor ihm lagen: Eine darauf ausgerichtete Gruppe, Leuten mit tiefsitzenden psychischen Problemen zu helfen, holte zu systematischen Schlägen gegen Mitglieder aus und zerstörte ihr Selbstvertrauen und ihr psychische Stabilität in ihren Marathon-Spielen; eine theoretisch demokratische Organisation, die faktisch eine Oligarchie war; eine gemeinnützige Gruppe, die Geld aufbrachte, um Leuten in Nöten zu helfen, verwendet das Geld, um sich zu bereichern; ein Behandlungszentrum für Alkohol- und Drogenmissbrauch, wo die Führer tranken und Drogen nahmen.

Was das beweist, ist, dass die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse alles andere besiegen und überwältigen kann. Dem Bedürfnis dieses Mannes nach Bestätigung, sein Bedürfnis, dazuzugehören,  als "wichtiges Mitglied" angesehen zu werden, wurde scheinbar entsprochen, und dabei wurde er blind für den Missbrauch, der sich abspielte. Ich habe es vorher schon gesagt; niemand kann über seine Bedürfnisse hinausschauen. Alle anderen irrelevanten Wahrnehmungen werden nebensächlich, wenn sich der Organismus auf Befriedigung konzentriert. Was Ron getan hat, war nichts anderes, als dem Überleben nachzugehen. Das erforderte, dass er aus Schmerz herausgeholt wurde, und zwar durch das Umfeld einer Selbsthilfegruppe, die ihm Unterstützung bot, wie er sie als Kind nie hatte.

Hier sieht man in einem Mikrokosmos, wie es für die Hitlers auf dieser Welt möglich ist, an die Macht zu kommen. Zuerst verspricht der Führer das Seelenheil (buchstäblich die emotionalen Wunden zu heilen). Und sobald der Anhänger eingehängt ist (wegen seiner tiefsitzenden Bedürfnisse an den Führer angehängt ist), erfolgt absolute Kontrolle zusammen mit ihrem Missbrauch.

Der Anhänger sucht nicht nach Freiheit oder Demokratie. Unbewusst sucht er sich einen faschistischen Führer, der jeden Aspekt seines Lebens kontrollieren wird, vom Geld bis zum Sex. Stellen Sie sich den natürlichen Instinkt eines Paares vor, Menschen, die seit etwa vierzig Jahren einander liebende Gefährten sind, und denen jetzt gesagt wird, dass sie einander verlassen und einen anderen Partner finden müssen, und zwar nicht aus irgendeinem Gefühl heraus sondern wegen eines Befehls, der der Laune eines uneingeschränkten Führers entspringt. Und das Paar protestiert kaum gegen die Zerstörung seiner emotionalen Bindung. Wie ist das möglich? Was bekommen sie als Gegenleistung? Symbolische Eltern und eine symbolische Familie. Bereitwillig geben sie wirkliche Liebe eines Ehepartners auf für die imaginäre Liebe eine scheinbaren Elternfigur (die dem realen, in den Organismus eingeprägten Bedürfnis entspricht). 

Das System erinnert sich, was am Lebensanfang zum Überleben nötig war, und das war die Liebe der Eltern. Die ist vorherrschend über jede gegenwärtige Liebe, weil die Einprägung immer angemessener ist als die Gegenwartssituation. Diese Leute versuchen nicht, jetzt Liebe zu bekommen, sie wollen die ursprüngliche von damals, und sie geben dafür alles auf: Besitz, Liebe und sogar ihr Leben, für den Anschein von Erfüllung seitens eines Elternersatzes. Diese symbolische Elternfigur bietet, wie die Eltern es getan hatten, Liebe an und stellt sie dann unter Bedingungen. Und die Bedingungen werden immer launischer und strenger - rasierte Köpfe, Vasektomien, Diätzwänge, die letztlich zu Ess-Störungen führen - abhängig von den unbefriedigten Bedürfnissen des Führers. Der Führer benutzt den Anhänger auf dieselbe Weise zur Schmerzunterdrückung, wie diese Person ihn benutzt. 
 

Nichtfühlende Leute, die früher den direkten Weg gegangen sind, um ihren Schmerz abzutöten, sind reif dafür, dass so etwas geschieht. Jetzt, da sie von den Drogen weg sind, müssen sie den Schmerz durch andere Mittel töten: Vater- und Mutterfiguren finden, eine "Familie" mit symbolischen Geschwistern, die einander in Schwung halten. Wenn sie weiterhin ihren Schmerz durch den Gebrauch von Drogen abtöten könnten, bräuchten sie vielleicht den Führer nicht so sehr.

Es tut nichts zur Sache, dass der Führer die Anhänger "Arschlöcher" nennt. Ebenso bedeutungslos ist, dass jemand ihren Selbstwert auf Null reduziert und sie losschickt, um an der Haustüre Kugelschreiber und Bleistifte zu verkaufen, und zwar für 30 Dollar im Monat plus Kost und Logis. Wichtig ist, dass sich jemand um sie kümmert, sich auf sie konzentriert, mit ihnen redet - weil so viele dieser Leute  Eltern hatten, die nie ein zivilisiertes Wort mit ihnen gesprochen haben oder sie nicht einmal anschauten. Als "Arschloch" bezeichnet zu werden ist ein kleiner Preis dafür, dass man "umsorgt" und durchs Leben "geführt" wird und Hoffnung bekommt. Ohnedies setzt die Art des Missbrauchs einfach fort, was die Anhänger schon als Kinder erlebt haben. Sie können jetzt ihre Vergangenheits-Einprägung in die Gegenwart einpassen und das Leben harmonisch scheinen lassen.

Der Junge, der auf Ron losgeht, weil der ein Erfrischungsgetränk zu sich genommen hat, Rons Freundin, die ihn aufgibt, weil der Führer ihr das befiehlt, die misshandelten Kinder, die bulimisch werden: Diese Opfer haben eindeutig den Kontakt  mit der einzigen Sache verloren, die ihnen helfen könnte - mit ihren Gefühlen. Weil sie nicht in sich selbst verankert sind, sind sie den Launen und Grillen anderer überlassen. Sie haben keinen inneren Bezugsrahmen, um zu sagen: "Das ist verrückt. Das ergibt keinen Sinn. Das ist unmenschlich." Sobald ihre Bezugspunkte außerhalb liegen, werden sie zum Gegenstand von Manipulation. Was wird manipuliert, und zwar immer?  Bedürfnisse und ihre frühe Nichtbefriedigung.
 
                                                                                                     
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Ein Teil der großen Anziehungskraft eines Kultführers auf seine Anhänger (und umgekehrt) hat mit der involvierten Interaktion in eigener Person zu tun. Im Gegensatz zu den Symbolbildern traditioneller Religionen ist der Guru leibhaftig präsent. Sie können mit ihm reden, und er hört Ihnen zu (obwohl meistens Sie zuhören).

Anstatt ihre Patienten/Anhänger deren alte Bedürfnisse fühlen zu lassen, so dass sie frei sein können, manövrieren charismatische Führer die archaischen Bedürfnisse ihrer Zielpersonen in kontrollierte Kanäle. Anfangs geben sie durch Freundlichkeit, Fürsorge, Schutz vor, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Charles Dederich und Jim Jones haben das gemacht; und ebenso Tony und Susan Alamo, als sie Leuten eine Heimat anboten, die sich auf den Straßen Hollywoods herumtrieben. Zuerst tun sie, was gute Eltern tun und hätten tun sollen - freundlich und besorgt handeln, Schutz gewähren. Sobald diese Bedürfnisse umgarnt sind, folgt die Kontrolle.

Der Anhänger hat diese archaischen Bedürfnisse nicht gefühlt. Andernfalls müsste er sie in der Gegenwart nicht ausagieren, wäre er kein so leichtes Ziel für Leute, die seine Verletzlichkeit ausbeuten.

Jede Gesellschaft, die ihren jungen Menschen beibringt, ihre Gefühle zu unterdrücken - durch Familienerziehung, Religion, Schule oder durch sozial-bestätigte Glaubenssuche - geht das Risiko ein, Legionen von Anhängern zu schaffen und eine Menge selbsternannter Führer, die bereit sind, sie zu manipulieren.

 

 

(21) Enriquez, Sam, "Is He a Prophet, Promoter or Profiteur? Ex-followers Recall Tony Alamo's Path as Harsh and Narrow." Los Angeles Times, 11. Juli 1993.

(22) Enriquez, Sam,  "Alamo Blames Woes on Satan in Government Garb,"  Los Angeles Times, 13. Juli 1993.

(23) Flippo, Chet, "Siege of the Alamos,"People, 13. Juni 1983.

(24) Enriquez, Sam, " Enriquez, Sam, "Is He a Prophet, Promoter or Profiteur?"  Los Angeles Times, 11. Juli 1993.

(25) The Associated Press, "Tony Alamo, Pastor Convicted on Sex Charges, Says He's 'One of the Prophets'  "   Times-Picayune, 13. Oktober 2009.

 

 

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