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Kapitel 11 Du stirbst, wie du geboren wurdest
Der
Tod besteht nicht nur als Erinnerung im Nervensystem fort, sondern Selbstmörder
wählen auch oft eine Methode, die den Prototyp ihrer Geburtserfahrungen
widerspiegelt. So hängen sich Leute auf, die von der Nabelschnur stranguliert
wurden, oder jemand, der oder die bei der Geburt betäubt wurde, entscheidet
sich für eine Überdosis Tabletten. Warum? Wegen des Prototyps. Für ein
Neugeborenes, das von der Nabelschnur stranguliert wurde, hätte weitere
Strangulierung die Agonie beendet. Wer bei der Geburt in amniotischer Flüssigkeit
zu ertrinken drohte, wählt den Tod durch Ertrinken. Ein Fallbeispiel: Der Autor
und Schauspieler Spalding Gray war ein Leben lang vom Ertrinken besessen. Er
schwamm immer so weit er nur konnte aufs Meer hinaus, bis zum Punkt der Erschöpfung,
und kämpfte und mühte sich dann, es zurück zu schaffen. Er brachte sich um,
indem er mitten in der Nacht von der Staten-Island-Fähre sprang. Sein
Selbstmord spiegelte seine Geburt wider, und er starb, wie er geboren wurde. Was
tatsächlich bei jedem Fall großen Stresses ins Spiel kommt, ist der
Resonanzfaktor, der sich auf seinen Weg die Schmerzkette hinab begibt, so dass
sich das ursprüngliche Geburtstrauma in späteres Verhalten einbringt. Wir
spulen wieder die Originalsequenz ab. Im Fall von Spalding Gray stelle ich die
Hypothese auf, dass er bei der Geburt vielleicht zu ertrinken drohte und das
Ende der Originalsequenz der Ertrinkungstod wäre. Gray hatte einige Zeit vor
seinem Selbstmord eine gräßlichen Autounfall, und ich glaube, dass dieses hohe
Schmerzniveau auch die ursprüngliche Agonie auslöste, die zu seinem Tod führte.
Das soll den Schmerz in der Gegenwart nicht herunterspielen; manchmal ist er
durchaus verheerend und kann ein suizidales Niveau erreichen. Aber es ist die
Zugabe frühen Schmerzes, die einen Menschen oft zu einem Selbstmordversuch
treiben kann.
Leute,
die bei der Geburt eine massive Dosis Anästhesie abbekamen, nehmen vielleicht
eine Überdosis Barbiturate oder vergasen sich in ihrer Garage. Und so fort. Das
ist natürlich nicht immer der Fall, aber wir stoßen oft darauf, wenn wir mit
unseren Patienten reden und sie beobachten. Ich erinnere mich an einen
Patienten, der sich einen Dynamit-Vorrat zulegte; nachdem er bei der Geburt
Anoxie erlebt hatte, wollte er sich eine Stange an seinen Kopf halten und ihn
wegblasen, so dass er keine Sekunde lang Schmerz und Hoffnungslosigkeit fühlen
müsste. Er lacht jetzt darüber, aber damals erzählte es Bände über seine
Verzweiflung. Eine andere Patientin war davon besessen, von einem Gebäude zu
springen. Während ihrer Kaiserschnitt-Geburt hatte diese Frau das Gefühl, in
der Luft zu hängen und sich nirgends festhalten zu können. Ein anderer
Patient, der bei der Geburt gestoßen und gequetscht wurde, hatte den
Zwangsgedanken, sich mit dem Kopf voran von einer Brücke zu stürzen.
Der
obige Fall zeigt wieder, dass sich Patienten auf dieselbe Weise umbringen
wollen, wie sie bei der Geburt gestorben wären. Wenn Sie eine Vorstellung von
Ihrer Geburt bekommen wollen, sehen Sie sich Ihr Sexleben an. Wenn Sie
herausfinden wollen, wie das zukünftige Sexleben eines Kindes aussieht, schauen
Sie auf seine Geburt. Wenn Sie also Ihr eigenes Sexmuster voraussagen wollen,
sehen Sie sich Ihre Geburt genau an. Sie ist äußerst aufschlussreich. Wenn Sie
etwas über den Ursprung Ihrer Depression erfahren wollen, überprüfen Sie Ihre
Geburt. Wenn Sie Ihre Geburt überprüfen, finden Sie mögliche Hinweise, um spätere
Depression vorauszusagen. Und wenn wir etwas über unsere Geburt und die Zeit
davor erfahren wollen, müssen wir unsere Depression erforschen und uns in sie
vertiefen. Was schließlich herauskommt, sind die Geheimnisse unseres
Lebensanfangs.
Kürzlich
führte ich eine formlose Umfrage durch, in der ich meine Patienten über ihre
Selbstmordversuche oder ihre Fantasien bezüglich der Selbstmordart befragte.
Die Parasympathen wählten fast ausnahmslos den passiven Ausweg –
Schlaftabletten. Sie zogen es vor, auf einen langsamen, sicheren Tod zu warten.
Es waren auch ausnahmslos diejenigen, die bei der Geburt betäubt worden waren.
Übrigens würden es die am schwersten Betäubten vorziehen, sich bei laufendem
Motor auf den Rücksitz eines Autos zu legen und sich von den Abgasen in den Tod
befördern zu lassen. Eine andere Patientin, die im frostkalten Winter in Europa
zuhause geboren wurde, wo es wenig warm war, zog es vor, in den Schnee
hinauszugehen und zu erfrieren. Sie hörte, dass sei der friedvollste Weg aus
dem Leben.
Im
Gegensatz dazu wählten die Sympathen die aktivste Todesart: eine Kugel in den
Kopf. Einer sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, herumzusitzen und auf den
Tod zu warten wie diejenigen, die im Auto sitzen.“ Ein anderer Sympath sagte,
dass Ertrinken zu lange dauere und die Erwartung zu viel Schrecken mit sich
bringe: „Ich ziehe es vor, vor einen Zug zu springen. Es ist schnell und
sicher.“ Bei der Geburt wurde er völlig „demoliert“, erlitt körperlichen
Totalschaden, als er sich wand und drehte, um herauszukommen. Er weiß, dass es
externe Rotation gab, weil er sich in der falschen Lage „präsentierte“ und
neu ausgerichtet werden musste. Beide Sympathen wollten sich den Kopf mit einer
Schrotflinte wegblasen, so dass es kein Warten sondern eine große Sauerei geben
würde.
Das
Erstaunliche bei allen diesen Leuten ist, dass sie feste Vorstellungen von ihrem
Suizid hatten, die sich in ihren Geburten widerspiegelten, und sie zogen nie
eine andere Art zu sterben in Erwägung.
Warum
trifft das zu? Weil beim ersten und wichtigsten Mal, als das Baby dem Tod nah
kam, er oder sie dennoch überlebten, und zwar durch eine Überlebensstrategie,
die sie damals anwandten, durch Passivität oder Aggressivität. Die Formel
sieht so aus: Als es gegen Ende des Traumas Erleichterung von dem Gefühl
der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit gab, ergab sich die Erkenntnis, dass
man leben wird. Aber der Mensch wird das Trauma im Leben immer wieder neu
erschaffen, da er noch immer versucht, es zu meistern. Bei einigen Patienten
trat das Gefühl auf, dass sie wieder anästhetisiert werden müssten (indem sie
Schlaftabletten nahmen), um leben zu können. In den meisten Fällen geht der
Versuch nicht dahin zu sterben, sondern zu leben. Man muss jedoch dem Tod
nahekommen.
Eine
Patientin, deren Geburt ein gewaltiger Kampf ums Herauskommen war und die damals
in Flüssigkeit zu ertrinken drohte, hatte den Wunsch, bei schwerem Wellengang
ins Meer zu gehen, gegen alle Widrigkeiten anzukämpfen und dann in den
Ertrinkungstod zu gleiten. Sie suchte nach Betäubung, aber irgendwie war sie
gezwungen, zuerst lange Zeit zu kämpfen; das Betäubungsgefühl sollte erst
danach kommen. Es kam ihr nie in den Sinn, einfach Tabletten zu nehmen und sich
zu betäuben. Ich sollte hier hinzufügen, dass viele Patienten, die ihre Geburt
wiedererleben, tatsächlich Unmengen an Flüssigkeit hochbringen und zu
ertrinken scheinen.
Natürlich
spielen auch Gelegenheiten, Lebensumstände und kulturelle Sitten eine Rolle bei
der Frage, welchen Weg aus dem Leben jemand nimmt. In Japan ist es vielleicht
Selbstmord mit einem Dolch, den sich jemand in den Bauch stößt. Aber wir haben
herausgefunden, dass es im Allgemeinen zutrifft, dass Leute beim Selbstmord so
sterben, wie sie geboren wurden. Man stirbt auf die Art und Weise, wie man
gestorben wäre, wenn das Geburtstrauma tödlich verlaufen wäre.
Aber
bedenken Sie, dass es nicht nur das Geburtstrauma ist, dass den Selbstmord
verursacht. Wenn man in der Kindheit nicht geliebt wird, verschlimmert und verstärkt
das suizidale Tendenzen, die vielleicht bereits existieren. Eine suizidale Frau
hatte den ständigen Impuls, sich einen Revolver in den Mund zu stecken und sich
auf diese Weise zu töten. Sie hatte eine ziemlich normale Geburt, war aber in
sehr jungem Alter oral vergewaltigt worden. Das Trauma wurde eingeprägt und
verfolgte sie ihr ganzes Leben lang.
Andere
hatten ähnliche Neigungen. Einer unserer Patienten zum Beispiel behauptet, dass
ihm seine Eltern von früh auf den Mund mit Seife auswuschen, wenn er ein
„schmutziges Wort“ von sich gegeben hatte. Das Trauma betraf seinen Mund,
und der Weg aus dem Leben sollte über den Mund erfolgen. Genau auf diese Weise
wollte er sich selbst bestrafen. Er hörte schon sehr früh im Leben auf, sich
mit Worten zu äußern. Der Revolver sollte sagen, was er nie zu sagen wagte:
„Ich bin schlecht, wertlos, mein Leben ist nicht lebenswert.“ Alle, die je
eine Selbstmordfantasie hatten und sich noch erinnern, was sie war oder ist,
haben eine ziemlich gute Vorstellung davon, welche Traumen ihnen bei oder um die
Zeit der Geburt widerfuhren.
Andre
Ich habe
vielleicht 10 Mal im Monat suizidale Anwandlungen, wobei ich das Gefühl habe,
das Beste für mich sei, „jetzt“ zu sterben. Ich verbinde schwere Depression
immer mit suizidalen Gedanken. Das Leben hat keinen Sinn mehr, und wenn der
Druck intensiv wird, fühle ich nichts; es ist einfach Leiden. Ich möchte mich
einfach zu Tode schlafen (Kurzfristig ist
Schlaf eine Art Tod), oder dass
mir jemand einfach die Augen schließt, so dass ich tot bin. Oft hoffe ich, dass
jemand die letzte Energie aus mir heraussaugt. Dann bin ich frei. Die letzte
Energie hält mich am Leben. Ich bin zu feige, um von einer Brücke zu springen
oder mich zu erschießen. Ich möchte so passiv sterben, wie ich nur kann; einfach
verschwinden. Ich handle so. Ich war und bin so. Die Leute behandeln mich, als
würde ich nicht existieren. Meine Eltern behandelten mich so, und jetzt will ich
nicht mehr leben, außer ich weiß, dass die Therapie allmählich diese Gefühle
wegnimmt.
Fabio
Bei
meinem ersten Selbstmordversuch war ich 17. Es geschah ganz plötzlich, als
meine Freundin mir sagte, dass unsere Beziehung vorbei sei. Ich war „verrückt“
nach ihr und befand mich in einer chancenlosen Beziehung, wo sie von einem
Jungen verwirrt war, den sie schon hatte! Auch meine Eltern steckten in einer
chancenlosen Beziehung, die immer schlechter wurde; sie verließen einander und
stritten sich die ganze Zeit.
In
meiner Familie drohte immer der Selbstmord. Es fing damit an, dass meine Mutter
eine große Menge Schlaftabletten nahm und ihrer Schwester einen Brief hinterließ,
in dem stand: „Bitte pass’ gut auf meine zwei Kinder auf. Ich kann mein
Leben so, wie es ist, nicht mehr ertragen.“ Mein Vater rannte die Tür ein und
fuhr sie im Bruchteil einer Sekunde in die Notaufnahme. Ich war 11 Jahre alt.
Von da an hatte ich sehr viel Angst, dass jemand in meinem Zimmer sein könnte.
Ich legte mein Ohr an die Tür, um auch das leiseste Geräusch zu hören.
Dann,
im Alter von 17, war ich an der Reihe, als dieses Mädchen mit mir Schluss
machte. Ich fühlte mich verlassen. Das war mehr Zurückweisung, als ich zu
dieser Zeit verkraften konnte. Später fand ich heraus, dass es mit einer frühen
Trennung von meiner Mutter in Verbindung stand. Ich nahm damals eine große
Menge Schlaftabletten. Das hatte mit meiner Geburt zu tun, weil meine Mutter während
der Wehen Beruhigungsmittel bekam. Ich schlitzte mir die Handgelenke auf, um den
extremen Schmerzzustand, in dem ich mich befand, zu zeigen und zu rechtfertigen.
Es sagte wirklich: „Was muss ich tun, damit du siehst, dass ich Hilfe
brauche?“ Ich schrieb dann die Worte „Ich liebe euch alle“ auf
meinen rechten Arm, damit meine Familie keine Schuldgefühle wegen meines
Selbstmords haben würde.
Der
Schmerz, den ich zeigen wollte, indem ich meine Handgelenke aufschlitzte, war
das größte verdrängte Ereignis meines Lebens, das Ereignis, das ich nicht
erkannte und niemandem erzählen konnte: Mein Onkel vergewaltigte mich vom Alter
von 4 bis 9. Er vergewaltigte auch meine Schwester. Ich war mir dieser
Vergewaltigung nicht bewusst, bis ich sie in der Therapie entdeckte. Ein
Ergebnis der Therapie ist, dass ich die Schmerzüberlastung von mir genommen
habe und mein Leben „normal“ leben kann. Ich denke jetzt nie an Selbstmord.
Alle Gefühle, die sich um den Selbstmord drehten, kamen plötzlich mit ihrer ganzen Intensität hoch, nachdem sie von einem schmerzvollen Ereignis ausgelöst worden waren. Ich wusste nie, was es war, aber es brachte mich schrecklich durcheinander. Hätte ich die Verlassenheits- und Zurückweisungsgefühle aus meiner Kindheit fühlen können, hätte ich leben können, obwohl mich meine Freundin verlassen hatte. Alles, was ich mit dem Selbstmord versuchen wollte, war, den Schmerz zu töten. Leider schloss mich das mit ein.
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Eines
der Schlüsselsymptome bei Depression ist Verwirrung. Wir haben entdeckt, dass
depressive Verwirrung von frühen Ereignissen stammen kann. Bei einem Fall kam
eine Patientin verwirrt in eine Sitzung; sie wusste nicht, was nicht stimmte,
was sie tun oder wie sie fortfahren sollte. Ihr verwirrter Zustand stammte aus
einer Geburtssequenz. Lassen Sie mich gleich klarstellen, dass ich mir das nicht
ausgedacht habe; die Patientin erlebte eine Steißgeburt wieder, bei der alles
schiefzulaufen schien. Davon wusste sie offensichtlich nichts. Es war lediglich
so, dass dieses Ereignis einen Verwirrungszustand einprägte, der die Dinge zu
klären schien, nachdem er wiedererlebt worden war. „Nach vier Monaten der
Verwirrung, in denen ich darauf wartete, dass mir mein Freund mitteilen würde,
wie er emotional zu mir steht, beschloss ich, einen Brief zu schreiben, der
unsere Beziehung beenden sollte. Ich kämpfte tagelang mit diesem Brief.
Mir war, als würde ich schrecklich kämpfen, um meine Verwirrung und mein
Leiden zu beenden. (Später fand ich heraus, dass ich um mein Leben kämpfte und
zu verstehen versuchte, was los war.) Ich schien nie zu verstehen, was los war.
Wenn ich zur Arbeit ging, überkam mich totale Verwirrung und Übelkeit. Ich
rannte ins Primal Center. Ich fing zu weinen an, wusste nicht, was ich tun oder
fühlen sollte. Es war totale Verwirrung. Ich hatte immer versucht, meinen
Freund dazu zu bringen, dass er alles ausknobelt. Ich möchte, dass er unsere
Situation analysiert und zu einem vernünftigen Schluss kommt. Dann weinte ich
wie eine 5-jährige. Ich war in der Schule und wartete darauf, dass meine Mutter
kommt. Sie vergaß, mich mitzunehmen, und ich war verwirrt. Sie war nie für
mich da, und ich habe nie verstanden warum. Dann glitt ich hinab zu einer
eigenartigen Geburt; alles war rückwärts und ein großes Durcheinander. Ich
konnte nichts verstehen. Durch die Anästhesie war ich völlig außer Gefecht
gesetzt und kam da wie besoffen raus. Mir war, als wüsste mein Körper nicht,
wohin er gehen oder was er tun sollte. Das alles verstärkte sich noch, weil
meine Eltern mir nie etwas erklärten. Ich spürte den Schrecken des Todes, als
die Geburt begann. Ich habe immer Führung gebraucht. Ich wollte sie von meinen
Eltern und dann von meinem Freund – dass er mir sagt, was wir mit
unserer Beziehung machen sollen. Zm ersten Mal in meinem Leben habe ich einen
klaren Kopf und kann beenden, was ich begonnen habe. Ich vermute, wer immer das
liest, wird denken, ich sei verrückt, aber sobald jemand das fühlt, was ich
gefühlt habe, denkt er oder sie das nicht mehr.“
Weil
die Einprägung so früh war und so tief im Gehirn weit unterhalb von
Gedankenprozessen aufgezeichnet wurde, ist klar, warum sie immer verwirrt war
und mit ihren Gedanken nichts herausfinden konnte. Sie war ständig im Griff des
präverbalen Gehirns, wo Worte und Gedanken nicht existierten. Wenn sie in
London eine Straße finden wollte und auf den Plan in der U-Bahn schaute,
war sie geistig völlig blockiert und konnte nicht herausfinden, wohin sie
fahren musste. Eine Möglichkeit, ihrer Verwirrtheit ein Ende zu setzten,
bestand darin, mit der Sinnsuche aufzuhören und etwas zu fühlen, dass keinen
Sinn hatte. Dann klärte sich ihr Verstand dialektisch. Sie hatte immer Freunde,
die ihr gegenüber ambivalent waren. Sie waren wie ihr Vater, der immer für
Chaos sorgte. Ihr Vater steckte finanziell immer in Nöten. Er trank, schrie und
handelte unvorhersehbar. Er war inkonsequent, und sie wusste nie, was von ihm zu
erwarten war. Ihr subtiles Ausagieren bestand darin, alles übertrieben ausführlich
zu erklären, so dass die Leute nicht verwirrt wären. „Vorher war ich jedes
Mal völlig verwirrt, wenn ich eine Entscheidung treffen musste, und wenn es
auch nur im Lebensmittelladen war. Ich wartete immer darauf, dass ein anderer
die Entscheidung treffen würde (sogar wenn es ums Bestellen im Restaurant
ging). Es war schrecklich, weil es immer die Entscheidung von anderen war, als
ob die mein Leben leben würden. Immer das zu tun versuchen, was andere wollen,
ist keine Lebensweise.“
Ihre Einsicht in
ihr Kontrollverhalten gegenüber Freunden lautete, dass die sie dadurch nicht mit
zu vielen Informationen füttern und sie somit nicht überwältigen würden. Es gab
tatsächlich Kindheitsprobleme, die bei ihrer Verwirrtheit eine Rolle spielten
(die Weigerung ihrer Eltern, sie zu führen), aber die Tendenz zur Verwirrtheit
bestand so lange, bis sie tiefen Zugang hatte. Was sie entdeckte, war, dass
Verwirrung keinen Sinn ergibt. Es gab das Gefühl. Was mit ihr geschah, ergab
keinen Sinn. Ihre Schlussfolgerung: „Vor dreißig Jahren hatte mich eine Droge,
die man meiner Mutter verabreichte, der Fähigkeit zu verstehen beraubt. Jetzt
ist mir alles so klar.“ Für sie lag die einzige Möglichkeit, die Verwirrung zu
beenden, darin, sie im Originalkontext zu fühlen, als alles begann. Wir wissen,
dass die stimulierenden Neurohormone, die Katecholamine, ihre Axone aus der
Tiefe des Hirnstamms (aus dem locus caeruleus) zum frontalen Kortex senden. Auf
diese Weise und auf andere können tief im Gehirn liegende Einprägungen
Denkprozesse beeinflussen. Eine andere Art, das auszudrücken, ist, dass
primitivere, ältere Hirnstrukturen sich auf die sich später entwickelnden,
komplexeren auswirken. Wenn wir sehen, wie sich Evolution entfaltet, lässt sich
leicht verstehen, wie alte tiefe Kindheitserinnerungen unser Verhalten als
Erwachsene beeinflusst. Umgekehrt blockieren bestimmte Beruhigungsmittel,
Chlorpromazin und andere Antipsychotika, die Katecholamin-Aktivität. Sie
beruhigen uns, indem sie alte Traumen und fehlende Liebe in der frühen Kindheit
zeitweise von unserem gegenwärtigen Verhalten und Denken abtrennen. Wir können
unsere Geschichte ignorieren und einfach weitermachen, aber wir können sie nicht
eliminieren. Beruhigungsmittel helfen uns dabei, unsere Geschichte zu
kontrollieren.
Reba
Wenn
ich in einer suizidalen Gemütsverfassung bin, ist der Gedanke, mich selbst
umzubringen, die Reaktion auf nahezu jeden Gedanken und jede Situation in meinem
Leben. Ich habe das Gefühl, dass es mich nicht gibt, nie gegeben hat und nie
geben wird. Das Leben ist Qual, ich kann es keinen Augenblick länger ertragen,
und es gibt keinen Grund, warum ich es sollte. Und es wird einfach alles immer
schlimmer. Weil mir das Schlimmste durch den Kopf geht, fällt es mir schwerer,
die einfachen Dinge zu tun, wie aufzustehen und zur Arbeit zu gehen (Ich reinige
Apartments). Ich liege auf den Betten der Leute und weine, möchte ihr ganzes
Geschirr auf dem Küchenboden zertrümmern, ihren Abfall ins Schwimmbecken
werfen, und ich kann nicht glauben, dass ich es nicht einfach tue und gehe,
zumal ich am nächsten Tag wahrscheinlich tot sein werde, und gewiss bevor ich
den Scheck bekomme, der mich für das bezahlt, was ich gerade mache.
Die
Abwärtsspirale bemächtigt sich meines Lebens, und ich kann keinen Ausweg
sehen, kann nicht erkennen, dass es noch etwas anderes geben könnte. Und was
ich tun muss, ist funktionieren und das Geld für die Therapie verdienen, die
entsetzlich ist. Es ist reine Qual, ohne Aussicht auf Erleichterung. Die einzige
Erleichterung ist der Tod. Ich möchte einfach verschwinden, wenn die Gefühle
stark sind. Einfach in den Sonnenuntergang fahren und aufhören zu sein,
schreiend mitten auf die Straße laufen und einfach dort bleiben, bis sie kommen
und mich wegbringen. Wo ist „weg?“ In meinen Träumen, es ist Vergessen; es
existiert nicht, und auch mich gibt es nicht.
Ich
weiß, dass alles, was ich tue, für mich das Falsche ist; es wird mir nicht
helfen, es wird mich einfach immer weiter von mir selbst wegbringen. Also muss
ich anhalten und umkehren; etwas ganz anderes machen, was ich nie zuvor gemacht
habe. Ich habe das Gefühl, dass ich mit allem, was ich tue und nicht tue,
anderen einfach beweisen will, dass ich am Leben bin, dass ich existiere. Und
wenn ich jemals leben soll, muss ich ganz damit aufhören, es für die anderen
zu tun, einschließlich zu atmen.
Als
ich dieses Paradox entdeckte, dass ich nur dann leben könnte, wenn ich aufhören
würde, für andere zu leben, und dass mir das nur gelänge, wenn ich sterben würde,
war ich mir sicher, dass ich mich umbringen würde. Ich machte mich auf, andere
davon zu überzeugen, dass es unvermeidlich sei, dass ich Selbstmord begehen
werde.
Ich
dachte, falls ich mich umbringen würde, dann wäre es mit Tabletten. Und ich würde
sicher gehen, genug davon zu nehmen, um zu sterben, weil der Gedanke, als
hirngeschädigte, unversicherte, illegale Fremde in einem amerikanischen
Krankenhaus aufzuwachen, absolut mehr war, als ich ertragen konnte.
Über
Selbstmord zu reden ist für mich wie um Hilfe bitten. Aber was ich wollte, war
jemand, dem ich vertraute – entweder einer meiner zwei Therapeuten oder mein
Ex-Freund – die sich bereit erklären würden, mich zu halten, wenn ich
sterbe. Dann hätte ich keine Angst und würde es nicht bereuen.
Ich
bin jetzt seit einiger Zeit nicht mehr suizidal, aber während ich das schreibe,
ist mir, als könnte einer von ihnen zu mir sagen: „Du hast Recht, es gibt
keine Hoffnung für dich, aber ich werde für dich da sein, wenn du stirbst, und
ich werde dich in meine Arme nehmen und dir sanft sagen, das alles in Ordnung
ist.“ Falls sie das zu mir sagen sollte, würde ich mich jetzt umbringen und
den Kampf aufgeben.
Ich
möchte einfach einschlafen und nicht jeden Morgen aufwachen und mich fragen,
warum ich noch lebe, zumal sich mein Leben wie ein grausamer Scherz anfühlt,
den jemand mit mir treibt. Ich bin mir nie sicher, warum ich aufwache, denn es
scheint, dass kein Leben, kein Lebenstrieb in mir ist. Ich bin eine leere Hülle,
und ich weiß nicht, was mich weitermachen lässt.
Meine
Selbstmordfantasien unterscheiden sich sehr von dem, was ich wirklich planen und
ausführen würde. In meinen eher verzweifelten, gewaltsamen Augenblicken möchte
ich mich mit einem sehr scharfen Messer ins Herz stechen, meine Handgelenke mit
Glas aufschlitzen, das ich selbst zerbrochen habe. Diese Methoden wären ein
befriedigenderer Ausdruck meines Schmerzes, aber sie erschrecken mich, und ich
weiß, dass ich sie nicht voll durchziehen könnte. Ich stelle mir vor, mir
meine Augen auszustechen und meinen Hals durchzuschneiden, so dass mein Kopf zu
Boden fällt.
Mir
ist nicht ganz klar, wie sich Gewaltfantasien auf meine Geburt beziehen. Ich
denke, es ist einfach ein Bedürfnis, meinen Schmerz auszudrücken. Bei meiner
Geburt wurde ich von der Nabelschnur gewürgt. Es war schmerzvoll, erschreckend,
und ich entschloss mich schließlich, den Kampf aufzugeben und auf den Tod zu
warten. Irgendwie haben sie mich lebend rausgekriegt. Aber ich hatte beschlossen
zu sterben, und das ist die Antwort, die sich mir aufdrängt, wann immer das
Leben mich überfordert. Ich entschied mich, einfach aufzugeben und erwartete
nie, aufzuwachen und noch zu leben. Ich musste mit meinen Bemühungen aufhören.
Hätte ich weitergekämpft, wäre ich bestimmt gestorben. Etwa eine Woche lang glaubte ich wirklich, dass ich mich sehr bald umbringen würde, wenn mir das Geld ausginge. An jenem Wochenende klammerte ich mich um mein liebes Leben an einer Felswand über einem Wasserfall fest, in den ich gesprungen war. Ein paar Jungs mussten mich retten. Hinterher erkennte ich, dass ich die ganze Zeit nicht ans Sterben dachte sondern ans Überleben, dass ich leben wollte. Es war ein Wendepunkt, an dem ich begriff, dass ich mich für das Leben entscheiden würde.
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Vivians Geburtstraum
Eine
andere Patientin von mir hatte eine Lebensgeschichte, die veranschaulichte, wie
die Ereignisse bei der Geburt und am Lebensanfang später die Art und Weise
beeinflussen können, wie sich jemand umbringt.
Vivian
wurde mitten im Winter in Polen geboren. Ihre tief verdrängende und asxuelle
Mutter konnte sich nicht öffnen. Das Baby signalisierte durch die Freisetzung
von Hormonen seine Bereitschaft, auf die Welt zu kommen. Die Mutter war jedoch für
diese Botschaft nicht empfänglich. Etwas in ihr kämpfte gegen das
Unvermeidliche. Das Neugeborene glitt mit offensichtlicher Leichtigkeit den
Geburtkanal hinab. Anstatt die Sequenz zu beenden und geboren zu werden steckte
Baby Vivian plötzlich fest und begann zu ersticken. Sie fing an zu sterben.
(Sie erlebte diese Primärerfahrung in einer Therapiesitzung wieder). Bei einer
letzten großen Anstrengung, mit der sie versuchte, geboren zu werden und Luft
zu bekommen, kämpfte sie mit jeder Faser ihres Seins. Ihr Überlebensinstinkt
nahm die Form einer enormen Wut an, die sie mit aller Macht vorwärtsdrängen
ließ. Anfangs scheiterte sie und konnte nicht hinaus, worauf sie mit noch mehr
Wut und Anstrengung reagierte, bis sie schließlich Erfolg hatte: Sie war
geboren. Von da an entwickelte Vivian ein totales Misstrauen gegenüber ihrer
Umwelt. Das artikulierte sich erst viele Jahre später, weil es eine
neurophysiologische Einprägung war, die ihren passenden Ausdruck im Alter von
20 fand. Aus dieser Erfahrung heraus entwickelte sie ein übermäßiges Bedürfnis
nach Freiheit, das später auf Unterdrückung im Elternhaus stieß. Nichts
sollte ihr im Weg stehen. Das führte zu ständigem Streit mit ihren
Eltern, und ihre Wutanfälle wurden immer bestraft. Es ist keine Überraschung,
dass sie in der Schule keine Disziplin akzeptieren konnte. Das Ergebnis waren
schlechte Noten. Für Vivian symbolisierte jedes Hindernis den Tod. Das erlebte
sie nicht bewusst sondern unbewusst. Dann heiratete sie einen strengen
Vorgesetzten, der ihr untersagte, nachts auszugehen, jeden ihrer Schritte überwachte
und sie genau beobachtete. Die Einprägung und die Kraft ihrer Geburt zwangen
sie, zwischen sich und ihrem Mann eine gewisse Distanz zu schaffen. Sie hatte
keine Ahnung, welche Kraft sie trieb.
Der
andere Aspekt ihrer Geburt, der ihr Verhalten beeinflusste, war, dass sie
davonlief, wenn sie das Gefühl hatte, irgendwo festzustecken, sei es im Beruf,
in Beziehungen oder sonstwo. Immer wenn sich ein Hindernis in den Weg stellte,
bekam sie eine Migräne (die von einer eingeprägten Erinnerung reduzierten
Sauerstoffs bei der Geburt herrührte). Ein weiterer Aspekt der Geburts-Einprägung
war die Hilflosigkeit und Einsamkeit, die sie ihr ganzes Leben lang fühlte.
Jeder Kampf war etwas, das sie aus eigener Kraft bewältigen musste, und dennoch
schien alles vergebens. Die Widrigkeiten schienen gewaltig. Ihre Mutter half ihr
nicht, auf die Welt zu kommen, und aus dieser Erfahrung erhielt sie die
physiologische Lektion, dass kein Mensch für sie da sein würde, wenn sie
jemanden bräuchte; auch das alles artikulierte sich erst zwei Jahrzehnte später.
Sie
erwartete von niemandem was, als sie aufwuchs, und das verstärkte sich durch
ihre strengen, lieblosen und unnachgiebigen Eltern. Die Wahrheit war, dass ihre
Mutter sie nicht wollte. Ihre Eltern freuten sich nie über ihre Anwesenheit,
„schätzten“ sie nie und gaben ihr das Gefühl, dass der einzige Grund ihrer
Existenz darin bestand, ihre Befehle entgegenzunehmen. Das Gefühl in ihrer
Kindheit war, dass ihre Existenz ein großes Versehen war. Sie wollten sie
einfach nicht um sich haben und sagten zu ihr: „Alle wären viel besser dran,
wenn sie nicht geboren worden wäre.“ Alles, was sie in ihrem Leben wollte,
war, sich geliebt zu fühlen. Wegen dieser Erwartung heiratete sie, um bald
darauf enttäuscht zu werden.
Vivians
Gefühl war, dass sie in dem Augenblick, in dem es in einer Beziehung Kummer
gab, „hinaus musste,“ Wenn sie nicht hinaus konnte, war ihr, als müsse sie
sterben (so, wie sie sich ursprünglich während ihrer Geburt gefühlt hatte).
Sie behauptete, ihr Mann gebe ihr das Gefühl zu ersticken: „Er lässt mir
keine Luft.“ In ihrer Ehe ließ sich ihr Mann zu irrationalen Beschimpfungen
hinreißen und schlug sie. Sie musste hinausgelangen.
Um
wegzukommen ging sie zum Beispiel mit ihrer Freundin ins Kino. Aber ihr Ehemann
hielt sie auf: „Du gehst nirgendwohin!“ Sie ging zur Tür, und er packte sie
und warf sie auf die Couch. Sie war dann hilflos, fühlte sich ungeliebt und
allein, und es gab niemanden, der sie verstehen oder ihr helfen konnte. Das
waren alles die Originalgefühle und –empfindungen, die sie bei der Geburt
hatte und die später in die Emotionen des Lebens einflossen. Was also machte
sie? Den logischsten nächsten Schritt: Sie nahm Tabletten und versuchte
sich umzubringen, und dann fiel sie in ein Koma und blieb darin drei Tage lang.
Ihr
Mann löste alle frühen Einprägungen aus, und die Sequenz lief ab: „Wenn ich
nicht hinaus kann, sterbe ich.“ Das stimmte ursprünglich bei ihrer Geburt.
Dann hatte sie unbewusst das Gefühl: „Ich werde sterben wie ursprünglich bei
der Geburt.“ Also nahm sie Tabletten, welche die Empfindungen nachahmte, die
sie bei der Geburt erlebt hatte: Aussetzen der Atmung, dann Ersticken und Tod.
Der Tod sollte das Ende ihrer Qual darstellen. Diese Gleichung blieb als
physiologische Einprägung in ihrem System. Wenn sie die Sache nicht mehr im
Griff hatte und der Schmerz unerträglich wurde, wollte sie sterben. Die Lösung
war dieselbe wie beim Geburtserlebnis. Sie hatte keine Ahnung, welche
unbewussten Kräfte sie steuerten. Sie war total auf die Gegenwart konzentriert
und dachte, dass ihr Ehemann der einzige Grund von allem war. Er gab ihr wieder
das Gefühl, das dickköpfige, schwierige Kind zu sein, das keiner lieben kann.
Sie war machtlos gegenüber diesen eingeprägten Ereignissen. Also nahm sie
buchstäblich ihr Leben (und ihren Tod ) in ihre Hände.
Wann die Gefahr am größten ist
Oft
hören wir den Begriff „suizidale Depression.“ Aber tiefe Depression
involviert normalerweise systemweite Verdrängung der Geburt und anderer früher
Traumen von solcher Größe, dass sie den Menschen lähmen können. Die Person
ist lethargisch, kann kaum atmen, die Arme heben oder herumgehen – alles
parasympathische Originalreaktionen, die das Trauma begleiten. Solange tiefe
Verdrängung wirkt, ergibt sich daraus tiefe Depression ohne Selbstmord;
Erregung wird unterdrückt, und es gibt wenig Handlungsenergie. Tatsächlich ist
die Person dann in größter Gefahr, wenn sie sowohl deprimiert als auch
agitiert ist. Obgleich tiefe Depression die für den Selbstmord nötige Energie
erschöpft, kann Agitation genug Motivation und Energie liefern, um die Handlung
auszuführen. Somit wäre „suizidale Agitation“ ein zutreffenderer Begriff.
Sie beinhaltet ein Erregungsniveau, das ein gleich großes Eregungsniveau aus
dem Geburtstrauma auslöst. Dem chronisch Depressiven widerfährt etwas, das das
Trauma ins Bewusstsein aufsteigen lässt und Selbstmordgedanken mit sich bringt.
Wenn der Schmerz nur ein bisschen durchbricht und sich ins volle Bewusstsein
bewegt, durchdringt Hoffnungslosigkeit die Psyche. An diesem Punkt besteht die
Gefahr, dass der Mensch zum Äußersten fähig ist, und der Tod wird zu einer Möglichkeit.
Wir
haben in unserer Hirnwellenforschung Indikatoren für diese potentiell tödliche
Kombination gesehen. Wenn Depression und Agitation zusammenfallen, ist sowohl
die Amplitude als auch die Frequenz der Hirnwellen extrem hoch. Wenn in der Primärtherapie
die Amplitude signifikant ansteigt, verlangsamen sich die Wellen in der Regel,
was anzeigt, dass die Person sich tiefliegendem Schmerz nähert. Wenn aber der
Schmerz aufsteigt und die Verdrängung nicht richtig funktioniert, besteht die
Gefahr von Selbstmord.
Wie
ich vorher gesagt habe: Wenn wir einer guten Geburt eine liebevolle Familie
hinzufügen, in der die Eltern sich sorgfältig um die Bedürfnisse des Kindes kümmern
und ihre Liebe durch eine Kultur zeigen, die den Ausdruck von Gefühlen erlaubt,
werden wir die Selbstmordrate reduzieren. Damit
der Mensch weiterhin einen Grund findet, um am Leben zu bleiben, und nicht zu
suizidalen Gedanken und Plänen zurückkehrt, muss er oder sie schließlich in
einer geeigneten therapeutischen Umgebung die Gefühle erleben, die seiner oder
ihrer Hoffnungslosigkeit zugrunde liegen. Der Patient muss gegenwärtige
Verlustgefühle und Traurigkeit von alten Verzweiflungsgefühlen trennen. Nur
Hoffnung zu spenden, ohne dass der Patient die Hoffnungslosigkeit fühlt, ist
nicht heilsam. Das mag für den Moment hilfreich sein, aber es ist nur eine vorübergehende
Erleichterung, denn die Fähigkeit des Menschen, der Depression und den
suizidalen Neigungen ein Ende zu bereiten, liegt im Erleben der
Hoffnungslosigkeit. Glücklicherweise liegt ein Körnchen Hoffnung im Herzen der ursprünglichen Hoffnungslosigkeit. Nachdem jemand die völlige Hoffnungslosigkeit aus dem Geburtstrauma gefühlt hat, löst sie sich allmählich auf, sofern er oder sie sich in einem sicheren, warmherzigen Umfeld befindet. Der Mensch ist auf dem Weg zur Gesundheit, wenn es weniger schwer fällt zu leben als sich umzubringen.
Ende des Kapitels
Buchübersetzung: Bücher von A. Janov
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