Von Peter Prontzos, ein Freund und Universitäts-Dozent
Isaac
Newton, einer der meistgefeierten
Wissenschaftler aller Zeiten, bemerkte einst, dass er weit sehen könne,
weil er „auf den Schultern von Riesen stehe.“ In gleicher Weise
verbindet Arthur Janovs Ansatz zur Psychotherapie, die Primärtherapie,
einige der wichtigsten Elemente seiner Vorgänger, während er eine
tiefere und vollständigere Theorie des Heilungsprozesses anbietet.
Das
wurde mir klar, als ich die zweite Ausgabe von Louis Cozolinos unschätzbarem
Buch The Neuroscience of Psychotherapy las.
Zum
Beispiel schreibt Cozolino, dass Freuds Psychoanalyse und die
psychodynamischen Therapieformen, die daraus entstanden sind, theoretische
Annahmen teilen, wie z. B. die Existenz des Unbewussten, die Macht früher
Kindheitserlebnisse und die Existenz von Abwehrmechanismen, welche die
Realität verzerren, um Angst zu reduzieren und bessere Bewältigung
zu gewährleisten.
Janov,
der ursprünglich zusammen mit Freudianern Ausbildung machte, praktizierte
konventionelle Psychotherapie, bis er durch seine Arbeit das entdeckte,
was er als „Urschmerz“ bezeichnete. Im Allgemeinen bezieht sich dieser
Begriff auf von Babys und Kindern erlebte Traumen, die so schmerzhaft
sind, dass die Verletzung vom Bewusstsein abgetrennt werden muss. In den
folgenden mehr als drei Jahrzehnten, hat er die Primärtherapie als
Methode ausgearbeitet, die es Patienten ermöglicht, die Verbindung zu
diesen Gefühlen herzustellen, damit Heilung erfolgen kann.
Im
Gegensatz zu Freuds Psychoanalyse und einigen modernen psychodynamischen
Methoden interpretieren oder erklären Primärtherapeuten jedoch nicht dem
Patienten, was er oder sie ihrer Ansicht nach „wirklich“ fühlt.
Sie
bieten weder „Einsichten“ an noch spekulieren sie über die Ursache
des Traumas, und sie würden nie verlangen, dass der Patient etwas Künstliches
macht wie übertriebenes Atmen oder Schauspielen.
Janov
behauptet, dass Patienten anstatt solcher willkürlicher Praktiken ihre
eigenen spezifischen Wahrheiten für sich selbst entdecken müssen, wobei
der Therapeut als fachlich erfahrener und einfühlsamer „Zeuge“ agiert.
Pionier dieser „klientenzentrierten Therapie“ war Carl Rogers in den
1960er Jahren. Wie Cozolino erklärt: „Rogers legte Wert auf die
Schaffung einer Beziehung, welche die Chance des Individuums auf
Selbstentdeckung maximierte.“
In
derselben Art beendet ein Primärtherapeut eine Sitzung nicht nach 50
Minuten oder nach einem anderen künstlichen Zeitlimit. Der Patient hat so
viel Zeit wie er benötigt, und eine Sitzung dauert oft zwei Stunden oder
länger.
Eine
Sitzung beginnt gewöhnlich damit, dass man den
Patient ermutigt, Kontakt aufzunehmen mit dem, was er oder sie
gerade im Augenblick fühlt. Das ist der wirkliche „Königsweg zum
Unbewussten.“ Es kann eine Emotion sein, eine Erinnerung, ein Traum, ein
Lied im Kopf oder vielleicht eine körperliche Empfindung. Dieser körperliche
Brennpunkt wurde zuerst von Wilhelm Reich verwendet, der mit Freud
studiert hatte und der, wie Cozolino anmerkt, verstand,“dass Erinnerung
nicht nur im Gehirn sondern überall im Gesamtkörper gespeichert wird.“
Kurz
gesagt ist das Vertrauen, dass der Klient seinen eigenen Weg findet (mit
geeigneten Anregungen vom Therapeuten), nicht nur die zuverlässlichste
Methode, Zugang zu tiefen Gefühlen zu schaffen, sondern es ist – was
keine Überraschung ist- auch
unverzichtbar dafür, Vertrauen zwischen dem Klienten und Therapeuten
aufzubauen – ein Element, das wesentlich für die Entwicklung einer
Heilbeziehung ist. Während Janov der Ansicht nicht zustimmt, dass „das
heilende Element die therapeutische Beziehung an sich ist,“ betont er,
dass die Patienten das Gefühl haben müssen, dass sie sich in einer
sicheren, unterstützenden und verständnisvollen Beziehung befinden.
Diese
empathische Situation ist das Gegenteil der Situation, die bestand, als
der Schaden zugefügt wurde, und sie ermöglicht den Klienten, das Trauma
sicher wiederzuerleben – dieses Mal in kleinen Portionen, um eine
Neu-Traumatisierung zu vermeiden.
Wenn
alle diese Elemente gegeben sind, hat der Patient die beste Chance, die
heilende Verknüpfung zwischen dem bewussten Selbst und dem verdrängten
Schmerz herzustellen. Wenn man den alten Schmerz fühlt, kann es zum
Weinen, Faustschlagen, Zittern kommen – auch zum Zusammenrollen in eine
Fötalposition, wenn eine traumatische Geburt wiedererlebt wird. (Nachdem
der Gefühls-Neurowissenschaftler Jaak Panksepp Janovs Videoband
eines Patienten anschaute, der ein Geburtsprimal erlebte, stellte er fest,
dass solches Verhalten „nicht vorgetäuscht werden konnte.“ )
Janovs
Position ist, dass ein Therapeut dem Patienten - die meiste Zeit-
erlauben muss, so tief zu gehen, wie er oder sie gehen muss, um
eine volle Verknüpfung herzustellen (und er glaubt, dass zu viele
Therapien einen Patienten nicht voll in seinen/ihren Schmerz hinabsteigen
lassen). Nach einer tiefen Verknüpfung werden Patienten Einsicht haben,
warum sie sich so oder so gefühlt haben oder warum sie neurotisch
ausagiert haben. Es bedarf vieler Sitzungen, bevor genug Schmerz
freigesetzt worden ist, so dass man nicht mehr von alten Gefühlen
getrieben wird.
Wie
Cozolino behauptet Janov, dass der „Primärbrennpunkt der Psychotherapie
anscheinend die Affektintegration in all ihren Formen ist, mit vollem
Bewusstsein und voller Kognition.“ (Nicht unerwartet behauptet Janov,
dass sich kognitive Verhaltenstherapie nur mit Symptomen – Gedanken –
befasst, während sie die Ursache – vergrabene Emotionen -
übersieht. Gedanken sind einer der gebräuchlichsten
Abwehrmechanismen gegen das Fühlen von Schmerz).
Mit
der Zeit führt diese „Affektintegration“ zu
erhöhter neuraler Integration und zu gesteigertem
Informationsfluss, wie Daniel Siegel bemerkt. Die Heilung ist nicht nur
psychisch – Neuroplastizität bedeutet, dass es physische Änderungen an
der Gehirnarchitektur selbst geben wird.
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Übersetzung:
Ferdinand Wagner