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TEIL I B

 

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Nichts ist so einfach, wie unsere Gefühle zu fühlen, nichts so klärend wie diese Erfahrung und nichts so erleichternd, wie endlich ein vereintes System – Gehirn und Körper - zu haben.

 

Nichts ist so einfach, wie unsere Gefühle zu fühlen, nichts so klärend wie diese Erfahrung und nichts so erleichternd, wie endlich ein vereintes System – Gehirn und Körper - zu haben.


Ein weitverbreiteter Mythos besagt, dass es gefährlich sei, die Psyche aufzuschließen. Diese Überzeugung ist seit den Mahnungen Freuds tief in uns verwurzelt. Ich habe im Gegenteil herausgefunden, dass ein sanftes, systematisches Öffnen der Psyche , das zu allen Ebenen der Gehirnfunktion Zugang hat, die einzige Möglichkeit ist, eingravierte Verhaltensmuster und andauernde unerklärliche Symptome zu beseitigen.

 

 

 

 

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KAPITEL 2   

 WIE LIEBE DAS GESUNDE GEHIRN FORMT 

Unsere Entwicklung lässt sich am besten als Umwandlung des Äußeren zum Inneren verstehen. Wir verinnerlichen unsere Außenwelt-Erfahrungen schon von Anfang an, und unsere Neurophysiologie wird in diesem Prozess neu gestaltet – unsere Erfahrungen werden buchstäblich ein Teil von uns. Wenn wir früh im Leben Liebe erhalten oder ihr Fehlen erfahren, verändert dies dauerhaft das Gehirn. Wenn die Außenwelt hart und lieblos ist, wird das - auch im Mutterleib - verinnerlicht, und diese Umgebung formt das Gehirn.

Frühe Liebe oder deren Mangel hat auf unsere physiologische Entwicklung tiefgreifende Auswirkungen. Wenn wir früh in unserer Entwicklung Liebe bekommen, funktioniert unser Gehirn und Körper auf optimalem Niveau. Das Maß an Liebe, das wir in der frühen Kindheit bekommen, kann bestimmen, wie gut wir mit anderen auskommen, ob wir fähig sind, Liebe zu geben und zu empfangen, wie stabil unsere Beziehungen sein werden, wie intuitiv und empathisch wir sind, wie gut wir lernen und wie gesund wir sein werden. In der Tat verweist man oft auf Oxytozin und Vasopressin als die Liebeshormone, und niedrige Messwerte dieser Substanzen können sehr wohl einen Mangel an Liebe und Aufmerksamkeit früh im Leben anzeigen. Veränderungen bei diesen zwei Hormonen im Erwachsenenalter können uns viel über frühe Verlassenheit sagen. Sie können auch anzeigen, wie sehr wir später in der Lage sind, eine liebevolle Beziehung aufrecht zu erhalten. Die Einprägung von Entfremdung und Anomie bestimmt vielleicht, wie nahe wir anderen sein können. (Eine vollständige Diskussion dieser Hormone erfolgt in Kapitel 4).

Die Persönlichkeit entwickelt sich anders, wenn Liebe fehlt, und ebenso die Physiologie und Lebensweise eines Menschen. Ein Mangel an Liebe bedingt, wie wir über die Welt und uns selbst denken und wie wir fühlen oder nicht fühlen. Er bestimmt, wieviel Schaden die Gefühlsstrukturen  vielleicht zu erleiden hatten.Wem diese Schädigung widerfuhr, der wird nicht seine volle

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Konzentrationskraft haben, keine intellektuelle Ausdauer und kein anhaltendes Interesse. Er oder sie wird nicht so gut lernen wie andere, und das wird ein Leben lang große Auswirkungen haben. Ein Mangel an Liebe wird auch die Produktion der meisten Schlüsselhormone verändern und den Betroffenen lebenslang einen höheren Stresspegel bescheren. Dieser Mangel kann sich darauf auswirken, an welchen Krankheiten die Leute später im Leben leiden, und vor allem, wie lange sie leben.

Nach Allan Schore, Professor der Neuropsychologie an der UCLA, downloadet die Mutter während der Schwangerschaft und in den ersten entscheidenden Lebensmonaten eines Babys ihr limbisches System auf das des Babys. Gefühle der Mutter formen die Gefühlszentren des Babygehirns und schaffen eine Art von Symphonie oder Synchronität. Stimmungsmuster und –rythmen der Mutter, jedes hormonelle Ungleichgewicht, das ihr vielleicht zueigen ist, ebenso übermäßige Erregung oder Depression werden vom limbischen Bereich des Fetus/Kleinkinds erlebt und integriert. Der Download formt die Matrix für die Physiologie und Gehirnentwicklung des Kindes.

Wenn wir ein gesundes, integriertes Gehirn erhalten wollen, womit fangen wir an? Wir beginnen mit Liebe -  Liebe im umfassendsten, weitesten Sinn des Wortes. Liebe ist das einzige und wichtigste Merkmal, das entscheidet, wie sich das Gehirn entwickelt. Sie bestimmt, wie erfolgreich zwischen Schlüsselzentren im Gehirn Verbindungen hergestellt werden und sie hat Einfluß darauf, wieviel Zugang wir in unserem ganzen Leben zu unseren Gefühlen haben werden.

Ein Kind zu lieben bedeutet, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Ein Baby hat Bedürfnisse im Mutterleib, bei der Geburt und danach. Das bedeutet, das Kind zu umhegen und dem Baby von der Empfängnis an und besonders während der Schwangerschaft und in den ersten drei Jahren kein Trauma zuzufügen.

Die Entwicklung eines Babys im Mutterleib ist entscheidend, weil das Baby kritische Entwicklungs-Perioden durchläuft. Die Sollwerte für viele physiologische Funktionen werden in den ersten Monaten der Schwangerschaft festgelegt. Liebe zwischen Mutter und Kind drückt sich auf vielfältige Weise aus, einschließlich der Erfüllung der physiologischen Bedürfnisse des Babys wie seines Bedürfnisses nach Sauerstoff und geeigneten Nährstoffen während der Schwangerschaft. Eine liebevolle Mutter wird sich keiner drastischen Diät unterziehen, nur um ihre Figur zu halten, während sie schwanger ist, noch würde sie Alkohol trinken oder rauchen, da sie weiß, dass dies für den Fetus schädlich ist. Sie wird ihr System  - und das ihres Babys - nicht aufputschen, indem sie Koffein in Softdrinks oder Kaffee einnimmt, ganz zu schweigen, dass sie Diätpillen oder Kokain nähme.

Mit Liebe zu gebären bedeutet, dass die Mutter ein Anästhetikum zur Linderung ihrer eigenen Schmerzen meiden wird, weil sie weiß, dass es dem Baby den Sauerstoff entziehen wird und viele Systeme des Babys verschließen oder stilllegen wird. Weil die Geburt oft

 

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eine Sache auf Leben und Tod ist, prägt sich ein hier zugefügtes Trauma ein und kann ein Leben lang fortdauern. Um ihr Baby nach der Geburt zu lieben, muss eine Mutter es eng bei sich halten und es stillen, so dass sie und ihr Kind eine starke Bindung entwickeln können.

Weit darüber hinaus bedeutet wirkliche Liebe, dass das Baby Nähe zu beiden Eltern erfahren wird und viel warmherzigen körperlichen Kontakt bekommt wie Umarmen, Herzen und Küssen. Zusätzlich dazu, dass man ein kleines Kind umarmt und zärtlich zu ihm ist, bedeutet „lieben,“ dass man es mit liebevollen Augen anschaut, auf seine Stimmungen achtet, ihm zuhört, sich um es kümmert und es beruhigt. Es bedeutet, empathisch zu sein, zu spüren, was das Kind braucht, wenn es Aufmerksamkeit verlangt und auch wenn es das nicht tut, obgleich einige Kinder viel zu viel geherzt, geküsst und geknutscht werden – aus den Bedürfnissen der Eltern heraus und nicht aus denen des Kindes. Liebe bedeutet Ermunterung, Lob - und den Ausdruck von Gefühlen zuzulassen. Es bedeutet Führung und Schutz, um dem Kind zu helfen, dass es sich zu allen Zeiten sicher fühlt.

Wenn das Gehirn reift, entwickeln wir andere Bedürfnisse – wie das Bedürfnis nach intellektueller Stimulierung, Lob und Diskussion – von Seiten unserer Mütter und Väter. Zusammengefasst haben wir körperliche, emotionale und intellektuelle Bedürfnisse, und wir leiden, wenn sie nicht befriedigt werden.

Je mehr diese Bedürfnisse befriedigt werden, umso gesünder wird die Gehirnentwicklung sein, die somit ein gesünderes und glücklicheres Baby produziert. Aber wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt werden, wenn Liebe fehlt, hat das unmittelbare und dauerhafte Folgen. Wenn eine Mutter nicht liebevoll ist, nicht emotional sanft und warmherzig ist, wenn sie ihr Baby nicht oft herzt, formt sie im Babygehirn eine andere Art von Gefühlsstruktur. Dies gilt insbesonders für das rechte Gehirn des Babys, wo sich die frühesten eingeprägten Erinnerungen festsetzen (dieses Thema wird in einem späteren Kapitel erörtert). Zum Teil besteht Nicht-Liebe auch darin, dass man mit den Stimmungen des Babys nicht übereinstimmt. Ein kleines Kind ist vielleicht übermütig und verspielt, und die gereizte Mutter befiehlt ihm still zu sein und züchtigt es. Oder das Kind ist traurig, und der Vater sagt ihm, es solle aufhören so mutlos dreinzuschauen und solle sich fröhlich benehmen.

DAS ÄUßERE BESTIMMT ÜBER DAS INNERE

Vom Augenblick der Empfängnis an besteht die treibende Kraft in menschlichem Verhalten darin, Schmerz zu minimieren und Wohlbefinden zu maximieren. Zu diesem Zweck haben wir ein ausgefeiltes Schmerztötungs- System, das von Neurotransmittern vermittelt wird, die in die Synapsen zwischen Neuronen eintreten, um die Übertragung der Leidensbotschaft zu höheren Zentren zu blockieren. Unsere Fähigkeit, uns behaglich zu fühlen, hängt von einem optimalen Spiegel des hemmenden Neurotransmitters Serotonin ab und von den Endorphinen, intern produzierten Morphinen des Gehirns und Körpers. Frühe

 

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Liebe normalisiert diesen Spiegel. Ein Gefühl der Ruhe in der Mutter, während sie das Baby austrägt, und intimer, liebevoller Kontakt zwischen Mutter und Kind in den ersten Lebensmonaten geben dem Baby ein stärkeres Gehirn.

 

Der Seinszustand der Mutter während der Schwangerschaft, ob sie ruhig oder ängstlich, glücklich oder deprimiert ist, ob sie das Baby will oder nicht, beeinflusst den Hormonausstoß, der sich auf die Entwicklung des Babygehirns auswirkt.

 

Liebe reguliert das Opiatrezeptor-System auf solche Weise, dass eine optimale Menge an Endorphinen im System der Mutter dafür sorgt, dass sie sich wohl fühlt, und ihr erlaubt, mit Schmerz jederzeit leichter fertig zu werden. Man könnte das als höhere Schmerzschwelle bezeichnen, was nur bedeutet, dass Verdrängung im gesunden Menschen wirkungsvoller ist. Diese vermehrte Produktion an Endorphinen verleiht dem Kind eine stärkere Fähigkeit, Zufriedenheit und Freude zu empfinden. Das bedeutet auch einen besseren Umgang mit Stress und Widerwärtigkeit auf seinem Lebensweg. Als weiblicher Erwachsener hat das Kind eine Ruhe, die sich auf ihr eigenes Baby überträgt, und die Fähigkeit, auf die Erfahrungswelt des Babys einzugehen. Sie ist auch in der Lage daür zu sorgen, dass sich ihre eigenen Kinder wohl fühlen, wodurch sie sie befähigt, mit Stress fertig zu werden ohne überwältigt zu werden.

Eine Mutter, die zu uns kam, zog ein „Primal Baby“ groß, ein total geliebtes Kind. Das Kind hatte nie Angst vor neuen Erfahrungen noch davor, die Schule zu wechseln oder neue Freunde zu gewinnen oder davor, etwas Neues zu erlernen. Es funktionierte mit seinem ganzen Selbst, und das bedeutet Zugang zu seinen Gefühlen.Weil es nicht die ganze Zeit von innerem Druck überwältigt war, konnte es ein hohes Maß an Stimulation bewältigen. Ein Mensch unter Schmerz ist bereits von innerem Input überwältigt, so dass der geringste zusätzliche Druck zuviel wird. Er scheint unter der Gesamtlast zusammenzubrechen.

Der Seinszustand der Mutter während der Schwangerschaft, ob sie ruhig oder ängstlich, glücklich oder deprimiert ist, ob sie das Baby will oder nicht, beeinflusst den Hormonausstoß, der sich auf die Entwicklung des Babygehirns auswirkt. Immer mehr wissenschaftliche Forschungen bestätigen, dass Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft stressreichen Bedingungen ausgeliefert waren, „eine größere Empfänglichkeit zeigen für ein weites Spektrum von Gesundheitssproblemen einschließlich Diabetes, Fettleibigkeit, hohem Blutdruck und Herzkrankheit.“ 1  Ein Bericht in der Science News vom Oktober 2004 vermerkte Folgendes: „Eine Kindheit voller psychischer oder physischer Härten trägt zum Risiko einer Person bei, Herzkrankheiten zu entwickeln.“ 2  Forscher

 

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aus Atlanta und San Diego sahen sich die Aufzeichnungen von mehr als 17.000 Erwachsenen an, um die Risikofaktoren für eine Herzerkrankung zu identifizieren. Je mehr Probleme es in der Kindheit gab, umso wahrscheinlicher waren später Herzkrankheiten. Worauf die Forscher nicht achteten, war, wie früh diese Risikofaktoren eintreten könnten. Ein hohes Maß an Angst in der Mutter wird zum Stress für den Fetus beitragen. Eine unruhige schwangere Mutter – die auf ihre Außenwelt reagiert – wühlt den Metabolismus ihres Fetus auf, der auch auf seine Umwelt reagiert. Wenn die Unruhe der Mutter lange genug fortdauert, wird sie im Fetus zu einem permanenten Zustand, und sie wird ihr Kind ein Leben lang verändern. Die Unruhe der Mutter wird den Fetus überstimulieren, sein Nervensystem beeinträchtigen und ein Kind schaffen, dem ein hohes Maß an Stimulierung eingeprägt ist, so dass es sich von jeder Kleinigkeit überwältigt fühlen könnte, die im Leben geschieht. Als weibliche Erwachsene könnte es auf die Bitte des Ehemanns, das Salz auf den Tisch zu stellen, mit einem zornigen „Erwartest du wirklich, dass ich alles mache? Hol’s dir selbst!“ reagieren.

Das Aüßere bestimmt über das Innere. Für den Fetus ist der Mutterleib die äußere Welt. Eine Mutterleib-Umwelt, die den Fetus in einem Alarmzustand hält, wird schließlich Teil des Babys, das zu einem aggressiveren, hyperaktiven Kind wird, das nicht still sitzen oder sich nicht konzentrieren kann. Es wird hyperwachsam aufwachsen. Das mag nützlich sein, wenn es zu einem Hollywood-Agenten oder verdeckten Ermittler wird, ist aber schlecht für seine Lebensdauer. Wenn die austragende Mutter umgekehrt für längere Zeit deprimiert ist, geht ihr Baby in den „Down“-Modus.

Ein weitverbreiteter Mythos besagt, dass es gefährlich sei, die Psyche aufzuschließen. Diese Überzeugung ist seit den Mahnungen Freuds tief in uns verwurzelt. Ich habe im Gegenteil herausgefunden, dass das Öffnen der Psyche auf sanfte, systematische Art – auf eine Art, die zu allen Ebenen der Gehirnfunktion Zugang verschafft – die einzige Möglichkeit ist, eingravierte Verhaltensmuster und andauernde unerklärliche Symptome zu beseitigen. Es ist in der Tat eigenartig, dass die moderne Psychotherapie noch immer die uralte religiöse Auffassung billigt, dass wir von Dämonen bewohnt werden, denen man sich nicht nähern darf. Es ist reiner Mystizismus zu denken, dass das Unbewusste voller phantasmagorischer Wesen steckt, dunkle, unheilvolle  Mächte, die man um jeden Preis meiden sollte. Nichts davon ist wahr. Wir haben unsere Patienten zu den tiefsten Tiefen des Unbewussten geführt und keine mystischen Dämonen gefunden. Erinnerungen sind alles, was wir finden, Erinnerungen unseres Lebens. Schmerzvolle, magenverdrehende Erinnerungen, aber Erinnerungen, mit denen wir leben können.

Ich bezeichne den Prozess der Verknüpfung mit eingeprägten Erinnerungen als „Wiedererleben“ und/oder als „Primal.“ Ohne Wiedererleben fügt der Teil der Erinnerung, der zur Zeit, als das Trauma geschah, nicht integriert werden konnte, unserem System ständigen Schaden zu.

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Aber wir können das erst machen, wenn wir älter, stärker und reifer sind. Als Erwachsene sind wir stark genug, unserem Schmerz gegenüberzutreten.

Trotz einer Überfülle verschiedener therapeutischer Methoden habe ich keinen anderen Ausweg aus der Neurose gefunden als den durch die Verknüpfung – von den unteren Bewusstseinsebenen zu den höheren und vom rechten präfrontalen Gehirn zum linken; all das bedeutet Wiedererleben von Schmerz . Nichts ist so einfach wie unsere Gefühle zu fühlen; nichts so klärend wie diese spezielle Erfahrung und nichts so erleichternd wie endlich ein vereintes System – Gehirn und Körper - zu haben. Indem wir uns zum Beispiel ungeliebt fühlen, lassen wir zu, dass wir wieder Liebe fühlen. Es bedeutet, dass wir endlich fühlen, wirklich fühlen können.

Depression  kann eine niedrige Dopaminmenge im Fetus bedeuten; das wiederum kann später eine Persönlichkeit bestimmen, die phlegmatisch, passiv und nicht-aggressiv ist. Wenn die Mutter einen Cocktail trinkt, wird das Baby davon benommen und betrunken. Wenn sie raucht, erstickt das Baby. Das kann alles dauerhaft werden, da verschiedene Sollwerte ins Nervensystem des Babys eingeprägt werden. Denken Sie daran, dass ein niedriger Dopaminspiegel zur Abhängigkeit von solchen Drogen führen kann, die ihn hochtreiben; zum Beispiel Kokain. Kurz gesagt kann die emotionale Fähigkeit und das physiologische System einer Person zu der Zeit bereits beeinträchtigt sein, wenn sie ins Leben tritt, noch bevor sie Emotionen voll verarbeiten kann.

Wenn es ganz am Anfang des Lebens an mütterlicher Liebe fehlt, wird das Gehirn des Babys weniger hemmende Substanzen produzieren, die dafür verantwortlich sind, Schmerz zurückzuhalten. Wenn ein Säugling nicht gefüttert wird, wenn er es braucht sondern wenn es einer Mutter passt, leidet er. Wenn ein Kleinkind nicht die Nähe, Umarmungen und Küsse bekommt, die es von Mutter und Vater braucht, leidet es. Leiden in jemand anderen zu erzeugen ist kein Ausdruck von Liebe. Die Versagung kindlicher Bedürfnisse geschieht oft unbewusst, wenn man zum Beispiel sagt: „Du weißt, ich liebe dich, aber ich bin einfach nicht gefühlvoll.“  Eltern wollen vielleicht, dass das Kind versteht, warum er oder sie es nicht lieben kann, aber alles, was sein unbewusstes System weiß, ist, dass es an seinen unbefriedigten Bedürfnissen leidet. Ich habe keine experimentellen Beweise gefunden, die genau indizieren, was bei frühem Schmerz in Bezug auf die Serotoninproduktion geschieht, aber es scheint logisch, dass großer Schmerz zuerst einen sprunghaften Anstieg des Seroronin-Ausstoßes verursacht, dem eine schnelle Erschöpfung folgt. Es ist, als sei die Schmerzmenge von der Art, dass die Produktion nicht aufrecht erhalten werden kann, und dann kommt es zur Erschöpfung. Zum Beispiel hat man herausgefunden, dass bei chronischer Depression die Serotoninspiegel niedrig sind. In gewisser Hinsicht gleicht es dem, was im Blutsystem geschieht, wenn frühe Einprägungen zuerst Konstriktion verursachen, der eine Vasodilatation folgt, welche die Blutgefäße erweitert.

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Wenn man am Lebensanfang Liebe bekommt, fördert es die Entwicklung eines umfassenden Dendriten-Netzwerks – die Teile von Nervenzellen, die Information von anderen Zellen erhalten. Neuronen „sprechen“ miteinander über dieses weite Netz zweigähnlicher Dendriten-Verknüpfungen. Je mehr Dendriten wir besitzen, umso besser können unsere Zellen kommunizieren. Das kann vermehrten Zugang zu unseren Gefühlen bedeuten, weil wir buchstäblich mehr Kommunikationsleitungen zur Verfügung haben.

Genau wie positive Erfahrungen früh im Leben Neuronen dazu stimulieren können, neue Synapsen und Dendriten zu entwickeln, die vielfältigere Verbindungen mit anderen Neuronen ermöglichen, werden wir unter Bedingungen, in denen ein früher Liebesmangel gegeben ist, vieler dieser Synapsen beraubt, die wir brauchen, um Fühlen mit dem vollen Bewusstsein zu vereinen. Wir spielen ganz einfach nicht mit allen unseren Murmeln. Wir denken vielleicht, dass ein Geschwister in der Kindheit aufgrund der Gene psychisch stärker sei als das andere, aber es kann durchaus auf die Schwangerschaft zurückzuführen sein, die dem Gehirn des einen Kindes bessere und stärkere neurale Verbindungen als dem anderen brachte. Die Mutter war vielleicht während einer Schwangerschaft ruhiger als während der anderen.

Eine Studie, die in der Oktober-2004-Ausgabe der Science News diskutiert wurde, verglich zwei Gruppen von Mäusen. Eine Gruppe war normal; bei der anderen war ein Gen für Serotonin-Sekretion ausgeschaltet. Sie wurden dann im Alter von 4 Tagen bis 21 Tagen (entspricht dem Alter vom dritten Schwangerschafts-Trimester bis zum Alter von 8 Jahren) mit dem Äquivalent von Prozac (Serotonin-Verstärker) behandelt. Als die Mäuse größer geworden waren, setzte man sie unter Stress (Fuß-Schocks). Die Mäuse, die früh im Leben „Prozac“ bekommen hatten, legten Angst und Depression an den Tag, zeigten weniger Interesse, ihre Umwelt zu erforschen, und brauchten länger, um die Fuß-Schocks zu meiden. Was die Studie erklärte, war, dass Serotonin eine Kardinalrolle bei der normalen Gehirnentwicklung spielt, und wenn wir den Serotonin-Ausstoß am Lebensanfang stören, könnte das später permanente Auswirkungen auf unsere Stimmungen und deren Kontrolle haben.3 Ich meine, dass ein Trauma – auch im Mutterleib – genau das tun kann – jemanden später für Angst und/oder Depression anfällig machen.

Liebe ist besonders für die Entwicklung des präfrontalen Kortex wichtig (die Gehirnsektion, die hinter der Stirn und  den Augenhöhlen liegt), wo wir uns mit unseren Gefühlen verbinden, sie kontrollieren und integrieren können). Mit Liebe entwickeln wir eine größere Zahl von Neuronen, Schlüssel-Nervenzellen, die Information übersetzen und übertragen. Das Wachstum der Synapsen, die für die wechselseitige Verknüpfung zwischen Neuronen sorgen, gedeiht und hinterlässt ein stärkeres Gehirn, vor allem im präfrontalen Kortex/im Kontrollzentrum. Ein Trauma im Mutterleib kann die gesunde Entwicklung dieses Areals schwächen, so dass das Baby

 

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mit weniger Neuronen geboren wird. Es kann die Entwicklung des präfrontalen Kortex schwächen, was später im Leben in einer Anfälligkeit für Probleme resultiert, die mit Impulskontrolle zu tun haben. Wir können das bei einem Menschen sehen, der nicht warten oder Impulse nicht kontrollieren kann. Das Ergebnis kann Bettnässen bei einem Kind oder vorzeitige Ejakulation bei einem Erwachsenen sein. Es kann zu einer Person führen, die Schwierigkeiten hat sich zu konzentrieren.

Ist der Kortex einmal geschwächt und besitzt er weniger Dendriten, um andere neuronale Nachrichten zu empfangen, und weniger Synapsen, um die Nachricht an andere Neuronen weiterzugeben, wird er im Erwachsenenalter nicht aufblühen. Und Gehirn-Scans bestätigen das. Zum Beispiel gibt es bei bestimmten impulsiven Zuständen weniger Aktivität im präfrontalen Bereich. Kriminelle, die von ihren Impulsen beherrscht werden, haben eine stärkere Tendenz zu impulsivem Verhalten. Daniel Amen, ein Gehirnspezialist, hat SPECT-Scans (Gehirn-Scans) bei Individuen mit den verschiedensten psychologischen Zuständen gemacht. Er fand, dass bei Aufmerksamkeitsmangel-Störungen, wenn der Versuchsperson eine Aufgabe gestellt wird, die Konzentration verlangt, Gehirnenergie sich nach hinten verlagert anstatt zum frontalen Kortex zu wandern, wo sie sein sollte. Das Gehirn ist vorne mangelhaft ausgebildet, wie ich glaube, aufgrund eines frühen Traumas oder toxischer Angriffe, so dass es nicht die notwendige Ausstattung hat für angemessene Konzentration: weder die Verbindungsspalte zwischen Neuronen noch die tatsächlichen Gehirnzellen, um abstraktes Denken zu verarbeiten. Es hat nicht alle seine Murmeln und kann nicht leisten, was andere Gehirne leisten können. Wir können uns nicht leisten, das alles zu übersehen, wenn wir Patienten in der Psychotherapie behandeln. Vielleicht versuchen wir, ein Gehirn zu zwingen, etwas zu leisten, was es neurologisch nicht leisten kann.

KRITISCHE PERIODEN: IST ES JE ZU SPÄT FÜR LIEBE?

Kritische Perioden sind die Zeiten, wenn die Bedürfnisse nach Liebe ihr Maximum erreicht haben und erfüllt werden müssen. Der Schmerz, der ins System eingraviert wird, wenn Bedürfnisse in einer kritischen Periode unbefriedigt bleiben, bleibt ein Leben lang. Es gibt keinen Ersatz, der den Schaden repariert – keine Liebe oder Fürsorglichkeit später im Leben, keinen Erfolg, keine durch Therapie erlangte „Bewusstheit“, keine Drogen oder Alkohol, keinen Glauben an Gott.

Der einzige Weg, den Schaden ungeschehen zu machen, besteht darin, Zugang zu finden zu den neuralen Verknüpfungen, die zur Zeit des ursprünglichen Schmerzes und Traumas festgelegt wurden, so dass man sie modifizieren kann. Weil diese neuralen Verknüpfungen primitive Gehirnregionen einschließlich dieser zugrunde liegenden basalen Emotionen und Überlebensfunktionen einbeziehen, wird ein zerebrales Gespräch darüber, was in der Vergangenheit geschah, wenig Wirkung haben. Stattdessen müssen wir zulassen, dass wir diese frühen schmerzvollen, traumatischen Erfahrungen als Erwachsene, die diese Feelings ertragen können, voll erleben oder vielmehr wiedererleben. Genau das bietet Primärtherapie an.


 

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Obwohl es zecklos ist, einem sechs Monate alten Säugling eine Extra-Dosis Sauerstoff zu geben, weil er im Mutterleib zu wenig davon bekam, könnte es in der Tat eine Lösug geben. Jedes ernsthafte Trauma während Schwangerschaft oder Geburt wird zu einer Einprägung und besteht vielleicht ein Leben lang fort. Aber wir haben jetzt die Techniken, um in die Geschichte zurückzugehen und die Auswrkungen ungeschehen zu machen. Zum Beispiel können wir zu dem Zeitpunkt zurückgehen, als ein Patient als Neugeborenes während der Geburt unter Sauerstoffmangel litt. Der Patient wird rot anlaufen, weil es ihm in diesem Augenblick an Sauerstoff fehlt, eine Empfindung, die sein Gehirn als Erinnerung gespeichert hat. (Unsere auf Seite 63 erörterte Forschung am UCLA-Lungen- Laboratorium bestätigt das). Weil der Sauerstoffmangel das System in Schieflage brachte, kann das Wiedererleben das Trauma jetzt auflösen und die Abweichungen rückgängig machen, die durch die ursprüngliche Erfahrung ( bewirkt oft Atemprobleme oder Kurzatmigkeit) verursacht wurden. Wir haben alle Kinder gesehen, die unter Stress ihren Atem übertrieben lange anhalten, was oft ein Indikator für Sauerstoff-Entzug bei der Geburt ist.

Die gesunde Entwicklung der Neuronen während des letzten Schwangerschaftsdrittels ist besonders entscheidend, denn wenn in dieser Zeit ein Trauma geschieht, kann sich das in der Entwicklung befindliche Gehirn fürs ganze Leben ändern. Wenn das Neugeborene in den ersten Stunden oder Tagen nach der Geburt nicht berührt wird, kann das Terror und Einsamkeit einprägen, die lebenslang in ihm bleiben.

Mehrere Untersuchungen haben einen Zusammenhang gefunden zwischen dem Pflegevehalten der Mutter und der zukünftigen psychischen Gesundheit ihrer Kinder. Jüngste von Michael Meaney, einem Medizin-Professor an der Mc Gill University in Montreal, Kanada, durchgeführte Tierexperimente, über die Emma Ross berichtet, enthüllten, dass die Art, wie eine Mutter für ihr Baby sorgt, bestimmen kann, wie gestresst das Kind als Erwachsener sein wird; ihre Pflege kann dauerhaft die Art und Weise verändern, wie die Gene des Kleinkinds wirksam werden.4

Meaney machte sich daran zu prüfen, ob Rattenbabys, die mehr geleckt werden, sich als von denen verschieden erweisen, die weniger geleckt und gestreichelt werden, und wenn ja, warum. Diese Studien über den Ursprung von Krankheit bei Erwachsenen testete exakt, ob es wirklich das Verhalten der Mutter ist, das den Unterschied macht, und zeigte, was im Gehirn des Nachwuchses geschieht, um die charakteristischen Merkmale beim Erwachsenen zu erzeugen. Meaney und sein Forschungsteam fand, dass sich Rattenbabys, die von ihren Müttern häufig geleckt wurden, als weniger ängstlich und furchtsam erwiesen, wenn sie ausgewachsen waren, und geringere Mengen an Stresshormonen produzierten als solche, die weniger gestreichelt wurden. „Alle Mütter nähren und pflegen ihre Jungen, geben reichlich Milch, und die Jungen gedeihen perfekt,“ sagt Meaney, „aber es gibt ein Verhalten, das man Lecken und Striegeln nennt, das einige Mütter  viel häufiger betreiben als andere – vier oder fünf Mal so oft. Die Jungen, die mehr geleckt werden, sind weniger furchtsam, sie produzieren weniger Stresshormone, wenn sie provoziert werden, und ihr Herzschlag

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erhöht sich nicht so sehr, so dass sie eine maßvollere Stressreaktion haben als die Jungen, die viel weniger geleckt werden.“

Die Wissenschaftler nahmen die Mütter sogar ganz aus dem Bild heraus und streichelten die Rattenbabys mit Pinseln. Meaney behauptet: „Es bewirkt dasselbe wie mütterliches Lecken.“ Die Änderung in der Produktion von Gehirnrezeptoren war in der zweiten Lebenswoche ersichtlich.

„Das ist eine sehr wichtige Studie,“ sagte Peter Blackmann, ein Professor für pädiatrische und pränatale Biologie an der University of Auckland in Neuseeland, der an der Forschung nicht beteiligt war. Er stellte heraus, dass der Ausdruck der Gene bei Säugetieren sich dauerhaft ändern kann durch die Art, wie Mütter und Babys interagieren, und er zeigte, wie das Langzeiteffekte auf Verhalten und psychiatrische Gesundheit haben kann. Würden diese Rattenbabys Wochen später genau so häufig geleckt , wäre die kritische Periode vorbei, und die lebenslangen Wirkungen wären nicht klar ersichtlich.

Die folgenden Bemerkungen sind aus Monkeyluv vom Biologen und Neurowissenschaftler der Stanford Universität Robert M. Sapolsky. Wir sehen in diesem Forschungsbericht über Mäuse, wie früh die kritische Periode eintreten kann. Wie wir sehen werden, sind nicht nur frühe Kindheitserlebnisse fürs spätere Leben wichtig; noch wichtiger sogar ist das fetale Leben. Sapolsky erklärt, dass genetische Einflüsse nicht das Ein und Alles sind, wie wir manchmal glauben. Lebensumstände sind wichtig, aber vorgeburtliche Einflüsse können entscheidend sein.

 

<<Mäuse der entspannten Rasse [von den Genen her], die von Geburt an von Müttern der ängstlichen Rasse großgezogen wurden, wuchsen genauso entspannt auf wie jedes andere Mitglied ihrer Rasse. Mit derselben Art von Technik, die von Kliniken benutzt wird, welche In-vitro-Befruchtung durchführen, kreuzten die Forscher die Mäuse als Embryos. [Ließen sie eine Mäuserasse eine genetische verschiedene Mäuserasse großziehen]. Sie implantierten Eier der entspannten Rasse in Weibchen der ängstlichen Rasse, die sie bis zur Geburt austrugen. Einige Junge der entspannten Rasse wurden von Müttern der ängstlichen Rasse aufgezogen und andere von denen der entspannten Rasse. Das Ergebnis? Wenn die Mäuse, in denen vermeintlich Entspannung genetisch fest verankert war, die fetale Entwicklung und frühe Kindheit mit Müttern der ängstlichen Rasse durchliefen, wurden sie schließlich genauso ängstlich wie alle anderen Mäuse der (genetisch) ängstlichen Rasse. Dieselben Gene, andere Umwelt, anderes Ergebnis.>>5

 

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Sarpolsky fährt dann fort: „Umwelteinflüsse beginnen nicht bei der Geburt. Bestimmte Faktoren in der Umwelt einer Maus der ängstlichen Rasse während ihrer Schwangerschaft – ihr Stressspiegel.......beeinflussen das Angst-Niveau und die Lernfähigkeiten ihres Nachwuchses auch im Erwachsenenalter.“ Er betont, dass „Mäuse der entspannten Rasse nicht nur wegen ihrer Gene entspannt sind; ihre fetale und neonatale Umwelt ist ein entscheidender Faktor.“ 6

Ich werde diese frühen Einflüsse erörtern, wobei wir wissen sollten, dass es Material aus der Tierforschung gibt, das meinen Standpunkt zu bekräftigen scheint: geburtliche und vorgeburtliche Ereignisse können unser Verhalten als Erwachsene mitbestimmen; und wenn wir diese Einflüsse übersehen, werden wir nicht voll verstehen, wer wir sind und warum wir so sind, wie wir sind. Des Weiteren werden wir nicht wissen, wie wir alle möglichen Probleme, die wir als Erwachsene haben, behandeln und umkehren sollen. Von der Empfängnis an bilden wir eine Suprastruktur. Wir brauchen für diesen Überbau eine solide Grundlage, so dass wir integrierte Erwachsene sein können, die dem Angriff der Elemente trotzen können. Schlussfolgerung: Vererbung ist wichtig, aber Lebenserfahrung – auch im Mutterleib – kann ebenso wichtig sein, wenn nicht wichtiger. Ob wir hohen Blutdruck, Asthma oder Migräne-Kopfschmerzen offenbaren, hängt nicht nur von den Genen ab sondern auch von unseren frühen Erfahrungen. Wenn wir Erfahrungen im Mutterleib ignorieren, lassen wir kritische Momente aus, die uns lebenslang beeinflussen können.

Vielleicht fragen Sie sich: „Können wir wirklich zurückgehen und fetale Ereignisse wiedererleben?“ In der Evolution schließt jede neue Ebene der Gehirnentwicklung niedrigere, frühere Ebenen ein. Der denkende Neokortex ist eine Art von Erweiterung früherer tierischer Gehirnformen. So gibt es bei der Geburt bereits Empfindungen aus der vorgeburtlichen Zeit, die eine Rolle dabei spielen, wie das Neugeborene auf dieses Geburtstrauma reagiert. Wenn ein Patient ein Geburtstrauma wiedererlebt (falls es eines gab), erfährt er oder sie auch Empfindungen (die Basis der Gefühle), die früher geschahen. Wie wir später sehen werden, können wir auf diese Weise vorgeburtliche Ereignisse wiedererleben, ohne uns bewusst zu sein, dass sie aus einer Erfahrung im vielleicht fünften oder sechsten Monat der Schwangerschaft stammen.

Als generelle Regel gilt: Je früher im Leben ein Bedürfnis nicht erfüllt wird, umso zerstörerischer sind die späteren Wirkungen der Deprivation. Je näher an der „kritischen Periode“ ein Trauma stattfindet, umso schädlicher ist es. Eine Möglichkeit, die kritische Periode zu definieren, ist die irreversible Eigenschaft ihrer Wirkungen. Je mehr Zeit verstrichen ist, nachdem eine kritische Periode vorüber ist, umso größer ist die erforderliche Kraft, um eine Prägung/Einprägung zu erzeugen. Es bedarf nach der kritischen Periode eines gewaltigen Traumas, um eine tiefgreifende und lebenslange Wirkung zu erzielen. Warum bleiben Bedürfnisse unbefriedigt? Aus einer ganzen Reihe von Gründen, aber oft trifft zu, dass Eltern so sehr

 

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in ihren eigenen unbefriedigten Bedürfnissen (mit dem resultierenden Narzissmus) und Schmerzen versunken sind, dass sie sich um ihr Kind einfach nicht kümmern können.

 

Wir haben aus den Feelings unserer Patienten gelernt – und dies wurde durch Messungen der Vitalfunktionen vor und nach jeder Sitzung unterstützt – dass fehlender Körperkontakt im Alter von 7 Jahren niemals demselben Trauma im Alter von 6 Monaten entspricht.  

 

Ein geschiedener Vater, der seine Familie verließ, als die Tochter 6 Jahre und der Sohn 8 Jahre alt war, kam in das Leben der Familie zurück, als die Kinder in ihren späten Teen-Jahren waren. Er hoffte, die verlorene Zeit wieder gut machen zu können. Es sollte nicht sein. Ihre Beziehung hatte einen schweren Riss, ihr Verlustschmerz hatte sich tief eingebrannt. Um über das Hindernis des früheren Schmerzes hinwegzukommen, müssen die Kinder zu der Zeit zurückgehen, als sie verlassen wurden, den Schmerz fühlen, Papi bitten, dass er nicht geht, und an dem Punkt vielleicht können sie dann ihren Vater ein bisschen besser in der Familie akzeptieren.

In der Tat kann jeder tiefe Schmerz und seine Verdrängung das System verschließen, so dass Liebe kaum noch hinein kann. Schmerz ist der Feind, aber Verdrängung ist sowohl Freund (ursprünglich benötigt, um einen beständigen Kurs zu halten) als auch Feind (wenn wir später lieben wollen). Sie entsteht als Handlanger des Schmerzes. Ist der Schmerz erst aufgelöst, gibt es weniger Bedarf nach Verdrängung.

Wir haben aus den Feelings unserer Patienten gelernt – und dies wurde durch Messungen der Vitalfunktionen vor und nach jeder Sitzung unterstützt – dass fehlender Körperkontakt im Alter von 7 Jahren niemals demselben Trauma im Alter von 6 Monaten entspricht. Zum Beispiel kann fehlende körperliche Nähe in den ersten Lebensmonaten nach der Geburt weniger Nervenfasern bedeuten, die die rechte und linke Hemisphäre des Gehirns verbinden, und als Ergebnis mangelhaften Zugang zu Gefühlen. (Siehe Kapitel 3 für ausführlichere Information). Fehlender enger Kontakt nach dem Alter von 5 Jahren hätte nicht den gleichen Effekt.

Wenn wir ein siebenjähriges Kind nicht liebkosen, hat dies keine verheerenden Konsequenzen, und es geschehen keine kritischen Veränderungen an Gehirnstrukturen. Das Kind leidet, aber sein Hirnsystem als Ganzes ändert sich nicht. Es ist eine schmerzvolle Erinnerung, aber es ist keine Einprägung der gleichen Art, als geschähe es während der kritischen Periode.Traumen in der Adoleszenz sind immer noch schmerzvoll, aber nicht so schmerzvoll wie frühere Deprivation. In der Tat ist der spätere Schmerz gewöhnlich ein Ergebnis dessen , dass er Gefühle auslöst, die mit dem früheren Schmerz verbunden sind, obwohl wir uns dessen völlig unbewusst sein können.

 

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Im Gegensatz dazu haben Prägungen/Einprägungen, eine spezielle Kategorie der Erinnerung, dauerhafte und weitgefächerte Wirkungen. Sie verändern unsere gesamte Physiologie, bestimmen Sollwerte für Schlüsselstrukturen innerhalb des Gehirns und formen folglich die Persönlichkeit. Somit kann ein Mangel an Berührung immense Folgen für ein Baby haben, wenn es gerade auf die Welt gekommen ist und sich sein emotionales Gehirn noch entwickelt. Wenn es nicht berührt wird, löst dies die Produktion des Stresshormons Kortisol aus, das einen katastrophalen Pegel erreichen und Gehirnstrukturen beeinträchtigen kann. Weil sie sich in kritischen Perioden ereignen, sind Einprägungen per Definition weitgehend irreversibel – es sei denn, sie werden neurophysiologisch wiedererlebt.

Eine Reihe von Tierexperimenten zeigt, dass die Neugeborenen, deren Augen man während der kritischen Periode für die Entwicklung des Sehvermögens verbunden hatte, blind wurden. Zwei Harvard-Wissenschaftler, Torsten Wiesel und David Hubel, verbanden Kätzchen gleich nach der Geburt die Augen. Als die Binden später entfernt wurden, waren die Kätzchen blind. Obwohl ihre Augen funktionierten, hatten ihre Gehirne die Fähigkeit verloren, visuelle Information zu verarbeiten, weil ihnen dieser Input während der kritischen Periode fehlte. Dementsprechend finden Leute, die von früher Kindheit an blind sind aber deren Sehkraft später durch medizinische Techniken wiederhergestellt wird, es zu schwierig, sehen zu „lernen.“

Dasselbe trifft darauf zu, wie Liebe die Entwicklung des Gehirns beeinflusst. Liebe bedeutet, ein Bedürfnis zu erfüllen, wenn es entscheidend ist. Sie können das nicht Jahre später nachholen, so wie eine Mutter, deren Mann sie verließ, als die Kinder klein waren. Während der Baby-Zeit ihrer Kinder war sie deprimiert. Als die Kinder älter waren, wollte die Mutter die aufgrund ihrer Depression verlorene Zeit wieder gut machen, aber leider ging es nicht. Die Kinder gaben den Versuch auf, von dieser allein lebenden, deprimierten Frau, die es jeden Tag kaum aus dem Bett schaffte, Liebe zu bekommen. Das Kind kann der Mutter vergeben, aber das unerfüllte Bedürfnis nach ihr, wenn das Kind klein ist, ist gnadenlos und unversöhnlich. Diese Kinder kamen als Erwachsene zum Primal Center und waren in der Lage zurückzugehen und zu fühlen, mit dem ursprünglichen Kind-Gehirn wie kleine Kinder zu weinen. Wie früher bemerkt, ist das ein Weinen, das man später, nach einer Sitzung, nicht nachmachen kann. Eine merkwürdige Dialektik: den Schmerz zu fühlen bewirkte, dass er verschwand. Warum? Weil er zuvor nie voll gefühlt wurde. Er wird gespeichert, bis der Mensch stark genug ist, um sich ihm zu stellen. Vertraue dem System; es weiß, was zu tun ist.

Wenn Therapeuten einem Patienten sagen, was er tun soll oder wie er sich verhalten soll, impliziert dies im Allgemeinen, dass sie dem System des Patienten nicht trauen. Wir entwickeln nicht grundlos Symptome oder ein bestimmtes Verhalten. Das System ist außergewöhnlich logisch. Wir müssen nur herausfinden, was die Logik hinter einem spezifischen Verhalten oder Symptom ist. In unserer Therapie geht es weder darum, auf Geheiß eines Therapeuten zu schreien,

 

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noch darum, gegen die Wand zu schlagen, nachdem uns gesagt worden ist, wir seien wütend auf unsere Väter. Es geht darum, dass wir uns zu fühlen erlauben, was – oft tief im Inneren verschlossen – bereits da ist, und dass wir diese Gefühle voll zum Ausdruck bringen. Es geht um eine systematische Reise zu den Antipoden des Geistes, bei der der Patient den Weg weist.

DIE ERFÜLLUNG DER LIEBE

Das Bedürfnis nach Liebe ist ganz genau so wichtig wie das Bedürfnis zu sehen. Wird uns dieses Bedürfnis versagt, verlieren wir einen Teil der Fähigkeit, Liebe zu geben und zu empfangen. Sagen wir also nicht: “Schau, warum bist du deprimiert? Du hast eine Freundin, die dich liebt.“ Sie kann das Loch niemals zufüllen, und das trägt zu einer endlosen Suche nach dem bei, was fehlte, und manifestiert sich oft in Untreue. Eine Ehefrau oder Ehemann zu haben, die oder der uns liebt, kann nie bewirken, dass wir uns geliebt fühlen, wenn wir uns erst ungeliebt fühlen. Es ist als würde man versuchen, die Einprägung ungeschehen zu machen. Lassen Sie mich konkreter werden: man kann sich mit einem Ehepartner wohl fühlen, aber unter dem Wohlgefühl und der „Liebe,“ die man in der Gegenwart empfindet, liegt das allgegenwärtige Gefühl, das etwas fehlt. Trotzdem zählen die Gefühle, die wir für andere haben oder von ihnen bekommen, eine Menge; es hilft, den Schmerz zu stillen. Hat sich Deprivation einmal festgesetzt, können wir versuchen, sie mit vielen anderen Partnern aufzufüllen, und es funktioniert nie und ist nie voll befriedigend. Die Untreue geht immer weiter. Denken Sie daran, dass sich das Gehirn in der Kindheit noch entwickelt. Ein früher Mangel an Liebe kann diese Entwicklung stören. Wir sehen den Beweis dafür in der Verzweiflung und Paranoia, die jemand mit einem Partner fühlt. In der gleichen Minute, in der die andere Person mit einem anderen redet, setzt Eifersucht ein – dann Wut, Gegenbeschuldigungen und Verdächtigung. Je stärker die frühere Deprivation, umso weniger braucht es in der Gegenwart, um den Schmerz auszulösen. Ein Musiker, den ich sah, verlangte von seiner Freundin, dass sie ihre Augen auf den Boden gerichtet halte, wenn sie auf einer Party waren. Er wollte nie, dass sie einen Mann ansah.

Wenn wir ein kleines Kind nie loben oder wenigsten genau beachten, was es in seiner frühen und späteren Kindheit schafft, können wir eine Einprägung verursachen und die Neurophysiologie des Kindes verändern. Danach wird jede Ermutigung und jedes Lob auf  taube Ohren stoßen oder wenigstens auf ein taubes limbisches System – Gehirnzonen, die unsere Gefühle und Emotionen vermitteln. Die kritische Periode wird gekommen und gegangen sein. Das Bedürfnis nach Lob ist vielleicht im Alter von sechs Monaten nicht essentiell, aber mit fünf Jahren ist es entscheidend. Es ist dann kein Wunder, dass ein Filmstar, der in einem Waisenhaus aufwuchs, nie Befriedigung erlebt, gleich, wieviel Schmeichelei und Liebe sie später im Leben bekommt. Gegenwärtige Liebe hilft; sie schwächt vielleicht den Schmerz, den sie spürt, aber sie ändert nie etwas daran. Täte sie es, dann

 

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hätte Marilyn Monroe nicht eine Beziehung nach der anderen gehabt auf der Suche nach dieser schwer faßbaren und unzuverlässigen Sache namens Liebe.

Es trifft auch zu, dass der lebenslange Kampf um die Erfüllung dieses Bedürfnisses umso größer sein wird, je tiefer der Mangel an Befriedigung ist, den man in der frühen Entwicklung erfahren hat. Man kann den Beifall von Tausenden bekommen aber dennoch befriedigt es nicht. Könnte man Liebe später im Leben nachholen, würden die Rockstars, die ich in der Therapie sehe, sich wohl fühlen. Das tun sie selten. Mütter, die während der Schwangerschaft von ihren Männern verlassen wurden, haben vielleicht Kinder mit einer größeren Tendenz, homosexuell zu werden. Man hat festgestellt, dass Sexualhormone durch die Stress-Situation der schwangeren Mutter verändert werden können. 7

Zum Beispiel haben Forscher herausgefunden, dass sich weibliche Charakteristika permanent änderten, wenn der Fetus im Mutterleib hohen Mengen an Testosteron ausgesetzt war. Bestimmte widrige Merkmale während der Schwangerschaft maskulinisieren den weiblichen Nachwuchs. Weibliche Ratten zum Beispiel spielen wie Männchen und zeigen Besteigungsverhalten.

Ist Homosexualität eine Wahl? Wahrscheinlich nicht. Würde der Vater nach dem dritten Jahr im Leben des Kindes gehen, wären die Auswirkungen nicht so katastrophal wie in der kritischen Periode, wenn in der Schwangerschaft die Sollwerte der Sexualhormone festgelegt werden. Aber mit einer gestressten Mutter während der Schwangerschaft und späterer Deprivation durch einen Vater, der das Haus verlassen hat, haben wir bei einem kleinen männlichen Kind das mögliche Rohmaterial für offene Homosexualität. Der Verlust väterlicher Liebe verstärkt lediglich die frühen Veränderungen bei den Sexualhormonen und erzeugt vielleicht latente Homosexualität. Das muss nicht unbedingt in jedem Fall zutreffen, aber man sollte sich dessen doch bewusst sein. Andere Tatsachen würden auf ein weibliches Kind zutreffen.

Die kritische Periode für intellektuelle Entwicklung tritt viel später ein als die für physische Liebe. Ein 5 Monate altes Baby fühlt sich nicht dumm, unbedeutend, wie es behandelt wird. Aber wenn später in der Kindheit angemessene intellektuelle Entwicklung stattfindet, ist das Kind empfänglich für emotionale Einflüsse und kann dazu gebracht werden, dass es sich dumm fühlt. Wenn wir uns dumm fühlen, weil das die Art ist, wie wir vom Alter von 6 an bis zum Alter von 15 behandelt wurden, werden wir wahrscheinlich hinterher glauben, dass wir dumm seien.

Inniger Kontakt zwischen Mutter und Kind in den ersten Wochen und Monaten des Lebens reguliert das (schmerztötende) Opiatrezeptor-  System auf solche Weise, dass optimale Mengen dafür sorgen, dass wir uns wohl fühlen. Wenn wir reifen und erwachsen werden, sind wir deshalb in der Lage dafür zu sorgen, dass unsere eigenen Kinder sich ebenso wohl fühlen, und wir befähigen sie, mit Stress fertig zu werden, ohne dass sie überwältigt werden. Eltern, die als Kind geliebt wurden, haben eine Ruhe, die sich dann

 

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auf ihr eigenes Baby überträgt. Eine angespannte Mutter, die mit ihrem Kind grob umgeht, vermittelt ihm kein Gefühl der Ruhe. Eine Mutter, die verzweifelt Liebe braucht, benutzt vielleicht ihr Baby, um ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, und sie verlangt zu viel von ihm, so dass es nicht es selbst sein kann.

Wir sahen vor kurzem einen jungen männlichen Homosexuellen, dessen Vater nicht das Haus verließ, sich aber emotional verabschiedet hatte. Er war Boxer und ein harter Bursche, der wollte, dass sein Sohn in seine Fußstapfen trat. Seinen Sohn zu herzen und küssen kam nicht in Frage. Sein Männlichkeitswahn erlaubte es nicht. Er boxte und rang mit seinem Sohn, bot aber nie zärtliche Berührung an. Genau das suchte unser Patient im späteren Leben – ein bisschen Zärtlichkeit. Er war sich dessen nie bewusst, als er aufwuchs,  aber sein Körper speicherte das Bedürfnis, bis es sich in einer liebevollen Beziehung mit einem anderen Mann ausdrücken konnte. Die Zeitdistanz zwischen fehlender Liebkosung von seinem Vater und seinem späteren Bedürfnis nach männlicher Liebe war so groß, dass es nicht in Frage zu kommen schien, beides zusammenzufügen. Als er zu uns kam, weinte und schrie er nach dieser Liebe von seinem Vater.

SCHMERZ UND VERDRÄNGUNG

An früherer Stelle sagte ich, dass Mutters Liebe in den kritischen Perioden zu Beginn des Lebens wie eine Droge sei. Aber wenn diese mütterliche Liebe fehlt, leiden wir. Liebesmangel ist Schmerz. Ein Baby kann mit dem Gefühl nicht überleben, dass Mutter nie kommen wird oder dass alles zutiefst hoffnungslos ist. Glücklicherweise muss das Baby solchen Schmerz nicht ertragen. Das Gehirn des Babys wird sich an den Liebesmangel anpassen und durch Verdrängung einen Weg finden, damit fertig zu werden.

Als Überlebensmechanismus gestattet Verdrängung, Gefühle zu blockieren und umzuleiten und dann zu ‚verrücken’, so dass das Baby ein entsetzliches Gefühl wie „Ich sterbe, wenn meine Mutter mich nicht liebt“ nicht mehr empfinden muss. Natürlich werden solche Feelings nie artikuliert, sie werden nur empfunden. Dennoch werden sie ins Gehirn eingeprägt  als Gefühl von „Ich sterbe, wenn sie mich nicht liebt“. Jahre später, wenn aus dem Baby ein Mann geworden ist und seine Freundin ihn verlässt, taumelt er vielleicht in eine tiefe Depression, genau das, was wir gegenwärtig bei einem unserer jungen Patienten sehen. Er war aktiv suizidal – er fühlte, dass er nicht weiterleben konnte und er wollte es nicht. Wir fanden heraus, dass es das gleiche Feeling war, das er hatte, als seine Mutter mit einem anderen Mann davonlief und ihn der Erziehung durch seinen Vater überließ. Die Einprägung löste das Gefühl der Verlassenheit aus („Ich sterbe, wenn sie mich nicht liebt“). Die Verknüpfung zwischen dem Gedanken und dem Gefühl ist buchstäblich eine Reihe aufeinander bezogener Nervennetzwerke, wobei jede Nervenzelle oder jeder Schaltkreis den angrenzenden in Gang setzt; gemeinsam berufen sie dann ein Treffen, eine

 

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Versammlung ein, und die auslösende Ursache wird enthüllt. Wir müssen bei dieser Versammlung zugegen sein. D.O. Hebb diskutierte die Versammlung der Neuronen vor etwa 50 Jahren.

Obwohl er verdrängt worden ist, klopft der überwältigende Schmerz, der von der fehlenden Liebe am Lebensanfang herrührt, ständig gegen die Tür des Bewusstseins. Das System tut, was es kann, um dieses Bewusstsein zu blockieren, weil es bedeutet, dass man Schmerz fühlt. Aber wenn ein frühes Trauma einige unserer eigenen intern produzierten Schmerzkiller – Neurotransmitter wie z.B. Serotonin -  erschöpft, ist die Fähigkeit des Gehirns, Schmerz in Schach zu halten, geschwächt. Die Person fühlt sich vielleicht gezwungen, zu Drogen oder Alkohol zu greifen, um den Zweck zu erfüllen. Zum Beispiel leisten viele Tranquilizer, was unser eigener Körper leisten würde, wäre seine Fähigkeit, seine eigenen Schmerzkiller zu erzeugen, nicht durch Trauma und frühen Liebesmangel beeinträchtigt worden. Oder jemand wird vielleicht von Substanzen abhängig, die dafür sorgen können, dass er sich gut fühlt, wie z. B. Kokain, das den Dopaminspiegel anhebt (das „Gutfühl“- Hormon) und an Stelle seiner Mutter tritt. Es lässt ihn Stärke und Wärme spüren und gibt ihm ein „Du-kannst-es“-Gefühl, alles das, was seine Mutter am Lebensanfang hätte tun sollen. Anscheinend ist er von Kokain abhängig, aber in Wirklichkeit ist die Droge eine Ersatzmutter, die abhängig macht. Seine Mutter hätte ihm lebenslang einen optimalen Dopaminspiegel geben können. Jetzt ist es zu spät. Also begnügt er sich mit einem Ersatz.

 

Zum Beispiel leisten viele Tranquilizer, was unser eigener Körper leisten würde, wäre seine Fähigkeit, seine eigenen Schmerzkiller zu erzeugen, nicht durch Trauma und frühen Liebesmangel beeinträchtigt worden.

 

Dementsprechend ist die Sorge und Freundlichkeit eines Therapeuten eine zeitweilige Dosis von 20 Milligramm Prozac wert, ein Ersatz für Serotonin. Deshalb werden viele Leute von Therapie abhängig. Wir kehren immer wieder zu ihr zurück, wissen oft nicht, warum, aber dennoch ist es sehr beruhigend, jemanden zu haben, der ausschließlich uns allein zuhört. Was die meisten unserer Drogen machen, ist, dass sie die Substanzen ersetzen, die während der Einprägung verloren gingen oder vermindert wurden. Frühe Liebe sorgt für die optimale Menge an Serotonin in unseren Systemen. Aber Liebesmangel erzeugt Defizite. Prozac schreitet ein und macht, was Mutter hätte machen sollen. Das Bedürfnis nach Heroin und jeden anderen Schmerzkiller ist genau dasselbe frühe Bedürfnis nach Mutter.Es war und ist eine Sache auf Leben und Tod. Kurz gesagt ist Drogen zu nehmen gleichbedeutend mit dem Versuch, einen Mangel wettzumachen.

 

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Ist Sucht eine schlechte Gewohnheit? Ich behaupte, dass es meistens ums Überleben geht. Sie sollte nicht als Moralurteil verworfen werden. Sollte man damit prahlen, von Drogen weg zu sein? Die Anonymen Alkoholiker denken so, und es ist offensichtlich wichtig, aber man muss wissen, was man nach dem Absetzen zu tun hat. Andernfalls zehrt das System an sich selbst und zerstört Organe, was letztlich unser Leben verkürzen wird. Das Bedürfnis verschwindet nicht. Es bleibt unser Leben lang in ursprünglicher und reiner Form. Es wird von Erfahrung nicht berührt, weil es gegen jede –auch symbolische-  Erfahrung abgehärtet ist, die das Bedürfnis nicht erfüllt. Wir stecken in einer Zeitfalle fest.

Später werden wir sehen, wie die Worte eines Therapeuten, egal ob richtig oder falsch, unsere Qualen besänftigen können. Wir können uns zu dem Gedanken verleiten lassen, dass es die „Einsichten“ sind, die wir  in der Therapie haben, was uns besser fühlen lässt, aber in Wirklichkeit ist es die ganze Zeit der fürsorgliche, beruhigende Ton des Therapeuten. Er dämpft Schmerz, den Schmerz wegen einer Mutter, die teilnahmslos und unaufmerksam war; den Schmerz wegen eines Vaters, der sich nie kümmerte, nie sanft war und dessen Ton unerbittlich hart war. Die Präsenz des Therapeuten sagt: „Ich bin jetzt da. Alles wird gut.“ Einfach dass wir in seinem Büro sind, kann bewirken, dass wir uns besser fühlen.

Es ist schön, sich besser zu fühlen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Aufmerksamkeit, die wir jetzt bekommen, nicht deren Fehlen wettmachen kann, als sie entscheidend war. Die kritische Periode ist vorüber. Wäre dem nicht so, dann würde uns die Zuwendung des Doktors gesund machen. Weil sie aber nach der kritischen Periode geschieht, kann sie nur lindern. Sie kann dazu beitragen, ein wackeliges Abwehrsystem zu stabilisieren, aber es kann das Bedürfnis niemals auslöschen. Ich wiederhole es bis zum Überdruß: Wir können Neurose nicht weglieben. Auch wenn wir Mama wiederauferstehen lassen könnten und sie dazu bewegten, dass sie ihr erwachsenes Kind küsst und herzt, könnte keine noch so große Liebe in der Gegenwart den Schaden ungeschehen machen. Deshalb kann ein freundlicher Therapeut, der besorgt und interessiert ist, in seinem Patienten kein Gleichgewicht wieder herstellen. Keine noch so große Menge an Zuwendung und Einsichten wird eine tiefgreifende Veränderung einleiten. Keine Psychotherapie kann diese Bedürfnisse verändern, noch können es Drogen oder andere von diesen Bedürfnissen gesteuerte Formen des Ausagierens, wenn sie erst einmal besiegelt sind.

Allgemeiner gesprochen müssen wir daran denken, dass es sinnlos ist, Gedanken zu benutzen, um die Effekte tief eingravierter Traumen zu behandeln. Wie wir sehen werden, ist es nicht möglich, Gedanken und Gedankenprozesse, die buchstäblich Millionen Jahre später in der Evolution der Gehirnentwicklung auftraten, zu benutzen, um zu beeinflussen, was tiefer im Gehirn liegt und sich Millionen Jahre früher entwickelte.

FALLSTUDIE: STASH

"Ich kam schwach und erschöpft zur Welt. Die Medikamente, die man meiner Mutter gegeben hatte, waren durch ihr System hindurch in meines eingedrungen und versuchten mich umzubringen; genauso empfand ich es, dass etwas versuchte mich umzubringen. Ich wurde wiederholt geschlagen

 

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und in abwechselnd heißes und kaltes Wasser getaucht, um mich nach dem Kaiserschnitt wiederzubeleben, den man machte, um mich vor dem Tod durch medizinisch eingeführte Drogen zu bewahren.

Ich hatte nie eine Pause; ich hatte nie Gelegenheit, zu genesen und mich zu erholen; man erwartete, dass ich ein normales Baby sei; tatsächlich ein exzellentes Baby, das perfekte Baby, auf das man stolz sein konnte. Ich brauchte Ruhe und eine Menge Pflege, nicht aber, dass ich irgendwelchen Erwartungen gerecht wurde; und warum überhaupt sollte man Erwartungen von jemandem haben, der so neu auf der Welt ist?

Ich habe mich immer in die Vergangenheit zurückgezogen. Die Vergangenheit scheint mir immer, als sei sie besser für mich als die Gegenwart. Ich erinnerte mich, wie ich wahrscheinlich ein Jahr alt war oder weniger und in einem Raum lag, der, wie ich glaube, das Apartment meiner Eltern war. Alles, woran ich mich erinnere, ist, dass ich allein war, in einer Krippe; der Raum war abgedunkelt, aber draußen war es sonnig und warm, Vorhänge wehten leicht von einem großen offenen Fenster oder einer Verandatür. Der wichtige Teil ist, dass ich allein war und mich sehr, sehr allein fühlte. Ich hatte dieses melancholische Feeling, das der Unterbau aller meiner Gefühle in meinem ganzen Leben ist, ein Sehnen nach der Vergangenheit. Stellen Sie sich vor, sich nach der Vergangenheit sehnen im Alter von weniger als einem Jahr! Für mich ist es Gefühl, nach Hause zu wollen; zurückgehen an einen Ort, an dem ich mich okay fühle und wo es keine Melancholie mehr gibt.

Das war der Anfang meiner Depression, und von da an wurde sie nur noch stärker. Ich glaube, wonach ich mich sehnte, war, zurück  im Mutterleib zu sein, wo alles ganz war und reine Zuwendung und – was am wichtigsten ist – wo ich nie allein war. Ich weiß, dass es dennoch nicht ideal dort war, weil meine Mutter Alkoholikerin war und rauchte, aber verglichen mit der völligen Einsamkeit, die ich zu der Zeit fühlte, war es ein viel besserer Ort.

Alles, was ich je wollte, war, so zu sein, wie meine Eltern mich haben wollten, besonders mein Vater. Ich wollte all das sein, was sie von mir wollten, und noch mehr. Die Wahrheit ist, alles, was ich je wollte, war, meinen Eltern zu gefallen, trotz meines Benehmens, als ich älter wurde und rebellisch und zornig wurde.

Das vorherrschendste Thema in meinem Leben, das sich auf unzählige Weise ständig wiederholt, ist, dass ich immer leugnen muss, mich schwach zu fühlen, und dass ich Stärke vorgebe. Schwäche ist für mich unglaublich bedrohlich; ich fürchte immer, die Leute könnten sie in mir sehen und mich deshalb ablehnen. Ich kann mich nie in sie ergeben; ich habe unermessliche Energien aufgewendet, um sie ständig in Schach zu halten. Ich konnte ihr nur gelegentlich nachgeben, konnte sie aber nie herrschen lassen, weil das ein Loch ist, aus dem ich nie wieder herauskrabbeln könnte; für mich ist sie der Tod.

Ich hatte immer das Gefühl, das etwas mit mir nicht stimmte. In doppeltem Sinne, indem etwas Wahres daran ist, und ebenso, indem ich einfach nicht in der Lage war, die Erwartungen meiner Familie zu erfüllen. Ich glaube, Menschen (und Tiere, was

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das betrifft) haben fest verankerte Erwartungen in unsere Gene. Eine davon ist, durch den Geburtskanal auf die Welt zu kommen und das zu erleben, sowohl Mutter und Kind. Wenn das nicht geschieht, wie es sollte, fühlt sich etwas nicht richtig an und wird sich nie richtig anfühlen, bis es aufgelöst und erlebt wird. So hatte ich immer das Gefühl, das etwas mit mir nicht stimmte, weil es wirklich so war; ich wurde nicht so geboren , wie es hätte sein sollen, und fühlte mich nicht so, wie ich mich hätte fühlen sollen. Tatsache war, dass es ziemlich schief lief, und ich fühlte sogar, dass ich nicht hätte geboren werden sollen, dass ich hätte sterben sollen.

Irgendwas zu tun war für mich immer doppelt so schwer wie für andere, die kein solches Trauma hatten. Ich musste nicht nur ebenso gut oder besser als andere sein, sondern ich musste gleichzeitig dieses überwältigende Gefühl von Müdigkeit und Schwäche verdrängen. Man erwartete, dass ich in allen Dingen überragend sei. Weder meine Eltern noch jemand anderer verstanden, dass ich mein Leben mit einem riesigen Defizit begonnen hatte und deshalb Hilfe, Zuwendung, eine Pause, niedrigere Erwartungen, etc. brauchte. So erwartete man von mir, überall zu glänzen, und es gab für sie keinen Grund, warum ich nicht sollte. Schließlich hatte ich in ihren Augen kein Handicap. Und wenn ich mich nicht hervortat, meinte ich also, etwas stimme mit mir nicht, ein doppelter „Hammer.“ Und wenn doch, nun, dann wurde es einfach so erwartet. Keiner hatte eine Ahnung, dass es von  mir doppelt so viel Energie, Herzschmerz und Anstrengung erforderte wie von den meisten Leuten.

So habe ich mein ganzes Leben damit verbracht, dieses unglaublich bedrohliche Gefühl zu bekämpfen, da ich fühlte/dachte, dass etwas mit mir nicht stimmt, dass ich minderwertig sei, etc. Auch der kleinste Fehler war riesig, indem er diese Wurmbüchse öffnen würde. Dennoch versuchte mein System immer Normalität zu erreichen, indem es zu dieser Erfahrung zurückging, um dieses Gefühl zu fühlen und aufzulösen. Und hier habe ich gedacht, ich bin ein Verlierer, ein Versager, nicht wert, dass man ihn kennt oder dass er  zugegen ist, einer, der keine Talente, Fähigkeiten hat, grundsätzlich wertlos ist und einer, dessen man sich schämt, und ich fragte mich, warum  jemand mich mögen sollte oder mein Freund sein wollte. Immer wollte ich einfach die Gelegenheit haben, mir eine Pause zu nehmen, Luft zu holen, ein bisschen auszurasten..... und immer wollte ich die Chance haben, nochmal neu anzufangen und es dieses Mal richtig zu machen.

Ich hatte Drogen- und Alkoholexzesse. Kokain war der Favorit wegen der Energie, Omnipotenz und Betäubung, die es mir gab. Ich stürzte dann auf diesen Partys ab, brachte die Realität mit dem Katerfeeling im Inneren in Einklang und erholte mich dann, bevor ich den Kreis von vorne begann. Das ist genau so, wie meine Geburt verlief, Drogen und alles. Irgendwie schaffte ich es, in dieser Zeit mein eigenes Geschäft zu betreiben und ebenso, mich fast jeden Tag  im Fitnessstudio herauszuarbeiten, in einer Band zu spielen und eine Menge Frauen zu treffen.

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Ich bin also erschöpft. Das ist das Wesen der Depression. Es ist das Gefühl des ursprünglichen ‚hochkarätigen’ Traumas, das ins Bewusstsein kriecht, zusammen mit dem gewaltigen Maß an Verdrängung, das ständig erforderlich ist, um dieses katastrophale Feeling unbewusst zu halten. Man muss sich schwer abtöten, um zu verhindern, dass  das Feeling des Traumas die Macht ergreift. Es gibt jedoch einen Preis dafür, der im Abtöten allen Erlebens besteht, und in einer tiefen Schwermut, die ein Sehnen danach ist, wie die Dinge sein sollten. Wir sind alle mit dieser festverdrahteten Erwartung in uns geschaffen. Komisch, wir wissen, wie wir uns fühlen und wie wir sein sollten, und wenn es nicht geschieht, gibt’s Melancholie; denn das Leben ist nicht ganz so, wie es unseres Wissens sein sollte.

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KAPITEL 3

 

WO GEDANKEN UND VORSTELLUNGEN ENTSPRINGEN: DIE VERSCHIEDENEN SPRACHEN DES GEHIRNS

 

Wenn wir verstehen wollen, warum wir uns so verhalten, wie wir uns verhalten, und warum wir an verschiedenen Krankheiten leiden, brauchen wir ein grundlegendes Verständnis des Gehirns und seiner Funktionsweise. Wir müssen wissen, wo emotionaler Schmerz seine Wurzeln hat und wie er dort hinkam, bevor wir anfangen können zu verstehen, wie man ihn  erreicht und auflöst. In der Psychotherapie ist dies besonders wichtig, denn, wie jemand einmal sagte, „wenn Sie in den falschen Zug einsteigen, ist jeder Halt, den Sie machen, der falsche.“

Trauma und fehlende Liebe bringen uns von Beginn an auf die falsche Spur. Das trifft wortwörtlich zu, wenn es ums Gehirn geht, denn dort gibt es Nervenbahnen, die aufgrund frühen Schmerzes abgelenkt und umgeleitet werden; es ist wie ein Haus, das nicht korrekt verdrahtet ist, so dass alle elektrischen Schaltkreise zu den falschen Ausgängen oder Steckdosen führen. Wenn wir von einer Abweichung nichts wissen, dann wissen wir auch nicht, wo die Normalroute verlaufen sollte. Und schlimmer noch, weil wir zu dem Gedanken neigen, dass die Abweichung rein „psychologisch“ sei, übersehen wir letztlich das Physiologische als Ganzes; wir denken, dass Gedanken von selbst „losgehen“ oder geschehen, während der Rest von uns beständig und fixiert bleibt.

Wir haben viele Patienten gesehen, die reine Intellektuelle sind, die keine Ahnung vom Universum der Gefühle haben. Unsere Therapeuten müssen wissen, welches Gehirnsystem der Patient benutzt. Zum Beispiel sehen wir vielleicht, was ich als „First-Line-Intrusion“, als „Eindringen der ersten Ebene“ bezeichne: Der Patient beginnt, die Vernachlässigung in seiner Kindheit zu fühlen, und fängt dann gleich an zu husten, erlebt übermäßigen Speichelfluss, würgt, bringt seine Arme in die fötale Position, und so weiter. Wir kennen die Zeichen der Intrusion; das heißt, dass wir verstehen, dass tiefe Gehirn-Einprägungen vorwärts drängen und das Feeling vernebeln, mit dem man sich gerade beschäftigt.

 

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Wir haben dann die Wahl: entweder befassen wir uns mit der Intrusion oder benutzen Medikamente, um sie eine Zeit lang zu unterdrücken, so dass der Patient seine Gefühle erleben kann. Wir brauchen eine Gestalt/ein neurologisches Verständnis, um unsere Wahl zu treffen. Jedenfalls sehen wir durch diese Intrusion, dass das Hemmungs- und Verdrängungssystem fehlerhaft ist.

Wir haben einen französischen Patienten, der versucht, Ereignisse aus der Kindheit zu fühlen, aber sobald er Zugang hat, kommen die Geburtszeichen hoch und blocken jede Fähigkeit zu fühlen ab. Er läuft rot an, ringt um Sauerstoff, würgt und kann einfach nicht weitermachen mit seinen Kindheitserinnerungen. Hier grub die Kindheitserinnerung – „Ich bin ganz allein, ich existiere für sie nicht“ (die später zu „Ich existiere nicht“ führen kann, anders bekannt als niedriges Selbstwertgefühl) – das primäre Alleinsein gleich nach der Geburt aus, als er drei Tage unter oberflächlicher mechanischer Obhut allein gelassen wurde. Es gibt keine Trennung zwischen Bewusstseinsebenen, so dass sich der Patient  die ganze Zeit überwältigt fühlt. Es gibt gewisse pathognomonische (sichere) Zeichen der Geburtsintrusion, die man genau so wenig vortäuschen kann, wie ein Patient ein Absinken der Körpertemperatur um zwei Grad (F) vortäuschen kann.

Wenn ein Patient zur Psychotherapie kommt, hat er oder sie aller Wahrscheinlichkeit nach ein Verhalten an sich, dass sich so tief eingegraben hat, dass sein Ursprung praktisch unzugänglich ist. Konventionelle Therapien wie Verhaltens- Kognitions- und Einsichtstherapie haben nicht die nötigen Werkzeuge, um die frühen Einprägungen zu finden, die der Ursprung der Neurose des Patienten sind. Wenn ein Patient gesund werden soll, dann muss der Psychotherapeut die Werkzeuge haben, um die Pfade zu den Wurzeln des emotionalen und körperlichen Aufruhrs im Patienten zu finden. Das Gehirn zu verstehen – wie seine Bahnen und Schaltkreise verlegt sind – ist wesentlich, wenn wir unseren Weg zur Wurzel eines Problems finden wollen. Das Therapieziel muss sein, fließende Kommunikationslinien unter den Bewusstseinsebenen einzurichten. Genau das macht volles Bewusstsein aus.

Das Gehirn hat tatsächlich drei, nicht zwei Ebenen des Bewusstseins, von dem die meisten denken, es gebe einfach die bewusste und die unbewusste Psyche. Aber wenn wir die drei Ebenen verstehen, sehen wir schließlich, wie gewisse Erlebnisse abhängig davon, wann sie sich ereigneten und wieviel Kraft hinter ihnen steckte, in spezifische Gehirnebenen eingeprägt werden. Wenn jemand zum Beispiel Drogen oder Tranquilizer nimmt, beruhigt er unterschiedliche Bewusstseinsebenen und die eingeprägte Erinnerung des Erlebnisses, das den Schmerz entstehen ließ.

Die Forschung zeigt, dass es eine große emotionale Antriebskraft geben muss, damit ein Trauma sich in das Gehirn einprägt. Es gibt viele Arbeiten über das Wiederauffinden von Erinnerungen und darüber, welche Gehirnsysteme damit betraut sind.

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Wir werden den Weg entdecken, den das Fühlen im Gehirn nimmt, wie es blockiert wird und was mit uns geschieht, wenn es blockiert worden ist. Wir werden auch herausfinden, warum Gefühle die sine qua non jeder geeigneten Psychotherapie sein müssen.

DIE DREI BEWUSSTSEINSEBENEN

Im Grunde haben wir drei Gehirne in einem: den Hirnstamm, das limbische System und den Neokortex; jedes dieser Gehirne begründet eine Bewusstseinsebene und jedes hat sein eigenes Erinnerungssystem. Wir erinnern uns an Gerüche, Empfindungen, auch an Gespräche, alles auf unterschiedlichen Gehirnebenen, obgleich sie alle miteinander verknüpft sind.

 

 Abbildung 2: Die Bewusstseinsebenen

 

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ERSTE LINIE (EBENE): DER HIRNSTAMM

Die erste Ebene, der Hirnstamm, ist ein primitives oder reptilisches Gehirn und stellt unser ältestes Gehirnsystem dar. (Ich bezeichne es manchmal als Salamandergehirn, weil das limbische System und der Hirnstamm einen Gutteil des Gesamthirns des Tieres ausmachen). Der Hirnstamm sollte sich als erster entwickeln, und er war der erste Teil des Zentralnervensystems, der sich in der Evolution des Menschen entwickelte. Salamander haben übrigens so ziemlich das limbische System, das wir haben, in primitiver Form. Der herausragende Neuroanatom E.J. Herrick identifizierte sie als wandernden, schwimmenden, lebenden Hirnstamm. Es scheint, dass wir diesen Teil niemals verloren. Wir haben an seinem oberen Ende einfach neues Gewebe hinzugefügt. Wenn Patienten auf dieser Ebene unten sind, gibt es keine Worte und kein Schreien oder Weinen eines Erwachsenen – im Wesentlichen hört man ein Stöhnen.

Der Hirnstamm führt aus dem rückseitigen Boden des Gehirns heraus und hinab durch das Rückenmark. Er befasst sich mit Instinkten, basalen Bedürfnissen, Überlebensfunktionen, Schlaf und basalen Prozessen, die uns am Leben erhalten, wie z.B. Körpertemperatur, Blutdruck und Herzfrequenz. Ich bezeichne es als „First-Line“- oder Überlebensgehirn.

Der Hirnstamm nimmt um den 33sten Tag der Zeugung Gestalt an. Nach dem ersten Monat im Mutterleib haben wir einen ziemlich vollständigen Hirnstamm und mit ihm geht die Fähigkeit einher, Traumen zu verschlüsseln und zu speichern. Neben sehr tiefer Atmung ist der Hirnstamm auch an Geschmack und Hören beteiligt. Wir können  Depression, Angst, Stress, Drogenkonsum, Rauchen oder Trinken einer Mutter speichern. Die Mutter kann auch  durch ihre Hormonveränderungen kommunizieren, durch die unbewusste Ablehnung ihres kommenden Babys, die dann im Hirnstamm des Babys gespeichert wird. Eine solche Erfahrung wird offensichtlich nicht als Gedanke gespeichert, weil wir noch keinen Neokortex haben, der unseren denkenden, intellektuellen Verstand verkörpert. Aber wichtig ist, dass die Einprägungen in diesem Speicher später gewisse Gedanken und gedankliche Irrwege hervorrufen können. Sie werden den Nervenbahnen zu höheren Gehirnzentren folgen, die sich dann mit dem Erlebnis des ursprünglichen Traumas auf verschiedene Weise ausführlich befassen und unser Denken entsprechend  beeinflussen. Auch ohne die oberste Ebene, den denkenden frontalen Kortex, der Schmerz durch Worte ausdrückt, können Tiere und Menschen noch schreien und weinen. Hirnstamm-Einprägungen der ersten Ebene sind so mächtig, dass sie jede spätere Gehirnentwicklung stören können. Die emotionale Entwicklung kann so fragil sein, dass eine Person, auch wenn sie in der Kindheit etwas Liebe bekommen hat, es nie schafft, sich stark zu fühlen, einen Job zu behalten, als Mensch beständig und solide zu sein. Die tiefen Einprägungen können trotz späterer Liebe Bettnässen, Alpträume, hohen Blutdruck und vorzeitige Ejakulation bewirken. Oft waren, was Freud für Hysteriker hielt, einfach First-Liners – von der ersten Ebene dominierte Leute – denen es an Struktur fehlte und die völlig durcheinander zu sein schienen. Diese frühen Einprägungen lenken oft unser Leben – machen uns impulsiv und konzentrationsunfähig, lassen

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uns unter tiefen Mittellinien-Symptomen leiden (wie z.B.Darm- und Atmungsprobleme) und bilden die Grundlage für spätere Migränen.

Es gibt den weitverbreiteten Mythos, dass emotionaler Schmerz sich von körperlichem Schmerz unterscheide. Es gibt eine Studie eines UCLA-Psychologenteams, welche die zwei Schmerzarten erforschten.  Unter Verwendung von MRIs (Magnet-Resonanz-Bildern) zur Überwachung der Gehirnaktivität einer Studentengruppe wurde ein Spiel so manipuliert, dass die Versuchspersonen sich abgelehnt fühlten – ein emotionaler Schmerz. Der Gehirnscan zeigte an, dass der Ort dieser Schmerzart im Zentrum des Gehirns war, in einer Struktur, die als Cingulum bekannt ist, zusammen mit Teilen des rechten präfrontalen Kortex.1 ( Wir werden später im Kapitel über das linke und rechte Gehirn sehen, dass das rechte präfrontale Areal der höhere Verarbeitungsort für Gefühle ist). Das Cingulum hat auch eine Schlüsselrolle in der Verarbeitung körperlichen Schmerzes. Mit anderen Worten unterscheidet das Gehirn nicht zwischen verschiedenen Arten von Verletzung – eine Verletzung ist ungeachtet des Ursprungs eine Verletzung. Eine emotionale Krankheit ist etwas, das wirklich weh tut, und das System verschließt sich, wenn Schmerz einer jeden Variante zu intensiv wird. Eine frühe emotionale Verletzung wird in das physische System eingegraben und dort bleibt sie. Verlassen zu werden, was von Kindern als extreme Ablehnung wahrgenommen wird, ist körperliche Agonie, oft zu heftig, als dass sie gefühlt werden könnte. Einige sagen: „Ah, es ist nur in deinem Kopf. Du wirst darüber hinwegkommen!“ Nicht so schnell. In der Psychotherapie müssen wir daran denken, dass sich mit emotionalem Schmerz zu befassen bedeutet, seine gesamte physiologische Ausstattung zu erfahren. Ein paar Tränen oder Seufzer können den Job nicht erledigen; nicht wenn wir den Schaden emotionaler Deprivation in der frühen und späteren Kindheit ungeschehen machen wollen.

Und warum tun Emotionen so weh? Weil wir eine starke emotionale Interaktion mit unseren Eltern brauchen, wenn wir überleben wollen (siehe Kapitel 2). Tiere mit beschädigtem Cingulum versuchen nicht mehr, ihren Nachwuchs in ihrer Nähe zu halten und die Babys (die ein beschädigtes Cingulum haben) geben keinen Schrei mehr von sich, wenn sie getrennt werden. Das Cingulum ist wichtig, weil dieser Schrei notwendig ist, damit die Mutter zum Kind läuft.

Wenn das Gehirn sich entwickelt, begleitet die Erinnerung seine Entwicklung zu höheren Orten und nimmt innerhalb des neuen höheren Nervensystems Gestalt an. Jedes Trauma, das uns widerfährt, wird zuerst vom limbischen System (Fühlen) absorbiert und dann vom kortikalen Apparat (Gedanke, Logik, Vernunft), der es entsprechend verformen wird.

Im siebenten Monat der Schwangerschaft sind die meisten Hirnstammstrukturen ‚feuerbereit’ und ihre Faserverbindungen sind alle in Ordnung. Auch wenn der frontale Kortex an diesem Punkt durch ein Trauma zerstört würde, würden primitive Hirnstamm-Reflexe wie Saugen, Greifen und Zurückziehen weiterhin funktionieren. Der Fetus kann jedoch nur in der

 

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Sprache kommunizieren, für die sein Gehirn zu diesem gegebenen Zeitpunkt die Fähigkeit hat: sich winden, stöhnen, sich drehen, gegen ein Hindernis stoßen, aufstoßen und rot anlaufen. Damit einher gehen die zu dem Zeitpunkt ausgelösten Vitalfunktionen, ein schneller Herzschlag und hohe Körpertemperatur zum Beispiel.

In einer Primal-Sitzung können Patienten regredieren und ein Ereignis wiedererleben, das während ihrer Schwangerschaft oder Geburt geschah. In diesem besonderen Fall, wenn der Kortex ruht und sich zurückzieht und tiefere Gehirnzentren die Kontrolle übernehmen, erleben die Patienten Husten und Würgen, wenn sie in Hirnstamm-Einprägungen geraten. Während eines Primal-Wiedererlebisses ist der sich spät entwickelnde frontale Kortex relativ inoperativ, während die tieferen Ebenen aktiviert sind. Deshalb gibt es immer weniger Gedanken, weniger Artikulierung von Worten, wenn der Patient in Gefühle und Empfindungen hinabgleitet und später dann in vorgeburtliche Erinnerungen. Es gibt nie irgendwelche Szenen, die mit diesen Ereignissen einhergehen, nur die physiologischen Reaktionen. Natürlich gibt es nie Worte; das ist für uns eine Möglichkeit zu erkennen, mit welcher Gehirnebene wir es zu tun haben. Diese Reaktionen sind charakteristisch. Man kann schwer glauben, dass es eine wirkliche Erinnerung ist, wenn man die Empfindung eines sich umdrehenden Magens und Atmungsprobleme wiedererlebt , aber es ist eine primitive Erinnerung, die man auf die einzige Art und Weise erlebt, zu der das Gehirn fähig ist.

In gewisser Hinsicht gleicht eine Sitzung sehr dem Traumschlaf. Während des Traumlebens bleibt der präfrontale denkende Kortex relativ inaktiv, während die Gefühlszentren schwer arbeiten. Anders ausgedrückt: Wenn der präfrontale Kortex ziemlich aktiv ist, gibt es weder Traumschlaf noch ein Primal. Nach einer Sitzung hat der Patient in der Regel keine Ahnung, wieviel Zeit er mit Fühlen verbracht hat, genau wie in einem Traum, weil der Zeitwächter der Neokortex der obersten Ebene ist, der sich in dieser Zeit einen Kurzurlaub nahm. Wenn der Patient eine präzise Vorstellung von der in der Sitzung verbrachten Zeit hat, dann kann es tatsächlich deshalb sein, weil er nicht ganz in dem Feeling war. Einige Patienten berichten, dass es nahezu traumgleich sei, wenn sie in Bewusstseinszonen unterhalb der kognitiven Ebene eintauchen. In das Gehirn auf Gefühlsebenen hinabzusteigen lässt dem Patienten wenig Bewusstheit für den Therapieraum; er oder sie wird auf einer tieferen Bewusstseinsebene überflutet. Er oder sie ist vielmehr nach innen als nach außen gerichtet, was meiner Ansicht nach ein wesentlicher Faktor für die Heilung in der Psychotherapie ist; nicht die nach innen gerichtete Orientierung, die vom frontalen Kortex beherrscht wird, der Gefühle diskutiert, sondern diejenige, welche von Teilen des Gehirns beherrscht wird, die innere Bewusstheit kontrollieren (Genaueres darüber später). Zusammengefasst lässt sich sagen, dass während einer Sitzung in ein Feeling zu fallen ziemlich das Gleiche ist,  wie in einen Traumzustand zu fallen; der Unterschied ist der, dass die Gefühle in Träumen symbolisiert werden, um den Hersteller des Traums zu schützen (das bedeutet, den Schmerz abgesondert zu halten, um dadurch den Schlaf zu schützen). In der Therapie wird man unterhalb der Symbolik in Gefühle getaucht; deshalb berichten Patienten, die mit fortschreitender Therapie eine gewisse Zeit gefühlt haben, dass sie weniger symbolische Träume erleben.

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Wir müssen daran denken, dass eine Hirnstamm-Erinnerung eine Hirnstamm-Reaktion bedeutet. Das bedeutet, dass hohe Werte der Vitalfunktionen, die das ursprüngliche Trauma begleiteten, während einer Sitzung wieder in Erscheinung treten müssen, wenn wir primitive Erinnerungen auflösen wollen. Wenn Patienten vorgeburtliche und geburtliche Einprägungen wiedererleben, können alle die erwähnten Empfindungen involviert sein, und sie sollten es, wenn die Erinnerung vollständig ist. Ohne die vollständigen Reaktionen einer Erinnerung ist die Besserung nur partiell, so partiell, wie die Reaktionen es erlauben.

Sie sind Erinnerungen an eine Erfahrung, die man gemacht hat und die vom vollen Bewusstsein ferngehalten wurde. Auf diese Weise kommen Leiden wie Kolitis oder blutende Geschwüre zustande; die Einprägung brodelt auf den tieferen Gehirnebenen weiter, und dennoch haben wir kein volles Bewusstsein von ihr. Einige Formen von Apnoea – Atmungsausfall – können der First-Line-Intrusion zugeschrieben werden.

Wir machten am UCLA –Lungenlaboratorium ein Experiment mit einem jungen Mann in seinen 30ern. Nach dem Wiedererleben einer Geburtssequenz fiel er plötzlich in Apnoea und hörte eine volle Minute zu atmen auf. Das war kein freiwilliger Akt. Er wiederholte, was mit ihm bei der Geburt geschah. Es war ein wortloses Wiedererlebnis, das eine Art nonverbaler Bewusstheit erlangte. Tatsächlich war es eine verknüpfte Empfindung, die sich vordem in seinem Schlaf abspielte, in dem er unter periodischer Apnoea litt. Wenn wir frühen Terror wiedererleben, bevor wir Worte haben, mit denen wir ihn verkleiden können, kann er dennoch ein verknüpftes Ereignis sein. Er hat das Bewusstsein betreten. Danach ist er keine vage, unerklärliche Angst mehr. Es ist, was es ist: Terror.

Ich habe betont, dass der Hirnstamm die Sprache des hohen Blutdrucks, des Herzjagens, der Kurzatmigkeit spricht – die leisen Killer. Er beherbergt viele unserer Instinkte; unseren Schrecken und unsere Ekstase; und unsere basalen primitiven Bedürfnisse. Er beinhaltet die Geheimnisse unserer Geburt und unseres vorgeburtlichen Lebens im Mutterleib. Wenn wir wissen wollen, wie unsere Geburt war, sagt er es uns auf seine Weise. Er wird präzise und unmissverständlich sein. Seine wundervolle Eigenschaft ist, dass er nicht lügen kann und will.Wenn wir behaupten, keine Angst zu haben, aber tief dort unten  unablässiger Terror herrscht, kann es keine Diskussion geben. Ein chronisches Symptom wie Herzjagen bezeugt die Möglichkeit, dass tief im Nervensystem eine alte Einprägung liegt. Eine im Hirnstamm eingeprägte Erinnerung kann ernsthafte Konsequenzen für viele Überlebensfunktionen haben.

 

Chronisch hoher Blutdruck ist ein gutes Beispiel, wie Erinnerung innerhalb unseres Gehirnsystems existiert – er ist ein Ausdruck einer Erinnerung, einer neurologischen Einprägung, die sich physiologisch manifestiert.

 

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Da die Entwicklung des Hinstamms nach der Geburt einige Monate fortdauert, kann, was mit uns während dieser wenigen Lebensmonate auf Erden emotional geschieht, unsere Herzfunktion beeinflussen, die meisten unserer Überlebensmechanismen und unsere Gehirnentwicklung. Wenn wir später in diesem Buch Atmungs- und Herzprobleme erörtern, müssen wir an den Hirnstamm denken und an die Erinnerungen, die er birgt. Diese Leiden erzählen von präverbalem Trauma und bestimmen deshalb vielleicht, wohin wir in der Psychotherapie gehen müssen. Jedes tiefe Symptom wie ständiges leichtes Fieber oder chronisch erhöhte Körpertemperatur deutet auf den Hirnstamm hin. Um es zu wiederholen: Frühe traumatische Einprägungen haben eine direkte Verbindung zur Herzfunktion. Das Problem mag Jahrzehnte lang nicht sichtbar werden, und deshalb können wir uns nicht vorstellen, wie früh die Herzprobleme eines Menschen anfingen.

Der Hirnstamm prägt die tiefsten Schmerzschichten ein, weil er sich während der Schwangerschaft entwickelt und sich mit Angelegenheiten auf Leben und Tod befasst, bevor wir das Tageslicht erblicken. Nahezu jedes im Mutterleib erfahrene Trauma ist eine Sache auf Leben und Tod. Der Hirnstamm spricht kein Englisch oder irgendeine andere Sprache. Stellen Sie sich vor, Sie versuchen sich mit Worten über den Schmerz des Hirnstamms zu unterhalten, wenn es keine gibt. Die Leute entwickeln Probleme wie hohen Blutdruck oder Kolitis, wenn der Hirnstamm die eingeprägte Erinnerung eines Traumas birgt und versucht, dem frontalen Neokortex von seinem Nahtod-Erlebnis zu erzählen. Der hohe Blutdruck oder die Kolitis ist eine Warnung vor gespeichertem Terror. Der Hirnstamm schreit den Neokortex, das denkende Gehirn an: „Hör mir zu, ich muss dir etwas sagen, das musst du hören. Ich muss eine Verbindung herstellen. Lass mich durch.“ Er schreit mittels hoher Spiegel biochemischer Substanzen wie Noradrenalin, Glutamat und Kortisol – die Sprache seiner Biologie. Und der Kortex sagt: „Tut mir Leid, du hast Informationen, von denen ich nichts wissen will. Versuch’s später!“

„Ja, aber wenn du mich nicht herauslässt, wird mein Blutdruck dramatisch ansteigen.“

„Tut mir Leid.“

Ein gutes Beispiel, wie wir die Spuren einer Hirnstamm-Einprägung sehen können, drückt sich in Schlafstörungen aus. Tatsächlich könnten wir hier das Wort „Fußabdruck“ benutzen, weil eine Hirnstamm-Einprägung weitgestreut ist, viele Hirnfunktionen umfasst und alles beeinflusst vom Essen über Sex bis zum Schlaf. Wir könnten sagen, dass der Grund, warum jemand nicht einschlafen kann, darin liegt, dass er so viele fortlaufende Gedanken hat – ein rasender Geist. Der wahre Grund ist, dass seine Gedanken von Hirnstamm-Einprägungen angetrieben werden, die völlig „geistlos“ sind in dem Sinne, dass Worte keine Bedeutung auf der

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Hirnstammebene haben, obgleich Hirnstamm-Einprägungen den ständigen Fluss wiederkehrender Gedanken in Gang halten. Und zwar dehalb, weil der Hirnstamm weitreichende Nervenbahnen beinhaltet, die direkt zu gewissen Zonen innerhalb des denkenden kortikalen Gehirns verlaufen und folglich einen unaufhörlichen Gedankengang verursachen, auch wenn wir schlafen. Aber das sind keine Gedankenstörungen, sondern das ist das Ergebnis nonverbaler Einprägungen, die unser Leben global beeinflussen.

Schon früh in der Schwangerschaft antwortet der fetale Hirnstamm auf externe Geräusche, sogar auf den Klang der mütterlichen Stimme, mit Kopfdrehen, reflexartigen Körperbewegungen und Änderung des Herzschlags. Wenn die Mutter einen schweren Unfall erleidet, während sie ihr Kind austrägt, beinflusst das zweifellos den Hirnstamm des Fetus und hat möglicherweise ebenso Auswirkungen auf seine Herzfunktion. Das Baby kommt vielleicht fragil und schwächlich zur Welt, wird von ständiger subtiler Angst gequält und ist sehr schreckhaft.

Eine Patientin, die ich sah, erlebte eine Szene wieder, als sie in ihrem achten Schwangerschaftsmonat war. Ihre Mutter fuhr ein Auto und  war nicht angeschnallt, als sie eine Kurve verfehlte, sich mehrfach überschlug und gegen das Lenkrad gepresst wurde. Da lag sie nun – im achten Monat schwanger und für mehr als zwei Stunden eingeklemmt im Inneren des Fahrzeugs. Die Mutter war danach in einem Schockzustand mit ständigen Angstattacken, die anhielten, bis sie Edith zur Welt brachte. Ihr Baby, meine Patientin Edith, wurde als ängstliches Kind geboren, das auf das leiseste Geräusch überreagierte. Sie war voller Spannung, hatte Probleme, einen Job zu bekommen und zu behalten, und war instabil in ihren Beziehungen. Obwohl sie in ihrer frühen Kindheit ein ziemlich liebevolles Elternhaus hatte, hatte sie, als sie älter wurde, vor nahezu allem Angst, besonders vor dem Tod. Als Kind schleppte sie ein Gefühl mit sich, das tief in ihr System eingraviert war, für sie aber keinen Sinn ergab. Sie ging zu vielen Ärzten, von denen keiner den Ursprung ihres Problem auch nur erraten konnte. Als Erwachsene geriet sie in alle Arten von Glaubensystemen und Kulten, um das Gefühl des drohenden Todes abzuwehren und um vor allem das Unerklärliche zu erklären. Sie war in jeder Hinsicht ein zerbrechliches menschliches Wesen. Sie war geprägt von tiefem Terror und der ständigen Aktivierung von Hirnstamm-Mechanismen.

Was macht ein Fetus, wenn er mit einem Trauma konfrontiert wird? Er reagiert viszeral. Wenn ein Mensch diese Art von Trauma gehabt hat, hat er für den Rest seines Lebens eine Prädisposition, weiterhin viszeral zu reagieren. Er entwickelt dann Magenprobleme, Kolitis, Geschwüre, Krämpfe und Atemprobleme und weiß nicht, warum. Deshalb kennen wir in der Primärtherapie oft den Ursprung eines Problems, wenn ein Patient sich uns beispielsweise  mit Kolitis präsentiert. Wenn ein Problem allein und ernsthaft viszeral ist, geht sein Ursprung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Geburt zurück oder auf die Zeit zuvor. Schau auf den Hirnstamm, und du wirst die Ursache finden. Für

 

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Edith, die ihr Leben in einem Zustand ständiger Agitation verbracht hat, sind Tranquilizer obligatorisch, um sie zu befähigen, auf täglicher Basis zu funktionieren. Sie hat ihr ganzes Leben gelitten, trotz einer liebevollen Kindheit.

ZWEITE LINIE: DAS LIMBISCHE/FÜHLENDE SYSTEM

Die zweite Bewusstseinsebene ist das limbische System des Gehirns, das für Gefühle und deren Erinnerung verantwortlich ist. Es sorgt für Bilder und künstlerischen Output, verarbeitet gewisse Aspeke der Sexualität und ist teilweise verantwortlich für Wut und Furcht.

Das limbische System besitzt einige Schlüsselstrukturen, die Einfluss auf die Gehirnfunktion haben, einschließlich des Hippokampus, welcher der Wächter der emotionalen Erinnerung ist; die Amygdala, die, wie ich glaube, das „Fühlen“ (die Empfindung) des Gefühls bereitstellt, die viszeralen Komponenten des Fühlens; und der Hypothalamus und Thalamus.

Der Thalamus ist die Relais-Station oder die zentrale Schalttafel des Gehirns und sendet Gefühlsbotschaften nach oben und nach vorne, damit sie verstanden und verbunden werden können. Er kann entscheiden, dass ein Feeling zu stark ist, als dass man es fühlen könnte, und ordnet an, dass die Nachricht nicht weitergegeben wird. Der Hypothalamus arbeitet mit der tieferen Struktur, der Hypophyse, zusammen, um die Freisetzung von Schlüsselhormonen zu überwachen, nicht zuletzt der Stresshormone. Wenn ein Mensch starke Emotionen hat, ist es der Hypothalamus, der seine Reaktion organisiert.

Innerhalb des Hypothalamus liegen zwei verschiedene Arten von Nervensystemen (beide arbeiten automatisch): das sympathische und das parasympathische. Letzteres überwacht Reparatur, Heilung und Erholung. Das sympathische ist dasjenige, das Aggression und Durchsetzungskraft kontrolliert. Wenn es in utero oder gleich nach der Geburt zu einem starken Trauma kommt, wird eines dieser zwei Systeme unser Leben dominieren und bestimmen, ob wir angesichts von Problemen passiv oder aggressiv sein werden. Es trägt dazu bei, unsere Persönlichkeit zu gestalten.

Das limbische/fühlende System ist ein Verwahrungsort emotionaler Wahrheit. Es liegt ungefähr an der Schläfenzone und windet sich an den Seiten des Gehirns zurück wie ein Widderhorn. Dieses fühlende System entwickelt sich wenigstens zwei oder drei Jahre nach der Geburt weiter, obwohl eine seiner Komponenten, der Hypothalamus, voll funktionsfähig ist, wenn wir geboren werden. Deshalb können wir geburtsbedingte körperliche Leiden haben; Kolik kann ein Beispiel für die Auswirkungen von Geburtsstress oder vorgeburtlichem Stress auf den Hypothalamus sein.

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DIE AMYGDALA: DAS FÜHLEN DES GEFÜHLS

Die Amygdala ist eine der ältesten Strukturen des Gehirns und die älteste Struktur des limbischen Systems. Sie wird sowohl in der persönlichen Zeit als auch in der langen Menschheitsgeschichte lange vor dem neuen (neo) Kortex gebildet. Sie kann zusammen mit dem Hirnstamm geschädigt werden durch vorgeburtliche Traumen wie Stress einer ängstlichen oder drogensüchtigen Mutter, durch Geburtsereignisse und ebenso durch frühkindliche Deprivation. Die Amygdala ist der Mittelpunkt des emotionalen Systems; der Zugang zu Gefühlen. Sie gibt uns die Empfindung hinter dem Fühlen, während der sich später entwickelnde Hippokampus diese Gefühle als Fakten registriert. Die hier liegenden Einprägungen tragen dazu bei, das Wachstum des körperlichen Systems zu bestimmen – unserer Knochen, Blut und Muskeln – und die Persönlichkeit.

Es ist möglich, Zugang zu Gefühlserinnerungen  zu haben, ohne das Fühlen des Gefühls auszulösen. Das Gefühl „Ich erinnere mich, wie meine Mutter meinen Hund weggab“ kann vom Hippokampus ohne volle Beteiligung der Amygdala erinnert werden. Wenn das geschieht, kann es in der Therapie keine anhaltende Veränderung geben, weil ein großer Teil der Erinnerung in dem Wiedererlebnis nicht aufgetaucht ist. Unser Job ist, das Wiederauffinden des gesamten Ereignisses zu unterstützen, einschließlich der exakten emotionalen Reaktion, wie sie sich ursprünglich abspielte. Nur dann kann es integriert werden und aufhören, unser Leben zu bestimmen. Weil das ursprüngliche Trauma jeden Teil unseres Systems durchdrungen hat, muss das Wiedererlebnis dasselbe tun. Andernfalls ist es nur ein partielles Wiedererlebnis und nicht heilsam.

Die Amygdala warnt vor einer Bedrohung und sagt uns , dass wir uns auf Gefahr vorbereiten sollen. Sie hilft, uns zu aktivieren und fordert noch mehr Stresshormone an. Frühe traumatische Erinnerung wird von der Amygdala verfestigt. Sie verarbeitet die "Eingeweide" – buchstäblich die viszeralen Aspekte – des Fühlens. Die Amygdala ist bis zum Alter von sechs Monaten in der Verarbeitung emotionaler Information dominant. Die kritische Periode der Amygdala, wenn sie am empfänglichsten  für Einprägungen aus einem Trauma ist,  ist das letzte Trimester vor der Geburt und die ersten paar Monate nach der Geburt, wenn die Entwicklung der Synapsen fortschreitet und die Dendriten des Gehirns reifen. Einprägungen zu dieser Zeit sind entscheidend. Die Amygdala hat eine eher direkte Wirkung auf den Neokortex, indem sie bestimmt, welche Erinnerungen gespeichert werden und auf welche Art und wie stark diese Erinnerungen Gedankenprozesse beeinflussen.

Später können Worte in einer Therapie niemals die Erinnerungen des Traumas verändern, das die Amygdala erlitten hat. Glücklicherweise kann sie, um Schmerz zurückzuhalten, zur Herstellung ihres eigenen Opiums beitragen, wenn es im Leben hart auf hart kommt. Auf diese Weise hilft sie uns unbewusst zu bleiben. Es ist wirklich ein Wunder, dass diese kleine Gehirnstruktur „weiß“, wann sie Schmerz aufhalten muss, und dass sie ein Mohnblumen-Derivat freisetzen kann um zu helfen. Zusätzlich sagt sie anderen Gehirnstrukturen, wieviel

 

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sie freisetzen und wann sie damit aufhören sollen. Es geht mehr um Kommunikation als um Konversation. Viele Pflanzen machen dasselbe. Wenn zuviel Sonnenlicht da ist und deshalb die Gefahr abnehmender Photosynthese besteht, gibt es eine Tendenz, sich zu verschließen. Das weist darauf hin, dass der Prozess von Überlastung und Verschließen auf das Pflanzenleben zurückgeführt werden kann. Im Fall überwältigender Sonnenenergie betonen zwei Forscher, dass der Blattschaden derselbe wie bei einem Sonnenbrand ist. Pflanzen scheinen ein Warnsystem zu haben, das andere Teile der Pflanze, die noch nicht ausgesetzt sind, in Alarm versetzt.

Was wir in der Therapie oft sehen, ist, dass sich das System nach einem primären Wiedererlebnis automatisch für den Moment verschließt. Als wollte es sagen: „Ich hab’ genug für heute.“ Für den Patienten ist das eine Zeit um auszuruhen und nicht weiter in eine Überlastung hineingestoßen zu werden.

DER HIPPOKAMPUS: DER SITZ  DER ERINNERUNG

Der Hippokampus beinhaltet die Archive früher Erfahrung, vor allem traumatischer Erfahrung, und versetzt auch der Amygdala-Aktivierung einen Dämpfer, so dass unsere Reaktionen selbst nicht zur Gefahr werden; schließlich bedrohen kontinuierlich hoher Blutdruck und Herzschlag die Existenz. Der Hippokampus hat eine hohe Dichte an Stresshormon-Rezeptoren und ist deshalb ziemlich sensibel für Stress. Der Zusammenhang eines Gefühls wird vom Hippokampus organisiert. Er gibt uns einen Anker für unsere Gefühle – eine Zeit und einen Ort – und erlaubt uns, dass wir uns mit unseren Gefühlen in Verbindung setzen.

Der Hippokampus ist nicht so alt wie seine Kollegin, die Amygdala, weshalb ein massives frühes Trauma von der Amygdala ohne eine spezifische Zeit oder einen spezifischen Ort und ohne Begriffe oder Worte, die es verständlich machen, verarbeitet werden kann. Dafür benötigt es den sich später entwickelnden Hippokampus. Sich mit präverbalen Traumen in Verbindung zu setzen ist eine Sache der Bewusstheit spezifischer Empfindungen im Zusammenhang – wie z.B. die Empfindung des Ertrinkens bei der Geburt zu fühlen und ihren Ursprung zu kennen. Wir können Vorgeburts-, Geburts- und Säuglingstraumen durchmachen, können uns aber nicht an sie erinnern, weil ein verantwortliches System (der Hippokampus) noch nicht auf Touren ist. Während wir also diese sehr frühen Ereignisse nicht bewusst erinnern können, wird die „Erinnerung“ oder Einprägung dennoch von der Amygdala registriert, und wir werden von Erinnerungen beinflusst, an die wir uns nicht erinnern können. Wie der Neurophysiologe Joseph LeDoux  feststellt: „Aus diesem Grund kann das Trauma im späteren Leben psychische und verhaltensbezogene Funktionen beeinflussen, durch Prozesse, die dem Bewusstsein unzugänglich bleiben.“ Er glaubt, dass „Erinnerungen unauslöschlich ins Gehirn eingebrannt werden und ein Leben lang in uns bleiben“, was angesichts all der letzten Informationen zu einer ziemlich feststehenden Tatsache geworden ist. 2

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Entscheidend beim Hippokampus ist, dass ein frühes Trauma und fehlende Liebe ein Schrumpfen seiner Dendriten verursachen können, das schließlich zu Gedächtnisverlust führt. Langzeit-Einprägungen beeinflussen den Hippokampus, so dass es nicht überraschend wäre, wenn im späteren Leben Erinnerungslücken auftreten würden.

DER HYPOTHALAMUS: DER ÜBERSETZER DER GEFÜHLE

Der Hypothalamus, auch ein Teil des limbischen Systems, hilft, die Stresshormon-Freisetzung zu organisieren, vor allem Kortisol. Kortisol erhöht die Frequenz und Stärke der Herzkontraktionen und beeinflusst viele unserer metabolischen Prozesse, die auf Stress reagieren. Der Hypothalamus sieht heute ziemlich genau so aus wie vor einer Million Jahren. Er reguliert die Sekretion von Hormonen, kontrolliert Essen und Trinken und steuert Wut. Er sorgt für die physiologische Kraft bei Gefühlen. Er gefasst sich primär mit unserer Innenwelt und wird teilweise von anderen limbischen Strukturen wie der Amygdala kontrolliert. Der Hypothalamus hat Verbindungen zum Hirnstamm und übersetzt Gefühle in biochemische Prozesse. Er hat sehr viel mit einem Übersetzer gemein, nimmt Gefühle und organisiert für sie physiologische Reaktionen.

DER THALAMUS: DER KURIER DER GEFÜHLE

Das Schaltzentrum des limbischen Systems ist der Thalamus, der Gefühle weiter nach oben zum frontalen Kortex schickt, damit sie verstanden und integriert werden können. Wenn der Schmerz zu intensiv ist, wird der Thalamus Gefühle nicht weiterleiten; vielmehr handelt er wie ein Postbote und schickt sie mit dem Vermerk „Adresse unbekannt“ zum Absender zurück. Hier findet man eine der höchsten Konzentrationen an Verdrängungssubstanzen, inhibitorischen Neurotransmittern. Der Thalamus braucht Hilfe, um zu viel Schmerz aufzuhalten, und er bekommt sie. Tatsächlich tut der Thalamus doppelte Pflicht, weil er mit zwei verschiedenen Bahnen verbunden ist: Er sendet Information an höhere Zentren (präfrontaler Kortex) und gleichzeitig zur Amygdala. Die Amygdala erhält die Nachricht und sendet sie zum Hirnstamm, der dann Alarm auslöst und im Körper den Notstand ausruft. Wenn die Amygdala außer Betrieb ist, gibt es keinen Alarmzustand.

Der Thalamus ist die Schalttafel des Gehirns, leitet bestimmte Aspekte des Fühlens zum frontalen Kortex weiter, der sich mit Denken, Ehrgeiz, Planung befasst, mit dem Erkennen von Handlungsfolgen und vor allem mit Verdrängung – mit dem Zurückhalten der Gefühle von voller Bewusstheit. Er ist der letzte Kontrollpunkt, bevor Gefühlsbotschaften zusammenfließen und zum Areal präfrontaler Bewusstheit strömen. Der Thalamus spricht eine geradlinige neurochemische Sprache, eine Sprache, die sich wortlos ausdrückt. Dennoch kann er

 

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schmerzvolle Botschaften so übersetzen, dass der frontale Kortex sie verstehen kann. Wenn der Schmerz zu groß ist, ist die Nachricht verstümmelt, wenn sie ankommt. Wenn er akzeptabel ist, öffnen sich die Tore und die Nachricht wird klar verstanden. Wir wissen, was wir fühlen.

In groben Zügen definiert Schmerz seine Aufgabe. Bestimmte Neurotransmitter wissen, wann sie  eingreifen müssen. Später in der Therapie wird der Thalamus dem Kortex Nachrichten überbringen, und dann werden wir diesem Prozess endlich Worte hinzufügen. „Liebe mich, Mami. Sag mir, dass du mich nur ein bisschen liebhast!“  Er hat seine eigene Art von Bewusstheit, weil er entscheiden kann, dass emotionaler Schmerz zu groß ist und dass er ihn nicht an höhere Zentren weiterleitet. Der Thalamus schaut auf den frontalen Kortex und achtet darauf, ihn nicht zu überwältigen. Es ist nicht so, dass wir einst bewusst waren und dann das Fühlen unterdrückten. Es ist so, dass emotionale Schlüsselbotschaften es nie bis zum präfrontalen Bereich schafften.

Lassen Sie mich nochmal sagen, dass die emotionalen Zentren aktiv sein können, bevor Bewusstheit einsetzt. Es bedeutet unter anderem, dass sie uns unbewusst steuern. Es ist ein Grund, warum wir nicht erkennen, dass wir durch verborgene Gefühle in Gefahr sind; wir sind uns nur großer Unbehaglichkeit bewusst. Hier ist ein gutes Beispiel, wie man gleichzeitig bewusst und unbewusst ist. Eine neue Patientin ließ ihr Kind immer mit Babysittern allein, die sie wirklich nicht gut kannte, um zu Seminaren über Bewusstheit zu gehen. Während sie Bewusstheit erlangte, handelte sie unbewusst. Wir können etwas sagen, das aus uns herauszuplatzen scheint, bevor wir eine Chance haben darüber nachzudenken. Unsere Gefühle sind aktiv, bevor die Hemmung sich durchsetzt. Wir können jemanden im Zorn anschreien, bevor wir auch nur eine Chance haben zu sehen, welche Wirkung es haben könnte.

DIE DRITTE LINIE: DER NEOKORTEX

Die dritte Linie ist der Neokortex, der Teil unseres Gehirns, der sich als letzter entwickelte und der für intellektuelles Funktionieren verantwortlich ist, für die Erzeugung von Vorstellungen und für das Denken. Der linke präfrontale Bereich befasst sich mit der Außenwelt, hilft uns zu verdrängen und, falls er es kann, Gefühle zu integrieren. Er ‚geht online’ etwa im dritten Lebensjahr. Der rechte präfrontale Bereich ist nach innen orientiert, befasst sich mit unseren Gefühlen und ist dafür verantwortlich, Gefühle in den linken präfrontalen Bereich hinüberzubringen, damit sie verstanden werden. Obwohl er sich in den ersten drei Lebensjahren schnell entwickelt, kommt es unmittelbar vor der Adoleszenz zu einem weiteren Wachstumsschub. Anscheinend gibt es zur selben Zeit, wenn die Hormone zu toben beginnen, eine gößere Menge an frontalem Kortex, um die Impulse zu kontrollieren. Kurz gesagt ist hier der Punkt, wo die Verdrängung wirklich ihr Leben beginnt. Zum Ende der Adoleszenz scheint die Verdrängung volle Kraft zu haben, aber es ist zu spät: Der/die Jugendliche hat

     

Fortsetzung Buch Seiten 71 - 106

       
TEIL I A , SEITEN 1 - 35         TEIL I B, SEITEN 36 - 70               TEIL I C , SEITEN 71 - 106 TEIL II A, SEITEN 107 - 140      TEIL II B, SEITEN 141 - 181     TEIL II C, SEITEN 182 - 208
TEIL III A, SEITEN 209 - 240                TEIL III B, SEITEN 241 - 272   BUCHÜBERSETZUNG: BÜCHER VON A. JANOV                                             HOME